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Habeck stellt Leipziger Gasimporteur VNG rasche Staatshilfe in Aussicht

Der Gasimporteur VNG aus Sachsen hat Stabilisierungsmaßnahmen beim Bundeswirtschaftsministerium beantragt. Robert Habeck kündigt schnelle Hilfen an.

Von Nora Miethke
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Der Gasimporteur VNG ist in der Energiekrise in finanzielle Schieflage geraten.
Der Gasimporteur VNG ist in der Energiekrise in finanzielle Schieflage geraten. © Jan Woitas / dpa

Dresden. Der Gasversorger VNG mit Sitz in Leipzig – die Nummer drei auf dem deutschen Markt – ist wegen der Energiekrise in finanzielle Schieflage geraten und beantragt Staatshilfe nach Paragraf 29 des Energiesicherungsgesetzes (EnSig). Dies teilten die VNG AG und der Mehrheitseigner EnBW am Freitag mit.

Hintergrund sind ausbleibende russische Gaslieferungen, die nun teuer aus anderen Quellen ersetzt werden müssen. Die Unternehmenskrise könnte sehr viele Menschen berühren: VNG beliefert nach eigenen Angaben 400 Stadtwerke- und Industriekunden.

So ist zum Beispiel die Drewag Stadtwerke Dresden GmbH als Tochtergesellschaft der SachsenEnergie AG langjähriger Kunde der VNG AG. „Man habe den Antrag zur Kenntnis genommen, „gehen aber bis auf Weiteres von keiner Beeinträchtigung der bestehenden und stets zuverlässigen Geschäftsbeziehung aus“, teilte die Sprecherin von SachsenEnergie mit.

VNG beziffert Verlust in diesem Jahr auf eine Milliarde Euro

Das Bundeswirtschaftsministerium bestätigte am Freitag den Eingang des Antrags auf sogenannte Stabilisierungsmaßnahmen. Viele Fragen waren aber zunächst offen, darunter, um welche Summen es geht und ob der Bund möglicherweise eine Beteiligung erwägt. Es gebe verschiedene Möglichkeiten, sagte ein Ministeriumssprecher. Welches Instrument gewählt werde, sei offen.

Nach Unternehmensangaben geht es darum, „eine Fortführung der Geschäftstätigkeit zu ermöglichen“. VNG mit Sitz in Leipzig hatte nach eigenen Angaben 2021 einen abgerechneten Umsatz von 18,5 Milliarden Euro und beschäftigt rund 1.500 Menschen. Das Unternehmen deckte 2021 rund ein Fünftel des Gasbedarfs in Deutschland und gilt als „systemrelevant“: drittgrößter Gasversorger, zweitgrößter Fernnetzbetreiber, zweitgrößter Betreiber von Biogasanlagen.

VNG hat bereits Zahlungen aus der umstrittenen Gasumlage beantragt, die ab 1. Oktober erhoben werden soll. Dies reicht jedoch nach Darstellung des Unternehmens nicht aus. Die VNG erklärt den jetzigen Schritt in einer Mitteilung wie folgt: „Von russischen Lieferausfällen betroffene Gasmengen mit teilweise fest vereinbarten Preisen müssen nun zu kriegsbedingt massiv höheren Preisen beschafft werden.“ Konkret sind zwei Verträge von russischen Lieferausfällen betroffen. Ein Direktvertrag über etwa 35 Terawattstunden – das sind 35 Milliarden Kilowattstunden – pro Jahr von Gazprom Export.

Dieser werde nicht mehr bedient und läuft Ende des Jahres aus. Allein daraus entstehe trotz Gasumlage etwa eine Milliarde Euro Verlust 2022. Dies „würde VNG als direkter Importeur aus eigener Kraft und gemeinsam mit weiteren Stabilisierungsmaßnahmen ihrer Anteilseigner tragen können“, heißt es. Gemeint ist vermutlich die EnbW.

