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Gedenken: Mahngang beschäftigt Hochschulen in Dresden

Seit 2011 gehört zum Gedenken in Dresden auch der Mahngang, der zu Orten führt, die aufzeigen, wo und unter wem Menschen im Dritten Reich leiden mussten. Damit setzen sich auch Wissenschaftler und Studierende auseinander.

Von Andreas Weller
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Beim "Mahngang" werden jährlich Stationen des Nationalsozialismus in Dresden abgelaufen und erklärt.
Beim "Mahngang" werden jährlich Stationen des Nationalsozialismus in Dresden abgelaufen und erklärt. © René Meinig

Dresden. Wo sich heute das Ordnungsrathaus mit der Abteilung Ausländerangelegenheiten und dem zentralen Bürgerbüro der Dresdner Stadtverwaltung befindet, firmierte zu Nazi-Zeiten unter selber Adresse das "Amt für Erb- und Rassenpflege". Dort, an der Theaterstraße 11-15, beginnt und endet der "Mahngang Täter:innenspuren", wie er offiziell heißt, in diesem Jahr. Aus gutem Grund, sagt Solvejg Höppner, die Historikerin ist Lehrbeauftragte für das Seminar an der Evangelischen Hochschule Dresden (EHS).

Studierende forschen zur NS-Wohlfahrt

"Soziale Arbeit während der NS-Herrschaft", ist der Titel der Veranstaltung, in der sieben Studierende sich in laufenden Semester mit dem Thema auseinandersetzen. Das Format nennt sich "Studium Generale", ist nicht verpflichtend. "Wir wollen die Auseinandersetzung mit dem Thema bis in die heutige Zeit führen", so Höppner. Deswegen war sie auch gerne bereit, dass diese Studien in den diesjährigen Mahngang einfließen, der unter dem Titel "Tatorte der NS-Wohlfahrt in Dresden" läuft.

Die Ergebnisse der Studierenden fließen in die Texte ein, die beim Mahngang meist von Dresdner Schauspielern an den jeweiligen Orten verlesen werden.

"Thema für die gesamte Gesellschaft"

Dass der Mahngang immer wieder Teil der Kampagne von "Dresden Nazifrei" war und nun von "Dresden Widersetzen" ist, die vor allem das Ziel haben, den Aufmarsch von Neonazis in Dresden rund um den 13. Februar zu blockieren und federführend von Linken organisiert wird, ist für die Lehrbeauftragte kein Problem. "Es geht um die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus. Vielleicht wurde der Begriff Antifaschismus in der DDR inflationär benutzt. Aber heute, mit Demonstrationen von Neonazis und dem Opfermythos, den sie versuchen, zu verbreiten, ist das ein Thema für die gesamte Gesellschaft."

Da Höppner den Mahngang nicht zum ersten Mal wissenschaftlich begleitet, weiß sie: "Es sind viele Menschen dabei, die sich nicht als links verorten, sondern sich mit dem Thema auseinandersetzen, weil es wichtig ist." Es gehe in diesem Jahr nicht um bekannte Namen aus Dresden, die in der Nazi-Zeit das System bestimmt haben. "Es geht um die Verantwortung der einzelnen Personen - die Sekretärin, die alles mitgemacht hat, die Fürsorgerin im Amt, die Menschen bewertet bis zur Entscheidung über eine Behandlung oder Euthanasie." Also die Ermordung von aus Nazi-Sicht unwürdigem Leben von Menschen mit Behinderung oder Kranken.

"Nachweise sind historisch belegt"

Dieter Gaitzsch ist einer die Organisatoren des Mahngangs. Bis zu 3.000 Menschen haben daran bisher teilgenommen. Im Durchschnitt waren es laut Gaitzsch 500 bis 800 Teilnehmende. "Wir haben ihn auch als Reaktion auf die seinerzeit europaweit größten Aufmärsche von Neonazis organisiert und weil die Menschenkette alleine aus unserer Sicht nicht ausreicht."

Dresden sei keine unschuldige Stadt gewesen. "Die Nachweise sind historisch belegt: Es gab hier das erste 'arische Rathaus' in Sachsen, die erste Ausstellung 'entarteter Kunst' in Deutschland, Dresden war die letzte Garnisonsstadt in Sachsen mit Ausbildung des 'Volkssturms', der letzte Eisenbahnknoten zwischen Berlin und Prag und es gab Rüstungsindustrie in der Stadt", sagt Gaitzsch. Den rechten Aufmärschen stellen die Organisatoren das Handeln der NS-Täter gegenüber. Deshalb sei der zeitliche Bezug, rund um den 13. Februar auch den Mahngang durchzuführen, wichtig.

Auch TU Dresden begleitet Mahngang

"Wir wollen junge Menschen erreichen und die Opfererzählung in einem historischen Kontext erklären", so Gaitzsch. Deshalb sei er froh, dass Studierende der EHS Dresden dazu forschen und Texte für die einzelnen Stationen erarbeiten.

In diesem Jahr geht es von der Theaterstraße unter anderem zur Rosenstraße 79, wo in der NS-Zeit ein "Asyl" für obdachlose Frauen und Kinder war, die als "asozial" und "Schädlinge" ausgegrenzt und verfolgt wurden. An der Ferdinandstraße 17 war ein "Tagesheim der Berufsschule weiblicher Wohlfahrtserwerbsloser". Diese Zwangseinrichtung diente zur Kontrolle von jungen Mädchen und Frauen, die Wohlfahrtsunterstützung beziehen wollten. Wer nicht arbeitete, bekam auch keine Hilfe.

Für den Mahngang ist es nicht die erste wissenschaftliche Begleitung. 2017 und 2018 waren ebenfalls Studierende der EHS einbezogen, 2019 und 2021 gab es Seminare an der TU Dresden dazu.

"Wir sind für 2025 in Gesprächen mit der TU", so Gaitzsch. "Dann soll es um die Rassengesetze gehen, die vor dann 90 Jahren erlassen wurden." Der Manhngang in diesem Jahr findet am 18. Februar statt, beginn ist 14 Uhr an der Theaterstraße 14.