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Mehrere illegale Corona-Demonstrationen in Sachsen

An mehreren Orten in Sachsen wurde am Montag gegen Corona-Regeln demonstriert. Ein Großeinsatz für die Polizei, Demos wurden aufgelöst.

Von Maximilian Helm & Franziska Klemenz & Christoph Springer
 8 Min.
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Dem Aufruf zu Protesten gegen die Corona-Schutz-Maßnahmen folgen mehrere hunderte Menschen in Freiberg.
Dem Aufruf zu Protesten gegen die Corona-Schutz-Maßnahmen folgen mehrere hunderte Menschen in Freiberg. © dpa

Dresden/Freiberg. In Sachsen haben sich am Montag erneut an vielen Orten hunderte Gegner der Corona-Maßnahmen zu Demonstrationen zusammengefunden. In den sozialen Netzwerken war zu "Spaziergängen" aufgerufen worden. Der Protest konzentrierte sich vor allem auf Freiberg im Landkreis Mittelsachsen. Aber auch in Bautzen, Dresden und Chemnitz gab es Demonstrationen.

In Freiberg hatten sich am späten Montagnachmittag bereits hunderte Menschen zum Corona-Protest versammelt, darunter auch der Chefredakteur des rechtsradikalen "Compact"-Magazins Jürgen Elsässer. Die Teilnehmenden skandierten "Kretschmer muss weg".

Jürgen Elsässer, Chefredakteur des rechten Compact-Magazins, bei der Demo in Freiberg.
Jürgen Elsässer, Chefredakteur des rechten Compact-Magazins, bei der Demo in Freiberg. © Sebastian Willnow

Das Wetter in Freiberg war nicht sehr demonstrationsfreundlich, es schneite und regnete ununterbrochen. Die Teilnehmenden störte das wenig, laut Polizei zogen 700 Demonstrierende durch die Stadt. Regelmäßig wurde das Steigerlied gesungen.

Die Polizei war mit zwei Hundertschaften unterwegs, die die Protestierenden vorerst gewähren ließen. "Eine friedliche Versammlung gewaltsam aufzulösen, ist nicht verhältnismäßig", sagte eine Sprecherin der Polizei.

Gegen 20 Uhr war die Versammlung beendet. Jana Ulbricht, Sprecherin der Chemnitzer Polizeidirektion, hat keine Störungen oder Auseinandersetzung während der Demo erkannt. Ziel sei es gewesen, den Aufzug aus dem Innenstadtbereich rauszuhalten.

Polizisten riegeln die Freiberger Innenstadt ab.
Polizisten riegeln die Freiberger Innenstadt ab. © Sebastian Willnow

Gegen 24 Personen wurden schließlich Anzeigen wegen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz sowie wegen Verstößen gegen die Corona-Notfall-Verordnung erstattet. Zudem wurde jeweils eine Strafanzeige wegen Beleidigung eines Polizeibeamten und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte aufgenommen, wie es hieß.

Autokorso in Dresden - Auflösung in Bautzen

In der Landeshauptstadt Dresden veranstalteten die Demonstranten wie in der Vorwoche einen Autokorso, zu dem die Initiative "Querdenken 351" aufgerufen hatte.

Um 18 Uhr startete der Autokorso, nach Schätzungen eines SZ-Reporters waren etwa 100 Autos unterwegs. Die Route führte durch die Altstadt, auch über die St. Petersburger Straße und den Postplatz. Gegen 19.30 Uhr war der Autokorso beendet.

Zu einer Auseinandersetzung kam es dabei vor dem Kulturpalast. Dort haben mehrere Gegendemonstranten versucht, den Querdenker-Konvoi aufzuhalten, was ihnen einige Minuten gelang. Teilnehmer des Autokorsos sind ausgestiegen und wollten die Straße freimachen. Darunter war Beobachtern zufolge auch Wolfgang Taufkirch, einer der Organisatoren der Dresdner Pegida-Demonstrationen.

Laut Polizei handelt es sich bei den Blockierern um fünf Frauen und Männer. Sie wurden von den Beamten von der Fahrbahn geholt. Gegen sie wird jetzt wegen eines Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz ermittelt, sagt Polizeisprecher Marko Laske.

