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Dresdner Neumarkt: Von einer Brache zur Perle

Ein Streifzug durch die Jahrzehnte am Dresdner Neumarkt. Wie die Frauenkirche zum Symbol wurde.

Von Bettina Klemm
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Es tut sich viel: Rings um die Frauenkirche sind in den vergangenen Jahren die Barockbauten nach altem Vorbild neu entstanden.
Es tut sich viel: Rings um die Frauenkirche sind in den vergangenen Jahren die Barockbauten nach altem Vorbild neu entstanden. © Sven Ellger

Dresden. Kein anderer Ort in Dresden hat sich so gewandelt wie der Neumarkt. Das soll ein kleiner Streifzug durch Jahrzehnte zeigen. Bombenangriffe im Februar 1945 zerstörten jenen Platz, der im 18. Jahrhundert seinen barocken Glanz erhalten hatte. Von dem einst dicht bebauten Gebiet im Herzen der Dresdner Innenstadt blieben Trümmer. Besonders tragisch war das Schicksal der Dresdner Frauenkirche.

Der 1726 bis 1743 nach den Plänen von Baumeister George Bähr errichtete Bau mit einer imposanten Sandsteinkuppel wurde bei den Luftangriffen am 13. Februar 1945 zwar getroffen, schien jedoch der völligen Zerstörung zu trotzen. Zu früh aufgeatmet: Am Vormittag des 15. Februars stürzte die Kirche in sich zusammen und brannte aus.

Ein Jahrzehnt später hatte die Stadt Dresden die Ruinen am Neumarkt beseitigt – Tabula rasa an kulturhistorisch wertvollen Gebäuden. Die damaligen Stadtoberen rissen bei der Enttrümmerung selbst standfeste und wiederaufbaufähige Gebäudezeilen wie an der Rampischen Straße ab. Nur die Ruine des Kurländerpalais blieb stehen. Relativ schnell wurde lediglich das Johanneum, ein Renaissancebau von 1586, wieder aufgebaut. 1956 eröffnete dort das Verkehrsmuseum seine erste Dauerausstellung.

Ursprünglich sollte auch der Trümmerberg der Dresdner Frauenkirche beseitigt werden. Doch nach Protesten von Denkmalpflegern und der Bevölkerung wurde das Vorhaben aufgegeben. Vielleicht gab auch fehlendes Geld den Ausschlag? Einer der vier Treppentürme der Frauenkirche war erhalten geblieben und wurde fortan zum Mahnmal gegen Krieg und Zerstörung. Grasende Schafe vor den Trümmern der Frauenkirche gehören wohl zu den ungewöhnlichsten Ansichten vom zerstörten Dresden. Die Bilder von Schäfer Dieter Schlafke und seiner Herde entstanden 1957.

Das Gebiet an der Frauenkirche hat eine lange Geschichte. Hier sind in der Tiefgarage unter dem Neumarkt die Reste der Brücke am Frauentor zu sehen.
Das Gebiet an der Frauenkirche hat eine lange Geschichte. Hier sind in der Tiefgarage unter dem Neumarkt die Reste der Brücke am Frauentor zu sehen. © Marion Doering

Während der Dresdner Zwinger und die Katholische Hofkirche nach dem Zweiten Weltkrieg rekonstruiert wurden, blieb der Neumarkt lange Zeit nahezu unberührt. Dresden brauchte nach den Kriegszerstörungen dringend Wohnungen. So hatte die Stadt in den 1950er-Jahren begonnen, den Altmarkt neu zu bebauen.

In den 1960er-Jahren folgte der Wohnungsbau an der Wilsdruffer Straße, damals Ernst-Thälmann-Straße, sowie in der Weißen Gasse und an der Grunaer Straße. Das sozialistische Dresden verzichtete dabei auf alte Strukturen. Es träumte von einer neuen Stadt mit breiten Straßen und großen Plätzen. Die Krönung sollte ein Haus der Kultur sein. Um dessen Gestaltung gab es lange Zeit Streit. 1969 öffnete schließlich der Kulturpalast. Das Gebäude der Moderne trennt fortan den Alt- und den Neumarkt.

Ein Jahrzehnt später begann am Neumarkt der Bau eines stufenförmigen Anbaus an das Ende des 19. Jahrhunderts errichtete Königlich-Sächsische Polizeipräsidium. Der Neubau in industrieller Bauweise mit bronzefarbig getönten Fenstern stellte einen Stilbruch dar. Da konnte man froh sein, als sich Dresden in den 1980er-Jahren bei den Plänen für einen Hotelneubau am Neumarkt wieder auf alte Stadtstrukturen besann.

