SZ + Leben und Stil
Merken

„Wir wollen keinen Krieg anzetteln“

Deutschlands erfolgreichster Spiele-Erfinder Klaus Teuber und Sohn Benjamin über die „Siedler von Catan“ und den aktuellen Boom der Brettspiele.

Von Marvin Graewert
 7 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Zum Grundspiel Catan gibt es unzählige Erweiterungen. Im Interview verrät der Schöpfer, dass das eigentlich ganz anders geplant war.
Zum Grundspiel Catan gibt es unzählige Erweiterungen. Im Interview verrät der Schöpfer, dass das eigentlich ganz anders geplant war. © Patrick Liste

Normalerweise wäre Klaus Teuber heute mit seinem Sohn zum Spielen verabredet. Beruflich, versteht sich. Stattdessen nehmen sich Deutschlands erfolgreichste Spiele-Entwickler Zeit für ein Interview. Ihr größter Erfolg, das Brettspiel „Catan“, wurde vor 25 Jahren veröffentlicht und seitdem weltweit über 32 Millionen Mal verkauft.

War es schon immer ihr Traum, Spiele zu entwickeln, Herr Teuber?

Ins Spiele-Entwickeln bin ich blindlings reingerutscht: Anfangs war es keine Arbeit, sondern Entspannung nach hektischen und frustrierenden Arbeitstagen im väterlichen Zahnlabor. Die Firma stand vorm Ruin, abends habe ich mich in den Keller geflüchtet und versucht meinen Lieblingsgeschichten Leben einzuhauchen. Dann entstand Kontakt zur Spielszene in Darmstadt – alle waren begeistert. Also habe ich sechs Verlage angeschrieben, es hagelte Absagen: Nur ein Redakteur fand es toll.

Das Catan-Universum hat Klaus Teuber nie losgelassen: Zwar entwickelt der 68-Jährige drei Spiele ohne Catan im Titel, doch die waren nicht sonderlich erfolgreich.
Das Catan-Universum hat Klaus Teuber nie losgelassen: Zwar entwickelt der 68-Jährige drei Spiele ohne Catan im Titel, doch die waren nicht sonderlich erfolgreich. © Patrick Liste

Das Knetspiel „Barbarossa“ wurde damals prompt zum „Spiel des Jahres“. Es ist aber nicht mit dem Erfolg von „Siedler von Catan“ zu vergleichen: Abgesehen von „Monopoly“ hat sich kein Brettspiel besser verkauft. Was hat Sie dazu inspiriert?

Für „Catan“ habe ich mich an Geschichten über Wikinger orientiert, die auf die offene See fuhren, um neue Länder zu entdecken: Island, Grönland und Amerika. Ich wollte ein Spiel entwickeln, in dem es ums Entdecken und Besiedeln geht. Der Rest ergab sich ganz von selbst: Was braucht man auf einer Insel zuerst? Holz und ein bisschen Nahrung. Zum Schluss hatte ich einen großen, überdimensionierten Prototypen, den ich auf das Wesentliche reduzieren musste. So wurde „Catan“ zum ersten Spiel mit Erweiterungen. Die Elemente von Städte & Ritter und Seefahrer existierten bereits in meinem Prototyp.

Wann haben Sie bemerkt, dass Sie mit „Catan“ einen Glückstreffer landen?

Die Frage kann am besten mein Sohn beantworten, der war von Anfang an der Entwicklung beteiligt und hat es bereits mit acht Jahren getestet.

Benjamin Teuber: Bei „Catan“ war das Gefühl ein ganz anderes als bei allen Prototypen danach: Wenn wir heute Spiele entwickeln, entdecken wir schnell ein paar Schwachstellen, an denen wir feilen müssen. Es ist die absolute Ausnahme, dass ein Spiel sich gleich von Beginn so hervorragend anfühlt.

Seit seinem sechsten Lebensjahr entwickelt der 36-Jährige an der Seite des Vaters Brettspiele.
Seit seinem sechsten Lebensjahr entwickelt der 36-Jährige an der Seite des Vaters Brettspiele. © Patrick Liste

Wie sieht der Arbeitsalltag eines Spieleentwickler aus?

Benjamin Teuber: Vor Corona bin ich einmal die Woche zu meinem Vater gefahren, um eine Runde zu spielen und mich anschließend mit ihm auszutauschen: An welcher Stelle müssen wir die Werte verändern? Wo brauchen unsere Spielfiguren neue Stärken? Wo müssen wir ganz neue Elemente einführen? So was ergibt sich nur aus dem Spiel heraus. Jetzt fällt das natürlich alles weg. Gerade stellen wir unsere Arbeit so um, dass wir über das Online-Tool Tabletopia unsere Prototypen testen und erstellen können.

Wie lange dauert so ein Prozess, bis Sie zufrieden sind?

Klaus Teuber: Es gibt kein Patentrezept für gute Spiele. Das hängt ganz von der Art des Spiels ab. Gerade arbeiten wir an drei neuen Missionen für die Neuauflage des Grundspiels „Sternfahrer von Catan“, in dem wir die Spieler beispielsweise mit einer unzerstörbaren Weltraum-Amöbe vor ganz neue Herausforderungen stellen. Diese Missionen zu entwickeln, ist gerade so aufwendig wie sonst ein ganz neues Spiel. Bis alles stimmt, muss es bis in kleinste Detail getestet werden.

Wie probieren Sie die Spiele aus?

Benjamin Teuber: Unsere erste Testperson ist immer meine Mutter, weil sie gnadenlos ehrlich sein kann. Wenn es schlecht läuft, bricht sie schon während der erste Runde ab, um zwei Waschmaschinen zu füllen. Letztendlich müssen wir uns auf unser Gefühl verlassen: Manchmal kommen wir selbst nach dreißig Entwürfen nicht zum Kern des Problems, dann packen wir das Spiel in eine Schublade und probieren erst mal eine andere Idee aus.

Wie viele Prototypen schaffen es gar nicht erst in diese Schublade?

Klaus Teuber: Etwa 50 Prozent aller Idee müssen wir irgendwann im Papierkorb versenken, auch wenn wir manchmal über vier Jahre an einem Spiel gearbeitet haben. Das ist dann besonders schmerzlich.