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Urteil nach 24 Zeugen: So kam es zum Großröhrsdorfer Kirchenbrand

Das Landgericht Bautzen hat einen 41-Jährigen für schuldig gesprochen, den Brand in der Großröhrsdorfer Kirche gelegt zu haben. Das sind die erwiesenen Hintergründe.

Von Tim Ruben Weimer
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Der 41-jährige Maik H. ist verantwortlich für den Brand der Großröhrsdorfer Kirche. Das Landgericht hat ihn zu einer hohen Gefängnisstrafe verurteilt.
Der 41-jährige Maik H. ist verantwortlich für den Brand der Großröhrsdorfer Kirche. Das Landgericht hat ihn zu einer hohen Gefängnisstrafe verurteilt. © René Plaul, Lausitznews, Feuerwehr Lichtenberg

Bautzen. Seit diesem Dienstag, dem 27. Februar 2024, herrscht Gewissheit in Großröhrsdorf: Hinter dem verheerenden Brand der Stadtkirche in der Nacht zum 4. August 2023 steckt der 41-jährige Maik H., Tischler, Vater von vier Kindern, gläubiger Christ, wohnhaft in einem Dorf unweit von Großröhrsdorf. Die Bautzener Außenstelle des Görlitzer Landgerichts hat ihn nach fünf Verhandlungstagen und 24 angehörten Zeugen wegen schwerer Brandstiftung zu einer Gefängnisstrafe von neun Jahren verurteilt - trotz aller Versuche des Verteidigers, das bei der Polizei getätigte Geständnis für unwirksam zu erklären.

"Wir können als Stadt nun zur Ruhe kommen und hoffen, dass auf dem Kirchberg bald wieder eine neue Kirche steht", sagt Pfarrer Stefan Schwarzenberg nach dem Prozess. "Der christliche Glaube ist auch mit Brandanschlägen nicht kleinzukriegen." Bis zuletzt hatte Maik H. bestritten, für den Kirchenbrand verantwortlich zu sein. Die wichtigsten Punkte, wie das Gericht das harte Urteil begründet.

Großröhrsdorfs Pfarrer Stefan Schwarzenberg zeigt sich froh, dass der Prozess nun einen Abschluss gefunden hat.
Großröhrsdorfs Pfarrer Stefan Schwarzenberg zeigt sich froh, dass der Prozess nun einen Abschluss gefunden hat. © lausitznews.de

Das widerrufene Geständnis

Der vermutlich wesentlichste Bestandteil zur Aufklärung des Falles war das Geständnis von Maik H. eine Woche nach der Tat. Die Polizei hatte H. verdeckt observieren lassen und so Brandspuren in seinem Gesicht entdeckt. Nach der Durchsuchung des Hauses seiner Eltern, in dem er wohnte, vernahm ihn die Polizei. Erst nach zwei Stunden und einem privaten Gespräch mit einem der Polizeibeamten rückte er die Wahrheit heraus.

In dem Geständnis habe H. Details verraten, die nur der Täter wissen konnte, so der vorsitzende Richter Ringo Hensel - etwa, dass das Feuer mit Benzin gelegt wurde und sich aus der Unteren Loge, also links vom Altar, ausbreitete. Beides hatten zwei Brandsachverständige bestätigt.

Rechtsanwalt Florian Berthold versuchte bis zuletzt, die bei der Polizei getätigten Aussagen von Maik H. für unverwertbar zu erklären. Gelungen ist ihm das nicht.
Rechtsanwalt Florian Berthold versuchte bis zuletzt, die bei der Polizei getätigten Aussagen von Maik H. für unverwertbar zu erklären. Gelungen ist ihm das nicht. © lausitznews.de

Maik H.s Pflichtverteidiger Florian Berthold verfolgte während des gesamten Prozesses die Strategie, das auf Tonband festgehaltene Geständnis seines Mandanten für unverwertbar zu erklären. Er versuchte, das Gericht zu überzeugen, dass Maik H. bei dem mitternächtlichen Geständnis übermüdet war, um Rücksprache mit einem Anwalt gebeten hatte und die Polizisten psychische Tricks angewandt hatten.

Die drei Richter konnten jedoch keine Fehler der Polizisten erkennen. Berthold will das Verfahren nun in die nächste Instanz vor den Bundesgerichtshof bringen.

Der Streit mit der Ehefrau und um die Kinder

Maik H. wurde von allen Seiten als fleißiger Handwerker beschrieben, der in Windeseile ein gekauftes Haus in Bayern für sich, seine damalige Frau und die drei gemeinsamen Kinder saniert habe. Im Dezember 2020 jedoch zog seine Frau mit den Kindern überraschend aus. Vor Gericht sagte sie, ihr Mann habe zusätzliche Jobs angenommen und daher keine Zeit mehr für die Familie gehabt.

