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Nahverkehr in Sachsen steht weitgehend still

Wegen Warnstreiks der Gewerkschaft Verdi liegt der öffentliche Nahverkehr seit dem frühen Freitagmorgen vielerorts lahm. Bei welchen Unternehmen in Sachsen es Einschränkungen gibt.

Von Mirko Jakubowsky & Ulrich Wolf & Angelina Sortino & Lea Heilmann
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Teilnehmer des Warnstreiks im öffentlichen Nahverkehr stehen im Betriebshof Trachenberge in einem Bus der Dresdner Verkehrsbetriebe.
Teilnehmer des Warnstreiks im öffentlichen Nahverkehr stehen im Betriebshof Trachenberge in einem Bus der Dresdner Verkehrsbetriebe. ©  Symbolfoto: dpa/Robert Michael

Leipzig/Dresden/Chemnitz. Der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) in Sachsen ist am Freitagmorgen nahezu lahmgelegt worden. Grund ist ein ganztägiger Warnstreik, zu dem die Gewerkschaft Verdi aufgerufen hatte. Nach Angaben der Gewerkschaft lief in den Großstädten Chemnitz, Dresden und Leipzig nichts mehr. Landesweit hätten sich bis zu 1000 Beschäftigte an dem Ausstand beteiligt. "Wir sind sehr zufrieden, das Signal ist sicherlich angekommen, auch wenn es für viele eine Zumutung war", sagte Verdi-Verhandlungsführer Paul Schmidt.

Die Haltestellen in weiten Teilen Sachsens waren am Morgen verwaist. Nur vereinzelt warteten Pendler auf die wenigen noch fahrenden Buslinien. Dagegen hatte der Autoverkehr auf den Straßen in den Innenstädten deutlich zugenommen, auch Radfahrer waren im morgendlichen Berufsverkehr mehr unterwegs als üblich.

"Es fahren keine Straßenbahnen in Leipzig. Die Fahrzeuge sind gleich im Betriebshof geblieben", sagte ein Sprecher der Leipziger Verkehrsbetriebe am Morgen auf Anfrage. Nur vereinzelt seien Busse von Subunternehmern unterwegs.

Vergleichbar war die Situation in der Landeshauptstadt Dresden. "Es fährt so gut wie nichts, weder Straßenbahnen, Fähren noch Busse", sagte ein Sprecher der Dresdner Verkehrsbetriebe auf Anfrage. Nur in den Stadtrandgebieten wären einige wenige Busse von Unternehmen in Betrieb, die nicht vom Warnstreik betroffen seien.

Auch in Chemnitz steht der ÖPNV nahezu still. "Es verkehrt keine Straßenbahn und nur wenige Buslinien, die von Subunternehmern betrieben werden", erläuterte eine Sprecherin der Verkehrsbetriebe. Die Citybahn, eine Verbindung durch die Chemnitzer Innenstadt, sei aber unterwegs und auch gut genutzt.

So wie hier in Dresden zeigen viele Haltestellen-Tafeln in Sachsen für Fahrgäste Unerfreuliches an.
So wie hier in Dresden zeigen viele Haltestellen-Tafeln in Sachsen für Fahrgäste Unerfreuliches an. © dpa/Robert Michael (Symbolfoto)

Verdi hatte zu einem ganztägigen Warnstreik aufgerufen und eine sehr große Beteiligung erwartet. In Sachsen waren außer den kommunalen Verkehrsunternehmen in Chemnitz, Dresden, Leipzig und Zwickau auch die Beschäftigten der Regionalbus-Betriebe in den Kreisen Zwickau, Erzgebirgskreis, Mittelsachsen, Meißen, Sächsische Schweiz/Osterzgebirge, Bautzen und Görlitz zu Arbeitsniederlegungen aufgerufen.
Nicht betroffen vom Warnstreik waren die S-Bahnen und die kommunalen Busunternehmen Plauener Omnibusbetrieb GmbH und Verkehrsgesellschaft Vogtland.

In Sachsen geht es in dem Tarifkonflikt um einen sogenannten Manteltarifvertrag. Er regelt vor allem die Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten. Verdi fordert unter anderem eine Erhöhung des Urlaubsanspruchs, die Einführung von Zeitzuschlägen für Samstagsarbeit oder Überstundenzuschläge. Die nächste Verhandlungsrunde in Sachsen ist für den 28. Februar in Chemnitz geplant.

Betroffen von den Einschränkungen war vielerorts auch der Schülerverkehr. "Die Schulleiter sind schon streikerfahren und gut informiert", sagte ein Sprecher des Landesamtes für Schule und Bildung am Freitag. Wichtig sei aber die Kommunikation der Eltern mit der Schule. "Wenn der Schulweg gar nicht klappt, sollten die Eltern ihre Kinder zur Not rechtzeitig bei der Schule abmelden." Generell bleibe aber die die Präsenzpflicht bestehen.

