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Wie aus der alten Fischfabrik ein Schmuckstück wird

Ein Berliner hat sich in das historische Seifhennersdorfer Umgebindehaus verliebt - und saniert. Im Inneren stößt er auf manch wertvolle Details. Und sucht nach Erklärungen.

Von Frank-Uwe Michel
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Michael Bürger (links) saniert das Umgebindehaus in der Conradstraße 2 in Seifhennersdorf. Dabei beraten wird er vom Bausachverständigen Uwe Drewanz aus Neugersdorf.
Michael Bürger (links) saniert das Umgebindehaus in der Conradstraße 2 in Seifhennersdorf. Dabei beraten wird er vom Bausachverständigen Uwe Drewanz aus Neugersdorf. © Matthias Weber/photoweber.de

Noch vor ein paar Jahren hatte Michael Bürger mit Umgebindehäusern nichts am Hut. "Ich wusste zwar, dass es die Oberlausitz gibt. Und dass die Häuser dort über Jahrhunderte hinweg in einer bestimmten Bauweise errichtet wurden. Aber direkt beschäftigt habe ich mich damit früher nicht", erzählt der Berliner. Weil der studierte Architekt aber in den letzten 15 Jahren überwiegend mit Projektsteuerung beschäftigt war, suchte er Abwechslung. Vom Schreibtischtäter zum Mann auf der Baustelle wollte er sozusagen werden.

Und da Bürger allmählich auch dem Rentenalter entgegenging, sich auf seine "alten Tage" aber noch mal richtig praktisch fordern wollte, suchte er nach einem denkmalgeschützten Haus. "Im Berliner Raum sieht es da mit bezahlbaren Objekten ja eher mau aus", so der Fachmann. Deshalb erweiterte er die Zielrichtung auf Thüringen, Nordhessen und Sachsen. Einige Zeit später verschlug es ihn dadurch auch in die Oberlausitz, wo er auf das Haus in der Conradstraße 2 in Seifhennersdorf aufmerksam wurde.

Trotz des traurigen Zustandes überwog bei ihm Optimismus. Wohl auch, weil er sofort mit Gleichgesinnten ins Gespräch kam. "Ich bin ja Architekt, aber hatte mit dem Umgebinde bisher nie zu tun. Deshalb war es schön, dass ich den baugeschichtlichen Hintergrund und die Besonderheiten solcher Häuser erklärt bekam." Von seinem historischen Schatz ließ er fortan nicht mehr ab.

Noch ist vor allem im Inneren des Gebäudes viel zu tun. Bis Ende 2024 sollen die Arbeiten abgeschlossen sein.
Noch ist vor allem im Inneren des Gebäudes viel zu tun. Bis Ende 2024 sollen die Arbeiten abgeschlossen sein. © Matthias Weber/photoweber.de

Als Bürger intensiver in die Geschichte des Objektes eintauchte und sich mit der Bausubstanz beschäftigte, begeisterte ihn das immer mehr. Er erfuhr, dass das Gebäude 1829 als bäuerliches Umgebindehaus mit Stall errichtet worden war und später im Laufe des 19. Jahrhunderts zu einem Kontor umgeformt wurde. Alte Unterlagen belegen, dass sich hier um 1900 die Fischräucherei Arthur Jentsch befand. Der Unternehmer betrieb gleichzeitig eine Konservenfabrik. "Für mich stellt sich natürlich die Frage, wie das Gebäude vorher genutzt wurde", so der neue Eigentümer.

War es eine Färberei, wozu es einige Anhaltspunkte gibt? Oder ein Wirtshaus, was in der Denkmalpflege vermutet wird? "Die städtebauliche Situation spräche dafür. Denn früher gab es hier durch die Mandau eine Furt. Man kam von Südwesten - die böhmische Grenze ist nur ein paar hundert Meter entfernt - und ging Richtung Oberdorf." Durch die Lage - wahrscheinlich wegen des Hochwasserschutzes wurde das Haus weit nach Südwesten gerückt - ergab sich ein schöner, publikumsträchtiger Platz. "Heute würde man wahrscheinlich 'Biergarten' dazu sagen", vermutet Bürger. Er wäre froh, wenn sich dies durch überliefertes Wissen oder historische Dokumente untermauern oder auch widerlegen ließe.