Knackpunkt ist laut VNG ein größerer Vertrag über 65 Terawattstunden im Jahr mit einem inländischen Vorlieferanten, der diese Gasmengen importieren wollte. Dieser Vertrag werde seit Mitte Mai nicht mehr durchgängig bedient. „Die Kosten der Ersatzbeschaffung hat VNG im August bei historisch hohen Gaspreisen anders als zuvor erwartet zu erheblichen Teilen tragen müssen“, erklärte das Unternehmen. Die daraus absehbare finanzielle Belastung sei für VNG „nicht tragbar.“

Wer der Vorlieferant ist, wird nicht weiter ausgeführt. Es dürfte sich um das Wintershall Erdgas Handelshaus (WIEH) handeln, eine Tochter von Securing Energy for Europe (SEFE), ehemals Gazprom Germania. WIEH wiederum wurde von Gazprom Export beliefert, was aufgrund russischer Gegensanktionen nicht mehr erlaubt ist. Deshalb wollte WIEH laut einem Bericht von energate die Belieferung von VNG vollständig einstellen, wogegen sich die Leipziger vor Gericht wehren. Der Liefervertrag läuft bis 2030. Offenbar konnte sich VNG mit dem Gazprom Germania Nachfolgeunternehmen SEFE und damit indirekt mit der Bundesregierung nicht einigen, wer die Kosten der Ersatzbeschaffung trägt.

Michael Kretschmer: VNG muss unbedingt geschützt werden

VNG als "ostdeutscher Leuchtturm" und größter Konzern müsse unbedingt geschützt werden, sagte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer in einem Interview mit Sächsische.de am Donnerstag, also vor Bekanntwerden des Antrags auf Staatshilfe. Dafür trage auch die Bundesregierung "eine große Verantwortung". Kretschmer weiter: "Ein kerngesundes ostdeutsches Unternehmen zur Handlungsunfähigkeit zu verdammen, wäre ein massiver Schaden für die ostdeutsche Wirtschaftsgeschichte aber auch die Wirtschaftsentwicklung und Energiewende im Osten."

Die VNG sei nicht nur systemrelevant, betont Sachsens Energieminister Wolfram Günther, sondern zudem "strukturrelevant für Sachsen und ganz Ostdeutschland". Deshalb sei die Sicherung des Unternehmens absolut richtig. "Das sichert die Versorgung", so der Grünen-Politiker. Es sei jetzt wichtig, dass Arbeitsplätze und der Standort erhalten bleiben und die VNG die Chance bekomme, aus eigener Kraft aus dieser unverschuldeten Lage herauszukommen.

"Wir hätten uns vom Bund eine bessere Lösung für die VNG gewünscht", sagt Günther und fordert, dass die sächsischen Kommunen als Anteilseigner auch künftig über eine relevante Rolle im Unternehmen verfügen müssten. "Wir werden uns hier für eine Lösung einsetzen“, betont der Energieminister.

Wirtschaftsminister Martin Dulig erwartet, „dass die Bundesregierung alles dafür tun wird, um VNG zu stabilisieren.“ Das sei wichtig, damit keine Kettenreaktion ausgelöst werde und durch eine Schieflage der Stadtwerke eine Versorgungssicherheit nicht mehr gewährleistet wäre, so der SPD-Politiker.

Günther befürchtet aber auch, dass die Einflussmöglichkeiten der kommunalen Anteilseigner durch die Staatshilfe schrumpfen und fordert, dass sie auch „weiterhin über eine relevante Rolle im Unternehmen“ verfügen müssten. „Wir werden uns hier für eine Lösung einsetzen“, betont der Energieminister. 25 Prozent der VNG-Anteile sind im kommunalen Besitz. Im Falle von Hilfen der Konzernmutter hätten allerdings auch die beteiligten Kommunen mitziehen und „eine Menge Geld in die Hand nehmen“ müssen, wie es Anfang September von VNG hieß. Das war offenbar auch nicht im sächsischen Interesse.