Dresden
Merken

Eskaliert der Streit zwischen dem Dresdner Stadtrat und OB Hilbert erneut?

Die Sommerpause ist noch nicht vorbei, schon geht der Zoff zwischen Dresdens Stadtoberhaupt und dem Stadtrat weiter. Konkret geht es um zwei Personalien.

Von Andreas Weller
 6 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Oberbürgermeister Dirk Hilbert liegt erneut mit dem Stadtrat im Clinch.
Oberbürgermeister Dirk Hilbert liegt erneut mit dem Stadtrat im Clinch. © Christian Juppe

Dresden. Eigentlich sollte die erste Stadtratssitzung nach der Sommerpause im September stattfinden. Doch wegen des Streits um die Besetzung des Schöffenwahlausschusses, durch den eine komplette Blockade der sächsischen Justiz droht, hat Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) für den 24. August eine Sondersitzung angesetzt.

Dafür präsentiert er einen neuen Vorschlag zur Besetzung des siebten und letzten Platzes als Vertrauensperson zur Schöffenwahl, die durchaus als Provokation aufgefasst werden kann. Zusätzlich möchte er den umstrittenen und neu geschaffenen Posten des Direktors offiziell besetzen.

OB Hilbert braucht Zustimmung vom Rat

Hilbert hat im März seinen bisherigen Rathaussprecher Kai Schulz als leitenden Direktor des neu geschaffenen Direktoriums beim OB eingesetzt. Bisher hat Schulz kommissarisch die Rolle des Kommunikators mit den Stadträten eingenommen, ihm sind das Büro des Oberbürgermeisters, der Bereich Stadtratsangelegenheiten, das Amt für Stadtstrategie, Internationales und Bürgerschaft, das Amt für Presse und Öffentlichkeitsarbeit und die Stadtbezirke inklusive der Ortschaften unterstellt. Schulz hat 33 Mitarbeiter und die dazugehörigen Ämter weitere gut 150.

Hilbert hat sich das Konstrukt mit seinem Vertrauten Schulz geschaffen, weil im Zuge des Bürgermeisterstreits Hilbert sich die Zuständigkeit für Finanzen und einiges mehr gesichert hat und er seinen Bereich neu aufstellen will. Sowohl an dem neuen Posten als auch an der Personalie Schulz gibt es Kritik. Allerdings muss der Stadtrat Schulz als Direktor zustimmen, damit er dauerhaft das Amt ausfüllen kann. Dazu will Hilbert die Räte in der Sondersitzung bekommen.

Linke: "Vorgang hat Geschmäckle"

"Schon bei der Schaffung des 'Direktoriums' hatte ich den Eindruck, dass der Oberbürgermeister sich eine Verwaltungseinheit schaffen will, die die Arbeit des Oberbürgermeisters erledigt", so Linke-Stadtrat Tilo Wirtz. "Der Oberbürgermeister scheint sich die lästige Schreibtischarbeit mit der internen Verwaltung und mit externen Stellen vom Halse schaffen zu wollen. Insbesondere soll der 'Direktor' auch die Funktion übernehmen, diesen 'nervenden' Stadtrat wegzumoderieren. Der Oberbürgermeister stellt sich einen an, der ihn vertritt."

Die konkrete Stellenbesetzung mit Schulz sei laut Wirtz "vollends fragwürdig". "Wird in der Stellenbeschreibung eine wissenschaftliche Hochschulausbildung vorgeschrieben, vielleicht um eine großzügige Dotierung der Stelle zu rechtfertigen, reicht in der internen Stellenausschreibung eine Hochschulausbildung auch einer Fachhochschule oder einer Berufsakademie, wohl damit die Bewerbungshürde für den ins Auge gefassten Intimus Kai Schulz nicht unüberwindbar ist. An anderer Stelle wird bei derartigen Diskrepanzen sofort aussortiert. Hier nicht. Damit hat der Vorgang ein 'Geschmäckle'." Schulz ist Sozialpädagoge mit Fachhochschulabschluss.

"Die kurze Zeitschiene ist für uns überraschend", sagt CDU-Fraktionschefin Heike Ahnert. Man werde das in einer Sonderfraktionssitzung diskutieren.

Dissidenten-Fraktionschef Johannes Lichdi kritisiert das Konstrukt, das sich OB Hilbert geschaffen hat. "Das ist für mich nicht schlüssig und zeigt, wie Herr Hilbert Verwaltung denkt - nur von sich aus. Wenn er einen Politik-Manager möchte, ist das ok." Er halte Schulz dafür für geeignet und hoffe auf eine "Verbesserung der Kommunikation" mit dem Rat.

SPD hat Rechtsaufsicht eingeschaltet

Die SPD hat bereits die Landesdirektion eingeschaltet, weil sie mehrere Probleme sehe. Der konkrete Posten sei bisher nicht vorgesehen, da Schulz kein Bürgermeister, aber wie Bürgermeister Amtsleitern vorgesetzt ist. Die SPD bezweifelt, dass das zulässig ist. Zudem hat sie wie die Linke Zweifel, ob Schulz ausreichend qualifiziert ist, weil er keinen wissenschaftlichen Abschluss an einer Universität hat.