Zudem stellten Polizeibeamte am Abend eine Gruppe von bis zu 80 Menschen vor dem Rathaus fest.

In Bautzen wurde die Demonstration gegen 18.30 Uhr von der Polizei aufgelöst. "Die Ansammlung von Menschen in dieser Anzahl ist laut Corona-Schutzverordnung nicht gestattet", lautete die Durchsage der Beamten. Im Falle der Verweigerung werde es eine Identitätsfeststellung geben. Später kam es zu Rangeleien mit der Polizei.

Zu der Demo in Bautzen hatte sich Thorsten Schulte angekündigt. Der ehemalige Banker und Unternehmensberater fiel zuletzt mit verschwörungstheoretischen Publikationen auf und gilt als eine herausgehobene Persönlichkeit der "Querdenken"-Bewegung. Vereinzelt zogen am Abend noch Grüppchen durch die Stadt, eine große Demonstration konnten die Behörden jedoch verhindern.

Bei der Identitätsfeststellung schlug ein 44-Jähriger einen Polizisten mit dem Ellenbogen. Während Beamte den Tatverdächtigen festnahmen, biss er einen anderen Ordnungshüter in die Wade. Rettungskräfte brachten den verletzten Beamten zur Behandlung in ein Krankenhaus. Dem Mann droht nun eine Anzeige wegen des Angriffs auf Vollstreckungsbeamte.

Am Ende des Abends stellte die Polizei rund 80 Identitäten fest und fertigte ebenso viele Anzeigen wegen Verstoßes gegen die Corona-Notfall-Verordnung. Es droht jeweils ein Bußgeld von 250 Euro, teilte die Polizei noch am Abend mit.

Maßnahme gegen Gegendemo in Chemnitz

In Chemnitz gab es einen Polizeieinsatz - jedoch nicht gegen die 400 demonstrierenden Gegner der Corona-Maßnahmen, sondern gegen die Gegendemonstration. Etwa drei Dutzend vorwiegend jugendliche, dem linken Spektrum zuzuordnende Menschen hatte sich dem Aufzug in den Weg gestellt. Die Polizei forderte die Gruppe auf, die Straße freizumachen, und zog ihre Kräfte dort zusammen. Das berichtet die Freie Presse.

Einige der Gegendemonstranten versuchten daraufhin wegzurennen und wurden von Polizisten teilweise angerannt und zu Fall gebracht. Später saßen vier junge Leute mit Handfesseln auf dem Boden. Während die Polizei in der Webergasse die Personalien von schätzungsweise zwei Dutzend Gegendemonstranten aufnahm, zog der große, ungenehmigte Aufzug der Corona-Maßnahmen-Gegner unbehelligt zurück zum Ausgangspunkt am Schillerplatz.

Später konkretisierte die Polizei ihre Angaben zum Einsatz auf Anfrage. Die Beamten seien demnach eingeschritten, um eine körperliche Auseinandersetzung zwischen den beiden Lagern zu verhindern. Es sei keineswegs darum gegangen, den Aufzug weiter zu ermöglichen. Es sei zudem vorgesehen gewesen, auch die anführenden Teilnehmer des Aufzuges in einem günstigen Moment festzusetzen. Dazu sei es jedoch nicht mehr gekommen, da sich der Aufzug nach Darstellung der Polizei auflöste, während die Beamten mit den linken Demonstranten beschäftigt waren. Nun werde der Einsatz aufgearbeitet und die Lage mit Blick auf die kommende Woche neu bewertet.

In Zwickau versammelten sich gegen 18 Uhr 250 Teilnehmer einer geplanten Corona-Demonstration auf dem Hauptmarkt. Kurz nachdem sie in die Peter-Breuer-Straße eingebogen waren, kesselte die Polizei den Zug ein. Die Polizei nahm anschließend von allen Anwesenden die Personalien auf, berichten Augenzeugen. Es wurden Ordnungswidrigkeitsanzeigen wegen Verstoßes gegen die Corona-Verordnung erstattet.

Darüber hinaus gab es laut Polizei Zusammenkünfte in Pirna, Sebnitz, Neustadt, Riesa, Großenhain, Radeberg, Görlitz, Niesky und Zittau statt. Alle seien mit Verweis auf die geltenden Corona-Regeln beendet worden, teilten die Polizeidirektionen Dresden und Görlitz am späten Montagabend mit.

