SZ + Görlitz
Merken

Roman von Lukas Rietzschel wird in der Oberlausitz verfilmt

Die Regisseurin Constanze Klaue hat schon zahlreiche Orte im Blick, an denen sie drehen möchte. Die Hauptrollen sollen Kinder aus der Region übernehmen.

Von Tim Ruben Weimer
 5 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Die Filmregisseurin Constanze Klaue will im Sommer das Buch "Mit der Faust in die Welt schlagen" des Görlitzer Autoren Lukas Rietzschel verfilmen. Gedreht wird voraussichtlich in der Oberlausitz.
Die Filmregisseurin Constanze Klaue will im Sommer das Buch "Mit der Faust in die Welt schlagen" des Görlitzer Autoren Lukas Rietzschel verfilmen. Gedreht wird voraussichtlich in der Oberlausitz. © privat, Christine Fenzl, Ullstein

Weißwasser. Lukas Rietzschels 2018 erschienener Roman "Mit der Faust in die Welt schlagen" diente angesichts der Ausschreitungen in Chemnitz häufig als Erklärung, warum sich viele Jugendliche aus dem Osten radikalisieren. Nun soll die Geschichte auch auf die Kino-Leinwand kommen - unter anderem mit Lausitzer Schauspielern an Lausitzer Orten. Die in Berlin und Brandenburg aufgewachsene Regisseurin Constanze Klaue (36) und der Görlitzer Schriftsteller Lukas Rietzschel (28) erklären im Interview, warum Regionalität für den Film so wichtig ist.

Worum geht es in "Mit der Faust in die Welt schlagen"?

Rietzschel: Als ich das Buch geschrieben habe, stand für mich die Fragestellung im Mittelpunkt: Wie kommt man eigentlich dazu, eine Flüchtlingsunterkunft anzuzünden? Ist es tatsächlich Hass? Oder sind die Familie und das Umfeld der Grund? Das Buch erzählt über 15 Jahre hinweg die Geschichte von zwei Brüdern aus der Oberlausitz, wie sie aufwachsen und ihre Irrwege gehen.

Klaue: Aber nur einer der drei Teile in Lukas‘ Buch befasst sich mit der abgeschlossenen Radikalisierung der Jugendlichen. Stattdessen legt das Buch den Fokus mehr auf die Kindheit, auf die Herleitung all dessen. Auch im Film versuche ich, nicht die bekannten Bilder zu reproduzieren. Wir kennen alle die Klischees über Jugendliche in Ostdeutschland. Aber wir kennen oft nicht die Biographien. Wie viel Empathie darf man eigentlich mit einem Nazi haben? Das birgt Potenzial zur Diskussion.

Warum drehen Sie Ihren Debüt-Film ausgerechnet in der Oberlausitz?

Klaue: Die Oberlausitz ist signifikant für die Thematik der Geschichte: Eine Familie in der Nachwendezeit versucht, glücklich zu werden. Was braucht man dafür? Ein Haus, zwei Kinder, Jobs. Das hat mich an meine Kindheit erinnert. Was in der Oberlausitz und in Lukas‘ Buch spielt, kenne ich auch von mir aus Brandenburg: Ein klassisches Provinz-Thema im Nachwendedeutschland.

Bei mir im Film wird das Haus nie fertig werden. Es bleibt immer eine Baustelle. Für viele Ossis ist das eine Metapher, dass sie mehr oder weniger auf einer Baustelle aufgewachsen sind. Ich kenne traurigerweise kaum Väter von meinen damaligen Schulfreunden, die kein Alkoholproblem hatten. Es sind oft Mütter, die weitermachen und sich oft trennen. Ich selber bin nicht nach rechts abgedriftet, aber ich habe erlebt, wie selbstverständlich das war. Rechts zu sein, war eine Art Subkultur. Das hatte nicht unbedingt immer etwas mit einer inneren Überzeugung zu tun, sondern war eine Gruppenzugehörigkeit, die auch wechseln konnte.

Wo wird der Film gedreht?

Klaue: Einen Hauptteil des Films werden wir in der Oberlausitz drehen, weil die Geschichte dort spielt. Allein so einen Steinbruch wie bei Königshain findet man nicht überall, das ist sehr typisch für die Oberlausitz. Und es sieht hier nochmal anders aus als in Brandenburg: diese leicht hügelige Landschaft. Ich mag auch die sorbischen Dörfer sehr gerne, die im Film auch eine große Bedeutung haben.

Gibt es schon konkrete Drehorte?

Klaue: Wir haben eine größere Motivtour von Hoyerswerda über Görlitz gemacht und uns inspirieren lassen. Lukas hat mir die Orte geschickt, an die er gedacht hat. Ich habe ganz viele Bilder im Kopf, und eigentlich habe ich auf dieser Tour auch alle gefunden. Anfang August bis Mitte September wollen wir drehen.

