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Nach Kabelklau: Immer neuer Ärger um Ersatzbusse

Die Situation um die Neißebrücke in Hirschfelde bleibt angespannt - nun weist manches auf einen massiven Fahrgastschwund auf der Verbindung von Zittau nach Görlitz hin.

Von Markus van Appeldorn
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Benedikt Barth leidet am Schienenersatzverkehr zwischen Zittau und Hagenwerder. Bahnhof Zittau.
Benedikt Barth leidet am Schienenersatzverkehr zwischen Zittau und Hagenwerder. Bahnhof Zittau. © Rafael Sampedro/foto-sampedro.de

Wenn sich Benedikt Barth aus Zittau frühmorgens auf den Weg zu seiner Arbeit nach Görlitz macht, ist keineswegs gewiss, dass er dort auch pünktlich ankommt - von einer komfortablen Fahrt zur Arbeit kann ohnehin keine Rede sein. Barth steigt am Bahnhof Zittau nämlich werktags allmorgendlich in den Bus, der als Schienenersatzverkehr für die wegen des Kabelklaus an der Hirschfelder Neißebrücke unterbrochene Eisenbahnverbindung zwischen Zittau und Hagenwerder verkehrt. Ein Arbeitsweg, der mitunter unfreiwillig an einem eisigen Bahnsteig endet.

"Es ist eine Katastrophe für die Region, dass DB Netz hier untätig bleibt", sagt Barth mittlerweile genervt. In der Vergangenheit ist es schon vorgekommen, dass gar kein Bus fuhr. Am Montag, dem 12. Dezember, ereilte viele Fahrgäste auf der Verbindung ein Schicksalsschlag in Gestalt des Wintereinbruchs. "Montag früh fuhren wohl zweimal die Züge in Hagenwerder ab, ohne dass sie auf den durch den Schnee verspäteten Bus warteten", sagt Barth. Die Folge: Gut eine Stunde Wartezeit in der Kälte. Viele Fahrgäste dürften da ohnehin schon durchgefroren gewesen sein. Denn manchmal müsste man während der Fahrt in eiskalten Bussen sitzen, schildert Barth.

Massiver Fahrgastschwund?

Nach Beobachtung von Barth haben viele Fahrgäste längst Konsequenzen gezogen. "Die Pendler im SEV werden frühmorgens auch stetig weniger - was kein Wunder ist, wenn man ständig umsteigen muss", sagt er. So hätten jüngst im SEV-Bus Zittau (ab 5.54 Uhr) gerade mal sechs Leute gesessen. "Als noch der Zug fuhr, war die Verbindung Zittau ab 6.03 Uhr zwar nie so voll wie um 7.03 Uhr, aber immer gut besetzt - vielleicht jeder 3. oder 4. Platz, schwer abzuschätzen" schildert Barth, und: "Die Odeg-Zugbegleiterin meinte auf jeden Fall neulich im Anschluss-Zug ab Hagenwerder an den Bus Zittau ab 5.54 Uhr zu uns: Was ist denn heute los? Fährt ja gar niemand mit."

Angeschmiert sind nicht nur die Fahrgäste, sondern auch die Odeg als Betreiber der Regionalbahn-Linie RB65 zwischen Zittau und Cottbus. Dietmute Graf, Pressesprecherin der Odeg, ist mit der Situation überaus unglücklich. "Die RB 65 ist im Verkehrsverbund Zvon unsere wichtigste Linie", sagt sie - einen massiven Fahrgastrückgang kann die Odeg hier gar nicht gebrauchen. Graf hat zwar keine aktuellen Fahrgastzahlen vorliegen, hält den Eindruck von Benedikt Barth aber für übertrieben. "Nach Informationen einer Fahrgastbetreuerin aus Görlitz sind auch die Busse morgens recht gut gefüllt. Wir haben Pendler verloren, aber nicht viele", sagt sie, aber auch: "Das ist ja klar, dass etwa auch ältere Fahrgäste die Verbindung so nicht nutzen und sich fahren lassen", sagt sie. Auch wäre es kein bisschen überraschend, wenn viele Menschen auf das Auto umsteigen oder Fahrgemeinschaften bilden. Vor allem fürchtet sie: Einmal verlorene Fahrgäste seien nur schwer wieder zurückzugewinnen.