Die Trennung warf H. offenbar aus der Bahn. Der gläubige Christ, der sonst nie Alkohol trank, driftete kurzzeitig in die Drogenszene ab und bekam ein Kind mit einer drogenabhängigen Frau. Er selbst sei jedoch nicht abhängig, aber seitdem mittelschwer depressiv gewesen, attestierte ihm ein psychiatrisches Gutachten.

Maik H. wurde zu neun Jahren Haft verurteilt.
Maik H. wurde zu neun Jahren Haft verurteilt. © lausitznews.de

Um das Haus in Bayern schwelt bis heute ein Streit, H. kehrte ins Haus seiner Eltern zurück. Mit der Zeit sei ihm immer weiter das Sorgerecht für seine Kinder entzogen worden. Besonders mit dem ältesten, 15-jährigen Sohn, der aufgrund von Erziehungsproblemen in einem Wohnheim untergebracht ist, pflegte er eine enge Beziehung, spielte oft bis tief in die Nacht mit ihm das Computerspiel Minecraft oder telefonierte mit ihm, ging mit ihm an seinem Geburtstag ins Kino, obwohl ihm das wohl nicht gestattet war. Am Tag vor dem Kirchenbrand überbrachte ihm seine Mutter die Mitteilung, dass der Betreuer des Sohnes ihm den Umgang endgültig verboten habe.

Das Verhältnis zur Kirche

Pfarrer und Kirchenvorstand der Großröhrsdorfer Kirche kannten Maik H. nur vom Sehen und als Mann seiner Ex-Frau, die Teil der Kirchgemeinde ist. H. hatte sich im Kirchenbezirk Bautzen-Kamenz in der Jugendarbeit engagiert, Bibelandachten gehalten und Krippenspiele organisiert. In der Großröhrsdorfer Kirche heiratete er seine Frau und ließ eines der gemeinsamen Kinder taufen.

So sah die Großröhrsdorfer Kirche im Jahr 2021 aus.
So sah die Großröhrsdorfer Kirche im Jahr 2021 aus. © https://commons.wikimedia.org/wi

Seinen Glauben bekundete er auch vor Gericht mehrfach: "Der Glaube gibt mir Kraft", sagte er, "wenn ich unzufrieden bin, lege ich das Gott in die Hände, und er schenkt mir Frieden." Mit der Kirche jedoch geriet er immer mehr in Konflikt. In Briefen wandte er sich an Pfarrer Stefan Schwarzenberg und beschwerte sich, dass er seine Kinder nicht sehen durfte, die in einer kirchlichen Kita betreut wurden. Als die Polizei im Haus seiner Eltern auftauchte, empfing Maik H.s Mutter die Beamten mit einer Hasstirade auf die Kirche, den Pfarrer und die ehemalige Frau ihres Sohnes.

Die Tatnacht

Nachdem seine Mutter ihm am Tag vor dem Brand die Nachricht vom Kontaktverbot zu seinem ältesten Sohn überbracht hatte, zog sich Maik H. in sein Zimmer zurück. Von 22.42 bis 0.01 Uhr führte er dort wie jeden Abend ein langes Telefonat mit seinem Sohn. Anschließend trank er, was wohl zur Einschlaf-Gewohnheit geworden war, etwa eine Flasche mit Cola gemischten Wodka. Doch statt zu schlafen, setzte er sich auf sein Fahrrad und fuhr zur Großröhrsdorfer Stadtkirche. Wieviel Benzin er dabeihatte, konnte das Gericht nicht aufklären. Zur Entzündung des Brands wären theoretisch mehrere Liter nötig gewesen.

Die Feuerwehr konnte beim Kirchenbrand weitestgehend nur zusehen, wie sich das Feuer von der Unteren Loge über den Innenraum bis ins Dach und zum Turm vorarbeitete.
Die Feuerwehr konnte beim Kirchenbrand weitestgehend nur zusehen, wie sich das Feuer von der Unteren Loge über den Innenraum bis ins Dach und zum Turm vorarbeitete. © Feuerwehr Lichtenberg

Maik H. schlug ein Fenster der Unteren Loge ein, verteilte im Innenraum Benzin und entzündete das Feuer möglicherweise mit einem Stück Papier. Die Überwachungskamera eines Nachbarhauses zeigt einen grellen Blitz, worauf eine Gestalt sich über den Friedhof von der Kirche entfernt. H. hatte offenbar nicht mit einer solchen Detonation gerechnet und versengte sich dabei Wimpern und Augenbrauen. Bei seinem Fahrrad, das er an einem anderen Gebäude abgestellt hatte, versorgte er seine Wunden grob, fuhr nach Hause und legte sich ins Bett. Am nächsten Tag war er bereits um 6 Uhr wieder auf den Beinen und besuchte einen Freund in Bayern, dem er nichts von der Tat erzählte.