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Wie Doberschau-Gaußig die Bautzener zu sich zieht

Bautzen schrumpft immer weiter. Vor allem junge Familien ziehen weg - am häufigsten nach Doberschau-Gaußig. Bürgermeister Alexander Fischer erklärt, warum das so ist.

Von Juliane Just
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Bauen mit Blick auf Bautzen: Ein neues Baugebiet am Rande von Doberschau gibt den Blick auf die Stadt frei. Bürgermeister Alexander Fischer freut sich, dass immer mehr Bautzener in die Idylle südlich der Stadt ziehen - doch für Bautzen ist das ein Problem
Bauen mit Blick auf Bautzen: Ein neues Baugebiet am Rande von Doberschau gibt den Blick auf die Stadt frei. Bürgermeister Alexander Fischer freut sich, dass immer mehr Bautzener in die Idylle südlich der Stadt ziehen - doch für Bautzen ist das ein Problem © Archivfoto: Steffen Unger

Doberschau-Gaußig. Überall wird gewerkelt. An der einen Ecke von Doberschau hievt ein Kran die Baumaterialien auf ein Areal, auf dem schon die Fundamente neuer Häuser zu sehen sind. Auf der anderen Seite des Ortes stehen bereits nagelneue Eigenheime, hier wird am Außengelände getüftelt. An einer anderen Stelle wird Holz in kleine Scheite gesägt. Wer hier wohnt, der kann sich in zehn Minuten mit dem Rad nach Bautzen rollen lassen.

Die Gemeinde Doberschau-Gaußig südlich von Bautzen zieht vom Umland mit Abstand die meisten Einwohner der Kreisstadt zu sich. Das zeigt die Einwohnerstatistik von 2021. Stolze 73 Bautzener konnte Doberschau-Gaußig im vergangenen Jahr gewinnen - bei insgesamt 4.200 Einwohnern in den 21 Ortsteilen ist das ein guter Zuwachs für die kleine Gemeinde. Die Einwohnerzahl ist seit Jahren recht stabil - andere Gemeinden könnten da neidisch werden.

Bürgermeister Alexander Fischer (CDU) freut sich darüber, dass immer mehr junge Familien nach Doberschau-Gaußig ziehen. "In den letzten vier Jahren sind zahlreiche Baugrundstücke entstanden und Eigenheime gebaut worden", begründet er die Beliebtheit bei den jüngeren Zuzüglern. Gerade deshalb sei 2021 ein starkes Jahr in Sachen Zuzug gewesen. Private Investoren haben die Gebiete bereits vor Jahren geplant und schließlich erschlossen.

Kita- und Schulstandorte sind wichtig für Zuzügler

"Viele kommen aus Bautzen und Dresden hierher, weil sie sich den Traum vom Haus dort nicht leisten können", so Fischer. Je nach Ortslage sind die Grundstückspreise in der Gemeinde unterschiedlich hoch. Bezahlt man in Doberschau, dem zu Bautzen nächstgelegenen Ort, noch 100 Euro pro Quadratmeter, ist es sieben Kilometer weiter in Gaußig nur noch die Hälfte. Die Nachfrage nach Baugrundstücken sei nach wie vor sehr hoch, doch die könne die Gemeinde derzeit nicht bedienen. Aktuell werde kein neues Baugebiet in Doberschau-Gaußig erschlossen. Die vorhandenen sind voll, selbst die letzten Lücken wurden gerade bebaut.

Doch es ist nicht nur das dörfliche, ruhige Leben, das viele Zuzügler in die Gemeinde zieht. "Familien schauen gezielt, ob Kitas und Schulen vorhanden sind", weiß Fischer aus Erfahrung. Zwei Kitas und eine freie Schule, die von der Grundschule bis zum Gymnasium 600 Schüler unterrichtet, gibt es in der Gemeinde. Außerdem ist der Breitband-Ausbau gut vorangeschritten. "Das ist eines der ersten Themen, wonach potenzielle Zuzügler fragen", betont der Bürgermeister.

Im Ortsteil Diehmen ist ein neuer Spielplatz entstanden, für den sich die Vereine vor Ort eingesetzt haben. Die Gemeinde gibt Geld, und die Anwohner setzen ihre Ideen um - so funktioniert das Zusammenleben im ländlichen Doberschau-Gaußig.
Im Ortsteil Diehmen ist ein neuer Spielplatz entstanden, für den sich die Vereine vor Ort eingesetzt haben. Die Gemeinde gibt Geld, und die Anwohner setzen ihre Ideen um - so funktioniert das Zusammenleben im ländlichen Doberschau-Gaußig. © Steffen Unger

Die Zuzügler bringen sich in das Dorfleben mit ein, so Fischer. Zwei Spielplätze und ein Dirtpark, auf dem Kinder mit Fahrrädern über aufgeschüttete Erdhügel springen, sind bereits entstanden. "Die Gemeinde hat Geld gegeben, doch die Projekte werden in Eigenregie von den Anwohnern gestemmt", sagt er. In Doberschau beispielsweise habe sich ein Verein aus den Zuzüglern gegründet, der sich für seine Ortschaft einsetzen will.

Doch natürlich ist auch in Doberschau-Gaußig nicht nur heile Welt. Die jungen Familien ziehen zwar zu, dafür verliert die Gemeinde immer mehr ältere Menschen. "Wir haben kein Altenheim oder betreutes Wohnen. Dadurch verlieren wir zunehmen ältere Einwohner", sagt Alexander Fischer. Die Errichtung eines Altenzentrums sei in der Planung.

Erschwerend kommt hinzu: In den vergangenen Monaten haben ein Lebensmittelladen, ein Fleischer und eine Sparkassen-Filiale geschlossen. Auch das sei für die ältere Bevölkerung ein Problem, wenn sie nicht mehr mobil ist: "Die jungen Leute fahren einfach nach Bautzen zum Einkaufen, doch die älteren Menschen können das nicht abfedern."

In Bautzen fehlt es an Bauflächen für junge Familien

Wo ein Gewinner, da auch ein Verlierer: Die Stadt Bautzen schrumpft seit Jahren. Immer wieder ist es Thema, dass junge Familien Bautzen verlassen und ins Umland abwandern. Bautzens neuer Oberbürgermeister Karsten Vogt (CDU), der im August sein Amt antritt, will verhindern, dass Bautzen weiter schrumpft. "Wir haben seit langer Zeit das Manko, dass uns Bauflächen fehlen für jene Familien, die sich richtig fest verorten wollen mit einem eigenen Haus", sagt Vogt. Er wolle sich auch mit den großen Vermietern an einen Tisch setzen, um bedarfsgerechten Wohnraum für Familien mit mehreren Kindern zu entwickeln.

Auch das Thema Arbeit spiele eine große Rolle, doch Bautzen hat keine freien Gewerbeflächen. "Wir müssen auch die Möglichkeit haben, Neuansiedlungen für Gewerbetreibende wieder zu ermöglichen", sagt Vogt. Ein gut funktionierender Wirtschaftsstandort könne die Menschen in Bautzen halten.

Prognostiziert wird der Stadt, dass sie schrumpft - und mit ihr die umliegenden Gemeinden. Diese Entwicklung müsse verhindert werden. "Schon wenn wir die Bevölkerungszahl halten würden, hätten wir uns gegen den Trend gestellt", so Vogt.