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Sachsen wollen nicht auf E-Autos umsteigen

Eine Studie der Huk-Coburg-Versicherung zeigt: Die Sachsen sind besonders skeptisch gegenüber neuen Mobilitätskonzepten. Das hat Gründe.

Von Nora Miethke
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Im September 2020 holte Christian Stadler als Erstkunde seinen ID.3 in der Gläsernen Manufaktur ab. Seine Begeisterung können viele Sachsen nicht teilen.
Im September 2020 holte Christian Stadler als Erstkunde seinen ID.3 in der Gläsernen Manufaktur ab. Seine Begeisterung können viele Sachsen nicht teilen. © © by Matthias Rietschel

Jedes fünfte in Europa produzierte Elektroauto rollt in Sachsen vom Band. Der Freistaat ist im vergangenen Jahr zur Top-Region für die Produktion batterieelektrischer Pkws aufgestiegen. Doch die Menschen, die sie herstellen, wollen sie nicht fahren. Nach der am Dienstag veröffentlichten „Huk-Coburg-Mobilitätsstudie 2021“ sind die Sachsen besonders skeptisch gegenüber E-Mobilität eingestellt und haben Angst vor staatlicher Bevormundung. Sie befürchten vor allem steigende Kosten. Deshalb weckt der Umstieg auf das E-Auto nur wenig Begeisterung.

Befragt wurden in der repräsentativen Studie insgesamt rund 4.000 Menschen in allen 16 Bundesländern zu ihren bevorzugten Verkehrsmitteln und wie sie künftig unterwegs sein wollen.

Die Ergebnisse der Studie im Einzelnen: Zwölf Prozent der Befragten in Sachsen erklärten, dass für sie künftig bei der Anschaffung eines neuen Autos nur noch ein E-Auto infrage kommt. Im Bundesdurchschnitt liegt der Anteil bei 15 Prozent. Durch die aktuelle Neuzulassungs-Statistik des Kraftfahrzeugbundesamts lässt sich diese Skepsis allerdings nicht belegen. Danach wurden im April 2021 in Sachsen 653 rein elektrische Neuwagen zugelassen, so viel wie in keinem anderen ostdeutschen Bundesland und Berlin. In der Hauptstadt, die von der Bevölkerungszahl mit fast vier Millionen Einwohnern vergleichbar mit Sachsen ist - wurden 532 Neuzulassungen von E-Autos gezählt.

Insgesamt zeigt die Studie des Kfz-Versicherers wieder eine starke Hinwendung zum Auto als Folge der Corona-Pandemie. Drei von vier Befragten nennen das Auto als bevorzugtes Fortbewegungsmittel in der Zukunft.

Bundesweit am stärksten treibt die Sachsen die Sorge um, dass Mobilitätskonzepte der Zukunft nicht bezahlbar sein werden. 56 Prozent der Befragten befürchten, dass die Veränderungen zu steigenden Kosten führen – der höchste Wert im Bundesländervergleich. Auch legen sie offenbar weniger Wert als andere auf umweltfreundliche Mobilität. Nur jeder fünfte Befragte in Sachsen (22 Prozent) fordert, dass Pkws weniger Kraftstoff und Energie verbrauchen, bundesweit hält dies jeder dritte Deutsche für wichtig. Zum Vergleich: Niedersachsen und Bayern fordern das 36 Prozent der Befragten, in Baden-Württemberg und Saarland jeweils 35 Prozent.

Sachsen fürchten Bevormundung

Mehr als in jedem anderen Bundesland befürchten die Sachsen mit 28 Prozent, dass es bei der Diskussion und Durchsetzung neuer Mobilitätskonzepte zu einer starken öffentlichen Bevormundung kommen wird. Im Bundesdurchschnitt erklären dies 23 Prozent.

Als mögliche Gründe für die Skepsis der Sachsen gegenüber E-Autos und neuen Mobilitätskonzepten nennt Professor Arnd Stephan, Verkehrswissenschaftler von der Technischen Universität (TU) Dresden die Altersstruktur in der Bevölkerung und die Brüche in der Biografie nach 1990, die von außen gekommen sind. „In Sachsen fehlen die jungen Menschen in der Breite, die diese Themen optimistischer betrachten“, sagt Stephan auf Nachfrage der SZ. Sachsen hat erfolgreich an die Tradition als klassisches Automobilland angeknüpft. „Die Hinwendung der Autohersteller zu Elektroautos wird von vielen Menschen als Verzicht auf den Wohlstandsgaranten empfunden. Es geht um Besitzstandswahrung“, betont der Verkehrswissenschaftler. Und als dritten Grund nennt er „vielleicht eine geringere Anfälligkeit für Propaganda“. Denn momentan sei in der E-Autowerbung viel Propaganda, da werde eine Umweltfreundlichkeit versprochen, die es so noch nicht gibt. „Elektromobilität erfordert Ladeinfrastruktur und die haben wir noch nicht“, so Stephan.

Angesichts der deutschen Klimaschutzziele wird Sachsen um eine Verkehrswende und Änderung des Mobilitätsverhalten aber nicht herumkommen. Um die Akzeptanz neuer Mobilitätskonzepte zu erhöhen, müsse der öffentliche Nahverkehr ausgebaut und massiv beworben werden, brauche es eines „klaren Bekenntnis der Politik zu Bus und Bahn, fordert der TU-Experte. „Mehr Bewusstsein lässt sich über ein besseres Image schaffen, ohne das die individuelle Mobilität verteufelt werden sollte“, sagt Stephan.