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Bautzener Waggonbauer bringen 30. Straßenbahn nach Dresden

Mit der Auslieferung der letzten Tram aus dem Alstom-Werk Bautzen geht ein knapp 200-Millionen-Euro-Auftrag aus Dresden zu Ende. Die nächsten Fahrzeuge gehen ins Rheinland und nach Berlin.

Von Miriam Schönbach
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Eine der neuen Straßenbahnen aus Bautzen im Einsatz in Dresden. Jetzt hat das Alstom-Werk die letzte der insgesamt 30 bestellten Bahnen ausgeliefert.
Eine der neuen Straßenbahnen aus Bautzen im Einsatz in Dresden. Jetzt hat das Alstom-Werk die letzte der insgesamt 30 bestellten Bahnen ausgeliefert. © Archivfoto: Roland Halkasch

Bautzen/Dresden. Die letzte neue Dresdener Straßenbahn hat das Alstom-Werk in Bautzen verlassen. Damit ist ein Großauftrag aus der Landeshauptstadt für die Oberlausitzer Schienenfahrzeugbauer auf der Zielgeraden.

Am 21. Oktober 2021 haben die Dresdner Verkehrsbetriebe (DVB) ihren ersten neuen Stadtbahnwagen vom Typ NGT DX DD im Betriebshof Gorbitz offiziell vorgestellt. Am 26. November 2022 hat er nach umfangreichen technischen Prüfungen und Fahrschulausbildung auf der Linie 2 seinen Probebetrieb aufgenommen. Die Nr. 30 soll nun am 27. Dezember noch in Betrieb genommen werden, teilt Alstom-Pressesprecher Andreas Florez mit.

Der Auftrag umfasste genau den Neubau dieser 30 Bahnen. Das Investitionsvolumen in die Dresdner Straßenbahnflotte beträgt einschließlich Herstellung, Service und langfristiger Wartung rund 197 Millionen Euro. Für den Kauf der Stadtbahnen reicht der Freistaat Sachsen nach DVB-Angaben knapp 100 Millionen Euro Fördermittel aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) aus.

Die neuen Fahrzeuge aus den Werken Görlitz und Bautzen sind mit 2,65 Metern 35 Zentimeter breiter als die bisher in Dresden eingesetzten Stadtbahnwagen. Mit 43,5 Metern stellt der Neuzugang zwar keinen Längenrekord auf, allerdings finden im neuen Stadtbahnwagen nun 290 Fahrgäste Platz.

Für Berlin baut Alstom eine 50 Meter lange Bahn

Doch nicht nur in die Stadt Dresden liefert das Bautzener Alstom-Werk neue Fahrzeuge aus. In den vergangenen zwei Monaten haben Stadtbahnen für Köln und Düsseldorf sowie Straßenbahnen für Essen und Duisburg die Produktion verlassen. Die Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) haben unter anderem mit dem Herstellerkonsortium Alstom und Kiepe Electric einen Vertrag über die Lieferung von 64 Niederflur-Straßenbahnen vom Typ Citadis geschlossen. Der Auftrag hat einen Wert von 363 Millionen Euro. Für die Rheinbahn baut Alstom 59 Fahrzeuge für 194 Millionen Euro.

Neben diesen Aufträgen fertigten die Waggonbauer von Spree und Neiße 2023 auch die Hochflur-Stadtbahnen für Frankfurt, Doppelstockzüge für die Deutsche Bahn, die erste Straßenbahn für Magdeburg und den letzten ICX als Partner von Siemens.

Für 2024 ist die Fertigung weiterer Doppelstockwagen sowie der Fertigungshochlauf in den Projekten S-Bahn-Hamburg, Straßenbahn für Berlin und Straßenbahn für Magdeburg geplant. „Bei den Straßenbahnen für Magdeburg und Berlin handelt es sich um neu entwickelte Fahrzeuge mit gesteigertem Komfort für Fahrgäste und Fahrer. Zudem bauen wir für Berlin erstmals 50 Meter lange Straßenbahnen“, sagt Pressesprecher Andreas Florez.

Alstom spürt Folgen von Corona und Ukraine-Krieg

Das aktuelle Produktionsjahr geht mit Investitionen ins Bautzener Werk zu Ende. Am historischen Standort in der Fabrikstraße wurde 2023 nach Unternehmensangaben ein mittlerer einstelliger Millionenbetrag investiert, unter anderem in moderne Produktions- und Testanlagen. „Im nächsten Jahr ist ein vergleichbares Investitionsvolumen vorgesehen, um das Werk weiter zu optimieren und effizienter zu machen“, sagt der Pressesprecher.

Darüber hinaus spüre das Unternehmen immer noch die Folgen der Großkrisen Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg. Die Materialverfügbarkeit sei noch nicht wieder bei 100 Prozent, insbesondere bei elektronischen Komponenten. Ihr Fehlen soll unter anderem die Auslieferung der Düsseldorfer Stadtbahn behindert haben. Auch die Auslieferung der neuen Trambahnen für die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) hat sich verzögert. Darüber hinaus sind steigende Energiekosten weiter eine Herausforderung für die Waggonbauer.

Lange Tradition beim Bau von Schienenfahrzeugen

Die Werke in Görlitz und Bautzen hatte der französische Fahrzeughersteller Alstom 2021 vom kanadischen Bombardier-Konzern übernommen. Während sich die Mitarbeiter an der Neiße auf den Rohbau der Alstom-Bahnen spezialisiert haben, gilt der Standort Bautzen als das Kompetenzzentrum für den Innenausbau und die Inbetriebnahme von Straßenbahnen und Regionalzügen.

Die Ursprünge des Bautzener Werks gehen auf die 1846 gegründete Eisengießerei- und Maschinenwerkstatt von Petzold & Center zurück. Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts baute deren Nachfolgeunternehmen "Waggon- und Maschinenfabrik Aktien-Gesellschaft vorm. Busch" elektrische Straßenbahnfahrzeuge. Heute entwickeln und produzieren an den beiden Oberlausitzer Alstom-Standorten mehr als 2.000 Beschäftigte unter anderem Straßenbahnen und Reisezugwagen.

Nachdem der Konzern Ende 2021 einen Stellenabbau angekündigt hatte, handelten Mitte März 2023 das Unternehmen und der Betriebsrat schließlich einen neuen Tarifvertrag aus. Alstom rückte vom Stellenabbau ab, der Betriebsrat machte Zugeständnisse beim Einkommen. Im Juni 2023 erhielten die Waggonbau-Werke in Görlitz und Bautzen eine Standortgarantie für die nächsten drei Jahre. Bahntechnik-Konzern, IG Metall und der Gesamtbetriebsrat unterzeichneten einen sogenannten Zukunftstarifvertrag.