So sah das Umgebindehaus in der Conradstraße 2 auf einer historischen Aufnahme aus. Michael Bürger hofft, durch Hinweise aus der Bevölkerung noch mehr über seine Geschichte zu erfahren.
So sah das Umgebindehaus in der Conradstraße 2 auf einer historischen Aufnahme aus. Michael Bürger hofft, durch Hinweise aus der Bevölkerung noch mehr über seine Geschichte zu erfahren. © Matthias Weber/photoweber.de

Aber egal, welche Vergangenheit das Gebäude in der Conradstraße 2 auch hat - der Berliner Architekt tut alles, damit er sich bald als Neu-Seifhennersdorfer hier niederlassen kann. Seit der ersten Begehung im Februar 2021 ist viel passiert. Michael Bürger hat Bauzeichnungen angefertigt, mit der Denkmalschutzbehörde diskutiert, Förderanträge gestellt - und angefangen zu bauen. Seit März 2022 sind Handwerker damit beschäftigt, dem historischen Kleinod das Aussehen von einst wiederzugeben. Uwe Drewanz, Bausachverständiger und Zimmerermeister aus Neugersdorf, hat die beratende Begleitung der Arbeiten übernommen. Vor allem im Holzbereich leistet er wertvolle Hilfe.

Eine der vielen Besonderheiten ist bereits originalgetreu hergerichtet: die herausgeschobene große Blockstube. Auch das Fachwerk ist in großen Teilen schon wieder intakt: Erhaltenswerte Balken wurden restauriert, nicht mehr verwendbare erneuert. An der Straßenfront hat das Fachwerk sogar seine ursprüngliche Farbe bereits wiederbekommen: blau. "Das mag manchen Betrachter wundern. Aber die erste Farbfassung sah tatsächlich so aus", so Bürger.

Bauhistorische Schätze befinden sich auch im Inneren des Gebäudes. Sie werden von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz gewürdigt, die für die "Konservierung und Restaurierung hochwertiger Raumausmalungen" einen nicht unerheblichen Förderbetrag zur Verfügung stellt. Überdies heben die Experten die Bauweise mit jeweils einer Blockstube an den Giebelseiten heraus. Ebenso den in der Mitte des Hauses befindlichen mit Granit und Sandstein gestalteten Haupteingang. Eine Zierde sei zweifellos die Marmorimitation auf der Wand im Treppenhaus. Und: Ein großes Zimmer im Obergeschoss erwecke mit seinen "korinthisch inspirierten Säulen" den Eindruck eines griechischen Tempels.

Schwach ist im Hintergrund ein Berg zu sehen, der an die Lausche erinnert. Vorn steht ein Umgebindehaus, in dessen Garten eine Palme wächst. Die historische Malerei im Obergeschoss des Hauses ist nur schwer zu deuten.
Schwach ist im Hintergrund ein Berg zu sehen, der an die Lausche erinnert. Vorn steht ein Umgebindehaus, in dessen Garten eine Palme wächst. Die historische Malerei im Obergeschoss des Hauses ist nur schwer zu deuten. © Matthias Weber/photoweber.de

Michael Bürger empfindet noch ein weiteres Detail bemerkenswert: Die Wände eines Raumes in der ersten Etage sind bedeckt mit Malereien, die wahrscheinlich der Fantasie ihres Schöpfers entsprungen sind. So ist eine Landschaft zu sehen - mit einer Erhebung, die der Lausche ähnelt. Im Vordergrund wächst wiederum eine Palme. Gegenüber sind die Umrisse einer Kirche erkennbar, an anderer Stelle ein Umgebindehaus. Alles wird durch eine rings um den Raum führende gemalte Balustrade verbunden. "Möglicherweise hat der Maler hier seine ganz persönliche Idee von der weiten Welt nach Seifhennersdorf geholt", so Bürger.

Noch müssen er und die Handwerker auf ihrem Weg bis zur Komplettsanierung ein gutes Stück gehen. Das ebenfalls erhaltene Nebengebäude wird vorerst nur gesichert. Zuerst gilt es, sämtliche Kräfte in das Haupthaus zu stecken. Immerhin hat Michael Bürger ein anspruchsvolles Ziel ausgegeben: Ende 2024 soll es fertig sein. Dann will er von Berlin nach Seifhennersdorf ziehen.

Am 15. Oktober stellt Michael Bürger sein historisches Umgebindehaus der Öffentlichkeit vor. Beim "Tag der Restaurierung" können Interessierte das Objekt von 11 bis 15 Uhr besichtigen.