Ende der 1980er-Jahre rückten schwedische Baufirmen an, um das heutige Hilton-Hotel an der Töpferstraße zu errichten. Parallel entstanden postmoderne Plattenbauten an der Münzgasse. Zu jener Zeit hatten Dresdner Architekten und Denkmalschützer bereits den Wiederaufbau der Frauenkirche und deren Umfeld in Planung. Sie legten Konzepte für die Rekonstruktion wichtiger Gebäude vor, für die sogenannten Leitbauten. Als das Hotel fertig war, gab es die DDR nicht mehr.

Verschwundene Vergangenheit: Bild des alten Heinrich-Schütz-Hauses mit seinem markanten Rund-Erker an der Ecke Neumarkt/Frauenstraße.
Verschwundene Vergangenheit: Bild des alten Heinrich-Schütz-Hauses mit seinem markanten Rund-Erker an der Ecke Neumarkt/Frauenstraße. © Stadt Dresden

Der Wiederaufbau der Frauenkirche wurde zu einem Symbol für das neue Deutschland. Mit dem „Ruf aus Dresden“ bat im Februar 1990 eine Initiative zum Wiederaufbau der Frauenkirche weltweit um Spenden. Nachdem die Evangelisch-Lutherische Landeskirche und die Dresdner Stadtverordnetenversammlung zugestimmt hatten, begann 1994 der Wiederaufbau. Unterstützt wurde er auch von Freundeskreisen in 23 Ländern.

Bis zu 20.000 Tonnen wiederverwertbare und nummerierte sowie neue Sandsteine lagerten jahrelang in Regalen am Neumarkt. Die Frauenkirche wurde zu etwa einem Drittel aus Originalsteinen errichtet. Ihre feierliche Weihe erfolgte zum Reformationstag 2005. Da die Kirche nie ein Solitär war, sollten rund um sie wieder Häuser sowie Straßen und Gassen entstehen.

Unter dem Stichwort "Atelier 2000" hatte die Stadt zu einem Wettbewerb eingeladen. Zu dessen Ergebnissen zählten Entwürfe mit Flachdächern und Glasfassaden, die keinerlei Rücksicht auf das einst historische Erscheinungsbild nahmen. Der Widerstand dagegen wuchs. Dresdner und Dresdnerinnen schlossen sich 1999 zur Gesellschaft Historischer Neumarkt Dresden zusammen, die sich in den nächsten Jahrzehnten zur Mahnerin und zum konstruktiven Partner einer behutsamen Neumarkt-Bebauung entwickelte.

Zum Glück für Dresden fanden sich mit Dresdens Baywobau-Chef Berndt Dietze, dem Münchner Tuchhändler Arturo Prisco und wenigen weiteren Investoren Menschen mit hohen Ansprüchen zusammen. Am Neumarkt herrscht weitgehender Konsens: Es wird auf alten Grundrissen gebaut. Wenn es ausreichend gesicherte Pläne gibt, entstehen zumindest die Fassaden originalgetreu wieder.

Für die anderen Gebäude werden in Wettbewerben moderne, der Umgebung angepasste Formen gefunden. Eine gemeinsame Tiefgarage unter dem Platz machte erst die einzelnen Quartiere möglich. Allerdings wurden für deren Bau mittelalterliche Festungsanlagen weitgehend abgerissen.

Ein typischer Anblick, der sich in den vergangenen Jahren immer wieder bot. Hier starten mit der Grundsteinlegung die Arbeiten am Quartier Hoym.
Ein typischer Anblick, der sich in den vergangenen Jahren immer wieder bot. Hier starten mit der Grundsteinlegung die Arbeiten am Quartier Hoym. © René Meinig

Parallel zur Frauenkirche entstand das Hotel de Saxe nach historischem Vorbild. Arturo Prisco hatte 2006 zur Einweihung seines QF, Quartier Frauenkirche, eingeladen. Wenig später war der Häuserkomplex mit den prächtig verzierten Gebäuden "Zum Schwan" und "Zur Glocke" fertig.

Wiederum ein Jahr später vollendete die Baywobau das dritte Quartier, das Juwel an der Frauenkirche. Heftiger Streit erwuchs um die Bebauung der Fläche des einstigen Gewandhauses. 2008 stimmte der Stadtrat schließlich dagegen. Heute lassen Bäume die Gewandhauskonturen erahnen.

Im nächsten Jahrzehnt gab Baywobau-Chef Berndt Dietze dem ersten Teil der Schlossstraße sein altes Antlitz zurück. Die Firma Kimmerle schuf mit dem Jüdenhof ein weiteres Quartier. In den 2020er-Jahren nun soll der Neumarkt vollendet werden. Auf der Fläche des abgerissenen Polizeianbaus entstehen ein Wohnquartier mit dem Palais Hoym und das Schlosseck an der Schlossstraße.

Der Bau am Dresdner Neumarkt gab auch Impulse für Rekonstruktionen beispielsweise in Frankfurt am Main und in Potsdam.

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