Hier könnte die Verfilmung von "Mit der Faust in die Welt schlagen" gedreht werden: Eindrücke der Motivtour von Constanze Klaue und Lukas Rietzschel. Hier der Steinbruch Königshain.
Hier könnte die Verfilmung von "Mit der Faust in die Welt schlagen" gedreht werden: Eindrücke der Motivtour von Constanze Klaue und Lukas Rietzschel. Hier der Steinbruch Königshain. © Constanze Klaue
Steinbruch am Vogelberg bei Kamenz
Steinbruch am Vogelberg bei Kamenz © Constanze Klaue
Steinbruch am Vogelberg bei Kamenz
Steinbruch am Vogelberg bei Kamenz © Constanze Klaue
Hof in Königshain
Hof in Königshain © Constanze Klaue
Alte Schule in Weißwasser
Alte Schule in Weißwasser © Constanze Klaue
Geschlossene Schule in Weißwasser
Geschlossene Schule in Weißwasser © Constanze Klaue
Wohngebiet in Weißkeißel
Wohngebiet in Weißkeißel © Constanze Klaue
Garagen in Weißkeißel
Garagen in Weißkeißel © Constanze Klaue
Wohngebiet in Weißwasser
Wohngebiet in Weißwasser © Constanze Klaue
Alte Fabrik in Kodersdorf
Alte Fabrik in Kodersdorf © Constanze Klaue
Fabrikgelände in Kodersdorf
Fabrikgelände in Kodersdorf © Constanze Klaue
Alte Fabrik in Uhsmannsdorf bei Rothenburg/Oberlausitz
Alte Fabrik in Uhsmannsdorf bei Rothenburg/Oberlausitz © Constanze Klaue

Herr Rietzschel, Sie stammen aus Kamenz und wohnen in Görlitz. Hatten Sie beim Schreiben ihres Buches konkrete Orte im Kopf?

Rietzschel: Viel in dem Buch ist um Kamenz herum entstanden. Das Forstfest taucht zum Beispiel auf, das aber gar nicht unbedingt dorthin verortet werden muss. Das Buch spielt letztendlich in Neschwitz – ich habe die Orte in meinem Kopf einfach dort angesiedelt.

Klaue: In Weißwasser haben wir für den Film so gut wie alles gefunden, und es sah auch so aus, wie ich mir das vorgestellt hatte. Ich mag auch diese Mischung: Es gibt einerseits leerstehende Wohngebiete, die die Natur sich wieder zurückgeholt hat, aber nebenan ist dann ein Kindergarten voller Kinder. Da ist ein Leben neben dem Verfall. Aber ob wir tatsächlich dort drehen, hängt unter anderem noch davon ab, ob wie die Genehmigung kriegen. Und momentan brauchen wir vor allem erst einmal unsere Hauptdarsteller.

Die stehen noch nicht fest?

Klaue: Bei unseren jungen Hauptdarstellern wollen wir Kinder aus dem Osten. Denn man hört das an der Sprache und der Tonalität. Ich suche Kinder, die nicht unbedingt mit Karate und Cello-Unterricht aufgewachsen sind, egal aus welcher Gesellschaftsschicht. Aber diese Kinder findet man in den Casting-Agenturen nicht. Deswegen gehen wir jetzt in die Region und gucken, wen es dort gibt.

Das heißt, es wird in Görlitz oder Bautzen ein Casting geben?

Klaue: Wir werden erstmal ein Online-Casting machen. Als Bewerbung muss man nur ein kurzes Vorstellungsvideo mit Name, Alter, Wohnort und Hobbies an eine speziell dafür eingerichtete Handynummer oder per E-Mail schicken. Ich sehe und höre sofort, ob jemand passt.

Was bedeutet der Film für die Oberlausitz?

Rietzschel: Ich sehe es vor allem als eine riesige Chance, dass idealerweise jemand aus der Region gefunden wird und eine Hauptrolle übernehmen kann. Wenn Filme hier bei uns gedreht werden, läuft man ja oft höchstens einmal hinten durchs Bild.

Klaue: Ich möchte gerne Kinder aus dieser Region zeigen. Nicht wie in vielen anderen Filmen, bei denen ich genau höre, dass die Schauspieler nicht von dort kommen. Für diesen Film ist das Regionale wirklich von großer Bedeutung. Damit meine ich nicht nur die Oberlausitz, ich meine das Ostdeutsche. Bei "Das Leben der Anderen" gab es ja fast einen inneren Aufstand, weil sich niemand aus dem Osten in den Figuren wiedergefunden hat. Wie ich einen Film besetze, ist eine Haltungsfrage.

Kurze Bewerbungsvideos oder schriftliche Bewerbungen mit Foto können an [email protected] oder per WhatsApp an 0152 58604384 geschickt werden. Als Hauptdarsteller werden Jungen im Alter von etwa neun oder zwölf Jahren gesucht, für weitere Nebenrollen Jungen ab 16 Jahren. Schauspielerfahrung ist ausdrücklich keine Voraussetzung.