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Sachsens Konjunktur: Erholung ja, Aufholen nein

Eine neue Konjunkturprognose sieht Sachsens Wirtschaft in der Erholung. Aber frühere Vorhersagen fielen besser aus.

Von Georg Moeritz
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Sachsens Wirtschaft erholt sich jetzt. Doch der Abstand zum Westen wird derzeit wieder größer.
Sachsens Wirtschaft erholt sich jetzt. Doch der Abstand zum Westen wird derzeit wieder größer. ©  Symbolfoto: dpa

Dresden. Der Gummiband-Effekt trifft Sachsens Wirtschaft: Je stärker ein Gummi gespannt wird, desto heftiger schnappt es beim Loslassen wieder zurück. Mit dieser Begründung hatten die Konjunktur-Experten in der Landesbank LBBW in Stuttgart, zu der auch die ehemalige Sachsenbank gehört, voriges Jahr vier Prozent Wirtschaftswachstum in Sachsen für dieses Jahr vorhergesagt. Doch am Mittwoch veröffentlichten die Ökonomen eine neue Prognose: Demnach wächst Sachsens Wirtschaft dieses Jahr nur um durchschnittlich 2,3 Prozent.

Zwar ist das Konjunktur-Gummiband voriges Jahr stark gespannt worden: Sachsens Wirtschaft schrumpfte um 4,4 Prozent, wie das Statistische Landesamt in Kamenz errechnete. Doch die andauernde Corona-Pandemie erschwert den neuen Aufschwung. Von einer "Erholung" sprechen die Stuttgarter Konjunkturforscher dennoch. Zwar sind Gastronomie, Tourismus und Handel weiterhin ausgebremst, doch Industrie, Bau und viele Dienstleistungsbranchen arbeiten.

Mehr Wachstum in Regionen mit viel Industrie

Der Gummiband-Effekt führt auch dazu, dass die Wirtschaft in Regionen mit viel Industrie dieses Jahr stärker wächst als in Sachsen. Denn voriges Jahr hatte der erste Lockdown auch viele Industriebetriebe im Westen eingeschränkt, umso stärker ist dort nun das Nachholen.

Das erwartete Wirtschaftswachstum in Sachsen mit 2,3 Prozent wird nach der Prognose nicht so stark sein wie in Deutschland insgesamt mit 2,5 Prozent. Sachsen holt also nicht weiter zum Westen auf, sondern der Abstand vergrößert sich wieder etwas. Und die Einbußen vom vorigen Jahr werden in diesem Jahr nicht ausgeglichen.

Schon im Dezember hatten die Dresdner Experten des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung angekündigt, dass die Erholung der ostdeutschen Wirtschaft länger dauert als zunächst erwartet - wegen des neuerlichen Lockdowns. Damals sagten die Ifo-Forscher noch 4,1 Prozent Wirtschaftswachstum in Sachsen für dieses Jahr voraus. Die neue LBBW-Vorhersage von 2,3 Prozent ist pessimistischer. Ifo Dresden wird voraussichtlich erst wieder im Juni Zahlen nennen, denn dort sind halbjährliche Prognosen üblich.

Vorschlag: Geld für Forschung und Gründerkultur

Die Konjunkturforscher der LBBW fordern nun "verstärkte Anstrengungen" von Politik und Wirtschaft. Kurz- und mittelfristig müsse die Corona-Pandemie so bewältigt werden, dass Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft nicht weiteren Schaden nehmen. Mittel- bis langfristig gehe es darum, den Wirtschaftsstandort attraktiver zu machen.

Die Ökonomen schlagen vor, mehr Geld in Forschung und in Gründerkultur zu stecken. Sie verweisen auf eine Umfrage der Unternehmensberatung Ernst & Young, der zufolge Sachsen bei Berufseinsteigern kein sehr beliebtes Bundesland sei. Vom Digitalverband Bitkom haben sie erfahren, dass von den ostdeutschen Städten nur Berlin unter den Top 10 der "Smart Cities" liegt, also der Städte mit hoher Digitalisierung. Leipzig habe Dresden überholt, dank einer "lebendigen Digitalszene", digitaler Bürgerbeteiligung und einem Projekt "Hardware for Future", bei dem Leipziger ihre ausrangierten Laptops und Smartphones spenden und für bedürftige Menschen aufbereiten lassen.

Hoffnung: Wasserstoff-Wirtschaft für Sachsen

Die Stuttgarter Forscher sehen eine große Chance für Sachsen in der Produktion und Nutzung von Wasserstoff. Sie loben die Versuche, eine "mitteldeutsche Wasserstoffwirtschaft" aufzubauen. Das Gas werde vor allem für den Verkehr künftig wichtiger. Im Jahr 2030 könnte grüner Wasserstoff, also mit Hilfe von Wind- und Solaranlagen erzeugtes Gas, zum gleichen Preis wie Benzin erhältlich sein.

Sachsen hat bei Wasserstoff bereits "in allen Bestandteilen der Wertschöpfungskette und in allen Regionen" Kompetenzen, schreiben die Wirtschaftsforscher. Das Gas werde ein wichtiger Baustein für den Strukturwandel beim Ende der Braunkohle-Verbrennung. Sachsen habe auch "perspektivisch" ein großes Aufkommen an Windstrom für die Produktion von Wasserstoff. In den vergangenen Jahren kam der Ausbau der Windenergie allerdings in Sachsen nicht voran. Über die norddeutschen Häfen könne Wasserstoff auch importiert werden, schreibt die LBBW. Ihr Forscher Guido Zimmermann fordert nun ein Konzept, wie Sachsen einen "neuen Industriezweig" aus der Wasserstoffwirtschaft machen kann.