SZ + Wirtschaft
Merken

Sachsens Bauern und Landesregierung verbünden sich gegen Berlin

Nach den Bauernprotesten hat Sachsens Kabinett Vertreter mehrerer Verbände in Dresden empfangen. Was sie nun vorhaben.

Von Georg Moeritz
 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Trotz Rücktrittsforderung im Gespräch: Agrarminister Wolfram Günther (Grüne, links im Bild) und Torsten Krawczyk, Präsident des Landesbauernverbands,  nach der Kabinettssitzung in Dresden.
Trotz Rücktrittsforderung im Gespräch: Agrarminister Wolfram Günther (Grüne, links im Bild) und Torsten Krawczyk, Präsident des Landesbauernverbands, nach der Kabinettssitzung in Dresden. © Archivfoto: SZ/Georg Moeritz

Dresden. Einig gegen die Bundesregierung: Sächsische Bauernvertreter haben am Dienstag auf Einladung der Landesregierung an einer Kabinettssitzung in Dresden teilgenommen. Danach sagten der Präsident des Landesbauernverbands, Torsten Krawczyk, und der Vorsitzende von Land schafft Verbindung Sachsen, Mike Krause, dass die Bundesregierung der Adressat ihres Ärgers wegen der gekürzten Agrardieselbeihilfe sei. Größere Proteste in Sachsen seien zunächst nicht mehr geplant, sagten beide auf Nachfrage.

Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sagte, das gemeinsame Signal an die Bundesregierung sei nun, dass sie sich ebenfalls zusammensetzen solle. Kretschmer bezeichnete die Bauernproteste der vergangenen Wochen als Beweis für eine lebendige Demokratie. Die Bauernvertreter seien zur Kabinettssitzung auch zum Dank dafür eingeladen worden, dass sie ihre Demonstrationen "mit der Polizei vernünftig besprochen" hätten. Außerdem seien diejenigen in die Schranken gewiesen worden, die "ihr Mütchen kühlen wollten mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung".

Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU, Bildmitte) am Dienstag mit Agrarminister Wolfram Günther (Grüne, links im Bild) und Torsten Krawczyk, Präsident des Sächsischen Landesbauernverbandes.
Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU, Bildmitte) am Dienstag mit Agrarminister Wolfram Günther (Grüne, links im Bild) und Torsten Krawczyk, Präsident des Sächsischen Landesbauernverbandes. ©   dpa/Robert Michael

Bauernpräsident Krawczyk sagte, bei den Landwirten gebe es großen Frust, Ängste und viel Misstrauen. Er erwarte nun aus Berlin versöhnliche Töne, vor allem von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) wegen des Agradiesels. Er empfehle den sächsischen Landwirten, nicht mehr unbedingt den Verkehr lahmzulegen, um die ländliche Bevölkerung in Sachsen nicht weiter zu belasten. Doch über die Schwierigkeiten der Landwirte solle weiter informiert werden.

Land schafft Verbindung schließt kleine Aktionen nicht aus

Mike Krause, Vorsitzender von Land schafft Verbindung Sachsen (LSV), empfand die Einladung ins Kabinett als Ehre. Er sagte, das Gespräch sei "ein schöner Schlagabtausch" gewesen, man habe sich ausreden lassen. "Mehr können wir in Sachsen nicht erreichen", sagte Krause zu sächsische.de, "wir haben ein Problem mit Berlin".

Die LSV plant nun eine Unterschriftensammlung unter eine Resolution zum Agrardiesel, die nach Berlin geschickt werden soll. Außerdem sind Gespräche mit Landräten vorgesehen. Eine Großdemonstration wie zuletzt am 10. Januar in Dresden werde es in absehbarer Zeit nicht mehr geben, sagte Krause. Der Verein sei aber nicht Herr über sämtliche Protestaktionen. Er helfe dabei, Proteste in legale Bahnen zu lenken. Einzelne Aktionen seien nicht auszuschließen.

Auch die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) nahm an der Kabinettssitzung teil. Sie hatte sich vorige Woche vor dem Landtag mit einer kleinen Demonstration für das geplante Agrarstrukturgesetz gegen große Landkäufer eingesetzt. Außerdem kamen laut Ministerium der Verband der Familienbetriebe Land und Forst und ein Ökolandbau-Bündnis.

Günther sagt rasche Auszahlung der Subventionen zu

Minister Günther versicherte den Landwirten erneut, an der Berechnung der verzögerten EU-Subventionen werde gearbeitet. Wie schon am Tag zuvor auf der Grünen Woche in Berlin sagte Günther: "Stand jetzt steht einer Auszahlung in diesem Monat nichts entgegen." Die neu programmierte Software habe einen Probelauf bestanden, vorher habe es dabei Schwierigkeiten gegeben. Bauernpräsident Krawczyk hatte bei einem Pressgespräch angekündigt, den Rücktritt des Ministers zu fordern, wenn das Geld bis Monatsende nicht auf den Konten der Bauern sei. Ministerpräsident Kretschmer sagte auf Nachfrage dazu, solche Forderungen sei man als Politiker gewöhnt.

Bauernpräsident rechnet mit weniger Geld aus Brüssel

Krawczyk hatte auch angekündigt, zunächst nicht mehr mit dem Minister zu sprechen. Doch auf der Grünen Woche und im Kabinett trafen sich beide. Günther sagte, sein Ministerium arbeite "kontinuierlich" mit allen Landwirtschaftsverbänden zusammen. Er sei dankbar für ihre Vielfalt - und dafür, dass viele Betriebe in Verbänden organisiert seien. "Das ist ein großer Schatz, den wir hier haben."

Günther äußerte Verständnis für die Lage der Bauern. Er sagte, auch in einer Zeit gestiegener Einkommen hätten die Bauern Risiken zu tragen und erlebten Unsicherheit. Der Minister betonte: "Wir brauchen starke Betriebe im ländlichen Raum". Die Europäische Agrarförderung müsse in der nächsten Förderperiode ab 2027 erheblich vereinfacht werden.

Krawczyk sagte, schon bei der jüngsten Agrarreform hätten die sächsischen Betriebe insgesamt "in Größenordnungen verzichtet". Er rechne für dieses Jahr mit etwa 20 bis 30 Prozent weniger Geld aus Brüssel. Ein Teil der üblichen Zahlungen pro Hektar sei umverteilt worden für Leistungen für das Gemeinwohl, für Biodiversität und für kleinere Betriebe. Die Landesregierung hat nach eigenen Angaben noch keine Zahlen zu Veränderungen bei den Subventionen, weil die Anträge noch in Bearbeitung sind.