So berichtete Sächsische.de im Vorfeld des Streiks:

Pendler in Sachsen müssen sich am Freitag auf erhebliche Einschränkungen im öffentlichen Personennahverkehr einstellen und oftmals nach Alternativen umsehen. Die Gewerkschaft Verdi hat zu einem ganztägigen Warnstreik aufgerufen und geht von einer sehr großen Beteiligung aus.

Der Ausstand betrifft sowohl Verkehrsbetriebe, die der Kommunale Arbeitgeberverband (KAV) vertritt, als auch die Unternehmen des Arbeitgeberverbands Nahverkehr (AVN). Damit ist entgegen erster Verdi-Aussagen Mitte der Woche auch der Nahverkehr in Ostsachsen massiv betroffen. In diesen Betrieben soll die Belegschaft streiken:

In Dresden werden die Dresdner Verkehrsbetriebe (DVB) bestreikt. In Dresden und dem Umland sei laut dem Unternehmen auf allen Straßenbahnlinien, Buslinien und Bergbahnen mit Fahrtausfällen zu rechnen. Weil auch bei der Dresdner Verkehrsservicegesellschaft (DVS) zum Streik aufgerufen wird, fahren außerdem keine Fähren.

Wohl in der Garage bleiben im Landkreis Mittelsachsen die Busse der Regiobus Mittelsachsen GmbH. Deren Geschäftsführer Michael Tanne sagte, vor allem in der Region Döbeln dürften Fahrten komplett ausfallen. Dort setze man keine Subunternehmen ein.

Außerdem hat Verdi die Beschäftigten der Straßenbahn-Bus GmbH im vogtländischen Plauen zur Arbeitsniederlegung aufgerufen, das Personal bei der Regionalverkehr Westsachsen GmbH in Zwickau, der Regionalverkehr Erzgebirge GmbH und beim Busdienstleister Euro Traffic Partner GmbH in Chemnitz. Die Citybahn Chemnitz GmbH hingegen, deren Tarifpartner die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer ist, wird nach eigenen Angaben fahrplanmäßig unterwegs sein.

Verdi fordert für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den AVN-Betrieben unter anderem ein Lohnplus von "um 22 Prozent", mindestens aber von 750 Euro im Monat rückwirkend zum 1. Januar. Die Arbeitgeber offerieren der Gewerkschaft zufolge außer einem Inflationsausgleich von 2.000 Euro vom Oktober 2024 an fünf Prozent mehr Lohn sowie im Januar und September 2025 jeweils weitere drei Prozent.

Verdi-Verhandlungsführer Sven Vogel sagte, der AVN provoziere damit "bewusst eine Streikwelle im Regionalverkehr in Sachsen". Trotz Fachkräftemangel und "permanenter Überlastung des vorhandenen Personals" sollten die Beschäftigten "mit Almosen abgespeist werden". Mit dem AVN soll am 23. Februar weiterverhandelt werden.

Außer mit dem AVN verhandelt Verdi zeitgleich mit dem KAV über einen neuen Spartentarifvertrag im Nahverkehr. Dort geht es, bezogen auf Sachsen, vor allem um mehr Urlaub sowie höhere Nacht- und Wochenendzuschläge. Außer den Dresdner Verkehrsbetrieben warnen deshalb auch die Leipziger vor Fahrtausfällen am Freitag. Ebenso konstatieren die Chemnitzer Verkehrsbetriebe auf ihrer Homepage, es sei damit zu rechnen, dass die "durch die CVAG betriebenen Linienverkehre den gesamten Tag nicht bedient werden". Die Städtischen Verkehrsbetriebe in Zwickau werden ebenfalls bestreikt.

Der KAV Sachsen äußerte Unverständnis über den Streikaufruf. Die zuletzt vereinbarten Tariferhöhungen hätten den Bus- und Straßenbahnfahrern seit Oktober 2023 zu einer Lohnsteigerung von "durchschnittlich rund 26 Prozent" verholfen. Je nach Tarifstufe werde ein Fahrer mit einer 38-Stunden-Woche vom März an zwischen 3.120 Euro und 3.630 Euro pro Monat verdienen. Ginge man auf die Verdi-Forderungen ein, müssten 200 Leute zusätzlich eingestellt werden. Die seien aber am Arbeitsmarkt nicht verfügbar. Bereits jetzt habe man "große Schwierigkeiten, Rentenabgänge zu kompensieren und offene Stellen zu besetzen".

Die Verhandlungen zwischen KAV Sachsen und Verdi hatten am 24. Januar in Chemnitz begonnen, eine Fortsetzung ist am 28. Februar vorgesehen. (mit dpa)