"Wenn der Oberbürgermeister jemanden auf Lebenszeit befördern will, muss der Stadtrat schon mal genau hinschauen", so SPD-Fraktionschefin Dana Frohwieser. "Und da weist die eilige Vorlage, die der Stadtrat binnen zwei Wochen durchwinken soll, schon erschreckende Inkonsistenzen auf beziehungsweise fehlen wesentliche Informationen. Das wollen wir lieber rechtlich geprüft haben." Um sich nicht dem Vorwurf von "Günstlingswirtschaft" auszusetzen, müsse auch sichergestellt sein, dass die erforderliche Qualifikation ausgeschrieben wurde und vorhanden ist. "Neben dem rechtlichen Aspekt ist das Eis, auf dem der Oberbürgermeister mit dieser neuen Stelle steht, auch politisch dünn. Er erzählt den Bürgerinnen und Bürgern, er wolle einen Beigeordnetenposten einsparen, um dann an dessen statt eine neue Stelle zu schaffen." Die SPD prüfe auch rechtlich dagegen vorzugehen und die Behandlung der Vorlage per einstweiligem Rechtsschutz von einem Gericht erstmal untersagen zu lassen.

Kai Schulz ist der Vertraute von Dirk Hilbert, hier beim Skifahren auf der Dresdner Weltcuppiste 2015.
Kai Schulz ist der Vertraute von Dirk Hilbert, hier beim Skifahren auf der Dresdner Weltcuppiste 2015. © Sven Ellger

Auch AfD-Fraktionschef Thomas Ladzinski spricht von einem "Geschmäckle", weil die einzige weitere Bewerberin im Verfahren zurückgezogen hat, da sie in ihrem bisherigen Amt in der Stadtverwaltung eine höhere Position angeboten bekam. "Ich sehe das kritisch, aber wir besprechen das noch in unserer Fraktion."

Die Fraktion Freie Wähler/Freie Bürger verweist ebenso auf ihre Sitzung. "Wäre man unserem Vorschlag gefolgt, wäre keine zusätzliche Verwaltungseinheit notwendig", sagt Stadtrat Torsten Nitzsche.

Grüne wollen Personalie zustimmen

Unterstützung erhält Hilbert bisher nur von seiner FDP und den Grünen. Letztere verweisen darauf, dass die neue Position des Direktors unmittelbar mit dem neuen Zuschnitt nach der Schlichtung im Bürgermeisterstreit zusammenhängt. "Der ganze Vorgang hat gezeigt, wie wichtig ein konstruktiver Umgang zwischen den demokratischen Fraktionen und der Rathausspitze ist", so Grünen-Fraktionschefin Agnes Scharnetzky. "Kai Schulz hat persönlich das Potenzial dafür, wichtige und tragende Beiträge zu leisten. Nicht mehr und nicht weniger erwarte ich von ihm an dieser herausgehobenen Postion." Es habe zuletzt zu viele "Ausfälle" statt einer sach- und lösungsorientierten Kommunalpolitik gegeben.

Kai Schulz will sich nicht zu der Sache äußern, weil es um seine Personalie geht. Er soll laut der nicht öffentlichen Vorlage mehr als 100.000 Euro pro Jahr erhalten.

Vom Haupt- und Personalamt der Stadt heißt es nur: "Es ist durchaus üblich, dass sich ein Oberbürgermeister eine Führungsstruktur im eigenen Bereich schafft." Die Stelle wurde ausschließlich intern ausgeschrieben, um "internes Personal mit ausreichend Führungs- und Verwaltungserfahrung" anzusprechen. Zudem können die Räte im Verwaltungsausschuss am kommenden Montag den Vorschlag diskutieren, Ergänzungen oder Veränderungen einzubringen.

OB-Vorschlag grenzt Linke aus

Mit Hilberts neuem Vorschlag, den ehemaligen Direktor der städtischen Bibliotheken, Arend Flemming, in den Schöffenwahlausschuss zu entsenden, soll ein Streit beendet werden, der die Justiz lähmt. Denn ohne vollständige Besetzung können für Sachsens Gerichte keine Schöffen gewählt werden, schlimmstenfalls müssten mutmaßliche Straftäter aus der Untersuchungshaft entlassen werden, weil keine Gerichtsverfahren durchgeführt werden können.

Doch mit diesem Vorschlag stößt Hilbert die Linken vor den Kopf, denn ihr Vorschlag ist als einziger im Stadtrat bisher durchgefallen. Wegen des Drucks aus der Justiz bittet Hilbert "eindringlich, von eigenen Vorschlägen abzusehen, um die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit für Herrn Professor Flemming nicht zu gefährden". Die Linke will nun zähneknirschend einlenken. "Die Angelegenheit muss jetzt endlich vom Tisch", sagt Stadtrat Tilo Kießling. "Über den Umstand, dass Die Linke bei der Besetzung des Ausschusses nicht berücksichtigt wurde, muss allerdings noch einmal geredet werden."