Auch um den Ärger mit den Bussen weiß Graf und bestätigt, dass in mindestens einem Fall ein Zug in Hagenwerder abfuhr, bevor der Bus aus Zittau angekommen war. "Es wurden nun alle Busfahrer angewiesen, bei einer absehbaren Verspätung des Busses schon von unterwegs die Betriebsleitung zu informieren", sagt sie. Der Zug könne unter diesen Umständen zwar nicht immer warten, aber: "In der Zeit können wir dann zum Beispiel schon Taxis organisieren oder eine andere Lösung finden." Und was die Beschwerde über unzureichend geheizte Busse betrifft: "Alle Busfahrer wurden jetzt sensibilisiert, den Bus vor der Aufnahme von Fahrgästen vorzuheizen."

Grüne wollen Situation zum Politikum machen

Genau das befürchtet auch der Stadt- und Regionalverband Zittau von Bündnis 90/Die Grünen und will die Sache nun zum Politikum machen. Die Regionalpolitiker wollen nicht hinnehmen, dass der Zugverkehr auf der wichtigen Bahnlinie zwischen Görlitz und Zittau nach letzten Meldungen nun auf unbestimmte Zeit unterbrochen sein wird - mindestens aber bis Juni 2023. Der Schienenersatzverkehr mit Bussen bedeute einen unattraktiven ÖPNV in der Region. "Der Busersatzverkehr ist unkomfortabel und hat weniger Kapazität als die ersetzten Züge. Das ist gerade im Berufsverkehr und zu touristischen Hochzeiten ein Problem", teilen die Bündnisgrünen mit. Die Verbindung sei immer wieder unzuverlässig, die Anschlüsse zwischen Bus und Bahn klappten nicht sicher und immer wieder würden Busse komplett ausfallen.

"Die Busfahrt dauert länger als die eigentliche Zugstrecke, womit in Zittau Anschlüsse an Bus und Bahn ins Gebirge oder Umland verpasst werden oder man fast eine Stunde Umsteigezeit hinnehmen muss", heißt es weiter. Der zusätzliche Umstieg beim Haltepunkt Hagenwerder sei zudem nicht barrierefrei und mache die sowieso umständliche Fahrt zwischen der Kreisstadt Görlitz und dem Süden des Landkreises für einige Menschen daher unmöglich. Maxi Israel, Sprecherin des Stadt- und Regionalverbandes Zittau, betont: "Kurzum: Es ist ein großes Problem und verschlechtert das ÖPNV-Angebot in der Region massiv. Wir fordern, dass hier rasch Abhilfe geschaffen wird! Wir brauchen eine Lösung für die wichtige Verbindung zwischen den zwei größten Städten des Landkreises." Die aktuelle Planung, dass auf unbestimmte Zeit Busse als Ersatz verkehren, sei nicht hinnehmbar und alles andere als eine rasche Lösung.

Steve Grundig, Mitglied des Stadt- und Regionalverbandes, stützt die Beobachtungen von Benedikt Barth und die Befürchtungen der Odeg: „Aus meinem Bekanntenkreis weiß ich, dass viele die Umständlichkeit und Unzuverlässigkeit bemängeln, genervt sind und die Situation kritisieren. Einher damit geht, dass man lieber auf Autos ausweicht – wenn möglich –, oder von Reisen über die Linie gänzlich abrät. Das alles macht die Region Oberlausitz nicht nur weniger mobil, sondern auch unattraktiv.“ Die Bündnisgrünen haben dazu jüngst eine Erklärung beschlossen. Darin wird auf die Problemlage auf der Strecke Zittau-Görlitz hingewiesen. Der Beschluss richte sich an Politiker aller demokratischen Parteien im Kreistag Görlitz, im Sächsischen Landtag sowie im Bundestag.