Sonntag: Ein verletzter Polizist in Plauen

Bereits am Sonntag war eine solche Demonstration in Plauen im Vogtland teilweise eskaliert. Bei einer Personenkontrolle wurde nach Angaben der Polizei ein Polizeibeamter leicht verletzt, an einer anderen Stelle hätten neun Menschen versucht, eine Absperrung zu durchbrechen. Nach die Polizei ermittelt nun wegen Landfriedensbruchs und tätlichen Angriffs auf Polizeibeamte sowie in 33 Fällen wegen Verstoßes gegen die sächsische Corona-Notverordnung.

In dieser ist geregelt, dass Demonstrationen derzeit nur als ortsfeste Kundgebungen mit maximal zehn Teilnehmern. Dabei ist es nach Einschätzung eines Staatsrechtlers für die Polizei eine Frage des Ermessens, ob sie dagegen vorgeht oder nicht. "Die Polizei kann einschreiten, aber sie muss es nicht tun", sagte der Rechtswissenschaftler Jochen Rozek von der Universität Leipzig am Montag.

Die Beamten müssten jeweils in der konkreten Situation abwägen, inwiefern die öffentliche Sicherheit durch die nicht angemeldeten "Spaziergänge" und Aktionen gestört sei.

Hintergrund: Verfassungsschutz warnt vor Corona-Leugnern

Sachsens Sicherheitsbehörden sind über die zunehmende Radikalisierung von Gegnern der Corona-Schutzmaßnahmen besorgt. "Die Idee eines gewaltsamen Widerstands gegen demokratische Regeln gehört inzwischen zu den typischen Standardforderungen der Bewegung der Corona-Leugner", sagte der Präsident des Landesamts für Verfassungsschutz, Dirk-Martin Christian, am Montag auf Anfrage.

Auch unter dem Einfluss von Rechtsextremisten, sogenannten Reichsbürgern und Antisemiten seien die Anti-Corona-Proteste im Verlauf der Pandemie immer aggressiver geworden. Spätestens mit den gewaltsamen Attacken auf Polizeibeamte und Journalisten sowie Verbalattacken gegen den sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) seien eindeutig "rote Linien" überschritten worden.

"Die regelmäßig wiederkehrende Behauptung der Corona-Leugner, wir lebten in einer de-facto-Diktatur und einem Notstandsregime, das beseitigt werden müsse und gegen das öffentlicher Widerstand legitim sei, muss als Beleg für eine fortschreitende Radikalisierung dieser Bewegung verstanden werden", sagte Christian.

Zunehmende Radikalisierung der Szene

Inzwischen fänden in vielen Orten nahezu täglich "Spaziergänge" statt, zu denen sich Hunderte von Bürgern versammeln. Teilnehmer aus dem bürgerlichen Spektrum ließen keinerlei Tendenzen erkennen, sich von Extremisten zu distanzieren. "Eine sich zuspitzende Pandemielage birgt daher die Gefahr in sich, dass die Schar der Unzufriedenen, die meint, in Verschwörungstheorien und Umsturzfantasien eine Lösung für ihre Probleme zu finden, immer größer wird."

Vor allem die rechtsextremistische Gruppierung "Freie Sachsen" sei zur "Mobilisierungsmaschine" der Protestszene im Freistaat geworden und stehe für deren zunehmende Gewaltbereitschaft. "Auch die Diktion der öffentlich geäußerten Proteste ist ein Beleg für die zunehmende Radikalisierung der Szene.

Das gilt in gleicher Weise für deren Kommunikation in den sozialen Medien, die eine wichtige Plattform zur Verbreitung ihrer kruden Verschwörungsnarrative und Hetzkampagnen sind, mit denen sie zahlreiche Menschen erreichen", so der Präsident. Das Ergebnis seien Beleidigungen und Bedrohungen von Politikern mit drastischen Formulierungen in aller Öffentlichkeit.

Christian zufolge ist die "Identitäre Bewegung" ein weiterer Organisator der Proteste. Aktuell unternehme diese Gruppierung den Versuch, die Themen Corona und Migration zu verquicken und die Handlungsfähigkeit des Staates in Frage zu stellen. (mit dpa; fp)

Mitarbeit: Oliver Hach