Wirtschaft
Merken

Wie junge Menschen ihr Geld vermehren

Die Zahl der jungen Aktionäre steigt. Bei der Finanzmesse in Dresden erklären drei Studierende, wieso sie an der Börse handeln.

Von Luisa Zenker
 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Fabian Hörich, Sophie Leutritz und Jannik Berger (von links) handeln ihr Geld seit mehreren Jahren an der Börse.
Fabian Hörich, Sophie Leutritz und Jannik Berger (von links) handeln ihr Geld seit mehreren Jahren an der Börse. © René Meinig

Hunderte Menschen warten am Eingang des Dresdner Kongresszentrums. Überwiegend mittelalte Männer in grauen Haaren und schwarzen Jacken. Nach und nach steigen sie die Treppe hinauf und strömen in die Hallen, wo an diesem Samstag die größte ostdeutsche Finanzmesse stattfindet. Sie wollen wissen, wie sie ihr Geld vermehren können.

Damit sind sie nicht allein: In Deutschland gibt es so viele Aktionärinnen und Aktionäre wie nie zuvor. 12,89 Millionen Menschen hatten hierzulande Aktien, Aktienfonds und börsengehandelte Indexfonds (ETFs) im Depot, wie das Deutsche Aktieninstitut für 2022 analysierte. Grund dafür ist unter anderem, dass die Börse auch für jüngere Menschen attraktiver wird. Rund 600.000 junge Erwachsene unter 30 Jahren wagten sich auf das Börsenparkett, 40 Prozent mehr als vor einem Jahr.

Und auch hier in Dresden mitten zwischen den Ständen der Deutschen Bundesbank, der Frankfurter Börse und Morgan Stanley spazieren einige jüngere Gesichter.

„Wir jungen Menschen haben ein massives Rentenproblem"

Darunter Studentin Sophie Leutritz. 23 Jahre alt und gebürtig ausLiebstadt bei Glashütte. Die angehende Grundschullehrerin hatte mit Wirtschaft eigentlich nicht viel am Hut. Ethik, Mathe, Deutsch und Sachkunde will sie später unterrichten. ETFs, Aktien, Anleihen, all das waren für sie lange Fremdwörter: „Mir schien das alles immer schwammig, und ich dachte, man verliert viel Geld damit.“

  • Den Überblick über alle Nachrichten aus Sachsens Wirtschaft gibt es zweimal wöchentlich mit unserem Newsletter "Wirtschaft in Sachsen" - hier kostenlos anmelden.

Doch seit anderthalb Jahren investiert Sophie in den Aktienmarkt. „Wir jungen Menschen haben ein massives Rentenproblem. Ich vertraue nicht blind darauf, dass die staatliche Rente für mich reicht“, erklärt Sophie ihre Gründe. „Meine Eltern haben nie so etwas gemacht“, sagt sie, die dem Börsenverein der TU Dresden beigetreten ist. Der 250 Mitglieder starke Verein trifft sich einmal wöchentlich, um sich über Geldanlagen zu informieren. Lädt Experten ein oder besucht Börsen.

Dort hat Sophie dann entschieden, in ETFs anzulegen. Hier werden die Aktien auf mehrere Unternehmen verteilt, was das Risiko eines Totalverlustes minimiert. Damit gehört sie zur Mehrheit der risikoscheuen Deutschen. „Ich bin nicht so riskant. Auf einzelne Aktien zu spekulieren. Das ist nichts für mich.“

Viel Geld gewonnen - und verloren

Für Fabian Hörich dagegen steckt in der Börse ein kleines Kribbeln. Der 25-Jährige hat schon viel Geld gewonnen. Und verloren. 99,9 Prozent Verlust mit Kryptowährungen, so der Dresdner, dessen Vater ihn von klein auf an das Aktiengeschäft heranführte. „Ich würd es als Zocken beschreiben“, so der Wirtschaftsstudent im schwarzen Anzug. Derivate, Krypotwährungen, Forex Trading - normale Begriffe für ihn. „Ich würd das aber keinem empfehlen“, sagt er mit einem schmerzlichen Lächeln im Gesicht. Von der Börse lassen will und kann er trotzdem nicht. Nur sicherer investieren und nicht auf ein „Pferd“ setzen. „Ich will für mich vorsorgen.“

Zwischen den beiden steht Jannik Berger im schwarzen Anzug und mit gegelten Haaren. Der angehende Wirtschaftsingenieur hat sich in der zehnten Klasse zum ersten Mal mit der Börse beschäftigt. Und ist dann tiefer eingestiegen. Jeden Morgen verfolgt er die Entwicklungen auf den US-Märten. Schaut den Youtube-Kanal „Aktionär TV“. „Das mach ich nicht“, witzelt Fabian und auch Sophie schüttelt den Kopf. „Das muss man selbst entscheiden, wie tief man da einsteigt.“

"Zehn Euro im Monat reichen schon“

Yannik hat mehrere Bücher gelesen. Peter Lynch, Benjamin Greyham - die Klassiker, um in das Finanzgeschäft einzusteigen. Auf seinem Smartphone blinkt ein ganzer Ordner namens Geld auf. Darin auch die bekannte App „Trade Republic“. Experten gehen davon aus, dass gerade durch diese Apps die Börse für junge Erwachsene leichter zugänglich wurde. „Man braucht nicht viel Geld fürs Anlegen. Zehn Euro im Monat reichen schon“, meint Sophie. „Je früher man anfängt, für die Rente vorzusorgen, desto mehr kommt am Ende raus.“ Eine Menschenmenge strömt durch den Saal. 3.000 bis 4.000 Besucher sind jährlich auf der Finanzmesse. Hunderte kommen gerade aus einem Vortrag über die Folgen des Ukraine-Krieges und der Inflation.

„Viele haben in der Krise Verlust gemacht“, so Fabian. Der DAX hat in diesem Jahr mit zwölf Prozent Minus das schlechteste Jahr seit Bestehen gehabt. Mit dem Beginn des Ukraine-Krieges habe Fabian gesehen, wie die Aktienkurse der Waffenlieferer angestiegen sind. „Ich hab nicht angelegt, aber am Ende stellt sich oft die Frage: Will man das Geld verdienen oder moralisch richtig handeln?“ Er spricht vom eigenen moralischen Kompass. Auf den Programmpunkt der Messe steht dieser nicht. Hier geht es vor allem um eines: die ungewisse Zukunft. Und wem man am meisten vertrauen kann.

Die Interessengemeinschaft Börse e. V. von der TU Dresden wollen die Börsen- und Aktienkultur im Großraum Dresden fördern. Sie laden Interessierte jeden Alters zu Vorträgen und zum Austausch ein. Außerdem bieten sie mit der Volkshochschule mehrmals im Jahr eine Veranstaltung namens „Börsenführerschein“ für Einsteiger an.