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350 neue Jobs: Elbe Flugzeugwerke expandieren kräftig

Der Airbus-Zulieferer EFW in Dresden sieht sich auf gutem Weg zu Sachsens erstem Weltkonzern. Dabei soll auch die Bundeswehr eine Rolle spielen.

Von Michael Rothe
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Der Dresdner Spezialist für Frachterumrüstung, Leichtbaukomponenten, Wartung und Reparatur will sich als Unternehmen von Weltrang in Sachsen etablieren.
Der Dresdner Spezialist für Frachterumrüstung, Leichtbaukomponenten, Wartung und Reparatur will sich als Unternehmen von Weltrang in Sachsen etablieren. © Thomas Kretschel

Dresden. Ungeachtet der vielen Krisen wollen die Elbe Flugzeugwerke 2023 durchstarten und dabei auch den Jobmotor anwerfen. Wie von dem Dresdner Unternehmen zu erfahren war, sollen in diesem Jahr 350 Fachleute eingestellt werden. Der Personalbedarf des mit gut 2.000 Beschäftigten größten Vertreters von Sachsens Luft- und Raumfahrtindustrie kommt nicht von ungefähr. Nach überstandener Pandemie stehen die Airlines für Passagiermaschinen Schlange, und auch das Geschäft der EFW mit Frachtern brummt.

Die Luftfahrt war mit am stärksten von der Corona-Krise betroffen. Airlines ließen das Gros ihrer Flotte am Boden, viele plagten Finanzsorgen. Das spürte auch der Flugzeugbauer Airbus, Hauptkunde der Dresdner, der seine Fertigung zeitweise um 40 Prozent zurückfuhr. Mit Folgen für die Komponentenproduktion, welche gut die Hälfte vom EFW-Umsatz ausmacht.

In Dresden und bei den Töchtern Acosa und CCI Assembly in Kodersdorf bei Görlitz werden Leichtbauteile wie Fußbodenplatten, Seitenverkleidungen, Trennwände, Cockpittüren, Toiletten und Schlafkojen für Crews hergestellt. Über 11.000 Flugzeuge sind mit Bodenpanels von dort unterwegs. Ferner reparieren und warten die Dresdner neben Airbussen auch den Hubschrauber NH-90 der Bundeswehr.

Umrüstung ist Wachstumstreiber

Wichtigster Wachstumstreiber aber ist die Umrüstung von Passagier- zu Frachtflugzeugen. 2022 seien von Konzernstandorten in Dresden, China, Singapur und den USA insgesamt 20 umgebaute A 320, A 321 und A 330 ausgeliefert worden, heißt es – zuletzt im Dezember der 10. auch langstreckentaugliche A 330 an Posttochter DHL.

Hauptkunde Airbus indes hat weiter Sorgen. Der europäische Luft- und Raumfahrtkonzern Airbus kann mangels Komponenten und Personals weit weniger Flugzeuge produzieren als nachgefragt werden. Deshalb hat sich der Konzern laut Verkaufschef Christian Scherer aus einigen Wettbewerben in Amerika zurückgezogen.

Die EFW seien an den Verzögerungen bei Airbus nicht beteiligt, betonen die Sachsen. Sie hätten immer zuverlässig die gewünschten Stückzahlen geliefert. Zwar hätten sie ebenfalls Herausforderungen in der Lieferkette zu meistern, seien die Kosten gestiegen, Materialien nicht immer verfügbar. „Aber wir halten soweit als möglich Lager, haben Zweitlieferanten qualifiziert und sind dabei, weitere zu finden“, sagt eine Sprecherin. In Abstimmung mit Kunden seien Auslieferungen in den Januar geschoben worden. Ziel sei, 2023 von allen Standorten sowie Drittpartnern in China und der Türkei gut 40 Flugzeuge auszuliefern.

In einer Liga mit Boeing und Airbus

Die EFW wandeln sich vom Wartungs- und Komponentengeschäft im Auftrag Dritter zum Erstausrüster. Als ein solcher OEM spiele man die gleiche Rolle wie Airbus und Boeing, sagt Geschäftsführer Jordi Boto. Alle Aufträge liefen über Dresdner Konten. Der Spanier mit deutschem Pass hatte im April 2022 Andreas Sperl beerbt und im ersten Jahr als Chef eine Umsatz-Verdopplung auf 500 Millionen Euro angepeilt. Ob es geschafft wurde, verrät das Unternehmen nicht und verweist auf die Bilanzvorlage im Frühjahr. Und Boto schielt bereits auf die Milliarde.

Jordi Boto ist seit April 2022 Chef der Elbe Flugzeugwerke.
Jordi Boto ist seit April 2022 Chef der Elbe Flugzeugwerke. © Christian Juppe

Der Katalane bringt gut 20 Jahre globaler Erfahrung in der Luftfahrt mit. Er war bei Airbus in Schlüsselpositionen tätig, leitete dort mit Power8 das größte Restrukturierungsprogramm in der Branche. Zuletzt hatte er seit 2012 die PFW Aerospace Speyer aus der Fast-Pleite zum erfolgreichen Anbieter von Rohrsystemen und Tanks für die Luftfahrt geführt und ihren Verkauf an die Total-Tochter Hutchinson begleitet.

Zwar sei der Freistaat industriell gut aufgestellt, sagt Boto, doch die Entscheidungen würden im Westen, in den USA und sonst wo getroffen. Nun böte sich ihm „die einzigartige Möglichkeit, in Sachsen das Headquarter eines Unternehmens von Weltrang zu etablieren“ und eine ganze Branche mitzugestalten. „Wir entwickeln uns rasant“, schwärmt der 53-Jährige. Die Auftragsbücher seien voll. Er wolle die Wertschöpfung erhöhen, „die Konkurrenz abschütteln, indem wir nicht mehr nur Komponenten, sondern ganze Toiletten- und andere Systeme liefern“ – und sich so unabhängiger vom Airbus-Wohl machen.

Recycling-Projekt in der Lausitz rechnet sich nicht

Und dann gibt’s noch das Recyclingprojekt am Flugplatz Rothenburg bei Niesky. Dort werden ausgediente Flieger ausgeschlachtet, Ersatzteile aufgearbeitet und Verbundwerkstoffe wiederverwertet. Allerdings verdichten sich nach zwei zerlegten Maschinen die Anzeichen, dass die Lebenserwartung dieses Vorhabens nicht allzu hoch ist. Finanziell liegt es weit unter den Erwartungen, und die technische Umsetzung ist schwieriger als gedacht. Noch haben die Gesellschafter nicht entschieden, ob und wie es dort weitergeht.

Auch bei einem weiteren Thema lässt sich Boto nicht in die Karten schauen. Der Ex-Blauhelmsoldat und Hubschrauberpilot in Ex-Jugoslawien und Angola hatte angedeutet, dass sich die EFW mit ihrer Expertise bei Wartung und Umrüstung in die Stärkung der Luftwaffe einbringen wollten – Reaktion auf den Ukraine-Krieg. Man sei dran, aber noch nichts sei spruchreif, heißt es.