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Dresdner Bürgermeisterstreit: Neue Allianz will Wahlen um Monate verschieben

Weil sich OB und Dresdner Stadtrat seit August nicht auf die Wahl neuer Bürgermeister einigen, könnte die Notbremse gezogen werden. Zudem meldet ein neues Bündnis Ambitionen an.

Von Dirk Hein
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OB Hilbert will am Donnerstag neue Bürgermeister wählen. Daran gibt es jetzt Kritik.
OB Hilbert will am Donnerstag neue Bürgermeister wählen. Daran gibt es jetzt Kritik. © Sven Ellger

Dresden. Am Donnerstag soll im Stadtrat zum dann vierten Mal versucht werden, die fünf offenen Bürgermeisterposten neu zu besetzen. Doch wie bei den letzten drei Versuchen deutet sich erneut kein Kompromiss an. Stattdessen wird immer hektischer und scheinbar aussichtsloser um Mehrheiten gerungen. Hinter den Kulissen hat sich jetzt eine neue Allianz gebildet, die eigene Ansprüche anmeldet und die aktuellen Wahlversuche bis auf eine Ausnahme abbrechen will.

Was plant Oberbürgermeister Dirk Hilbert?

Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) will am Donnerstag unbedingt neue Bürgermeister wählen lassen. Allerdings soll es, so der Plan des OBs, zukünftig nur noch sechs statt bisher sieben Bürgermeister geben. Damit kann jährlich eine Million Euro eingespart werden. Weil mit Bildungsbürgermeister Jan Donhauser (CDU) und Baubürgermeister Stephan Kühn (Grüne) zwei Bürgermeister noch lange im Amt sind und aktuell nicht zur Wahl stehen, würden statt fünf nur vier neue Stellen besetzt werden.

Hilbert will das mit einer Umstrukturierung der Stadtspitze verbinden. Er selbst würde dadurch mehr Macht erhalten. Der OB wäre zukünftig auch für die Finanzen im Rathaus zuständig. Doch solch umfangreiche Änderungen bedürfen einer Anpassung der Hauptsatzung, die anschließend veröffentlicht werden muss. Erst danach wären eigentlich Wahlen möglich, so der Leiter der Abteilung Stadtrat, Ralf Tostmann, in einem Schreiben an den Rat.

Hilbert will das umgehen, indem nach der aktuellen Hauptsatzung gewählt wird und nachträglich Änderungen erfolgen. "Es ist mein erklärter Wille, dass wir am Donnerstag zu einer Wahl der Beigeordneten kommen und sei es nur für einzelne Geschäftsbereiche", so Hilbert.

Wer hat sich aktuell verbündet?

Aus Sicht von FDP und Freien Wählern/Freien Bürgern ist dieses Durcheinander bei der Wahl der Bürgermeister nicht mehr zu vermitteln. "Es ist viel zu viel Porzellan zerschlagen worden. Bürgermeister, die jetzt gewählt würden, wären von Anfang an beschädigt", sagt FDP-Chef Holger Zastrow. Es sei zudem falsch, "in letzter Minute noch zu versuchen irgendetwas passend zu machen, nur damit gewählt werden kann".

Die Forderung der zwei Fraktionen: Sämtliche Wahlversuche sollen für gescheitert erklärt werden. Alle Parteien verordnen sich selbst eine Auszeit bis nach Weihnachten und starten danach neu mit "neuen Strukturen und weitgehend neuen Personen".

Gefordert werden sechs Bürgermeister, allerdings würden die Geschäftsbereiche neu geordnet. Im Anschluss sollen die zur Wahl stehenden Bürgermeisterposten neu ausgeschrieben werden. Die Hoffnung von Jens Genschmar (Freie Wähler): "Wenn klar ist, dass Dresden die bundesweit besten Experten sucht und tatsächlich auch wählt, dann kommen wirklich Bewerbungen von externen Kandidaten." Die sollen gesichtet werden, im Frühjahr 2023 könnte dann erneut gewählt werden.

Wer geht eine neue "Partnerschaft" ein?

Um mehr Gewicht bei anstehenden Wahlen zu haben, wollen FDP und Freie Wähler/Freie Bürger eine "strategische Partnerschaft" eingehen und in dieser Frage eng zusammenarbeiten. Gemeinsam haben beide Fraktionen ähnlich viele Stimmen wie Linke und CDU, die jeweils zwei Bürgermeister stellen wollen. "Wir sind keine Bittsteller mehr. Wir beanspruchen, bei allen Gesprächen beteiligt zu werden und wir beanspruchen ein angemessenes Vorschlagsrecht für einen Bürgermeister", so Zastrow.

Ausgenommen von diesen Überlegungen sei Sozialbürgermeisterin Kristin Kaufmann (Linke). Frau Kaufmann sei als überparteiliche Expertin bekannt. Ihre Wahl als Sozialbürgermeisterin könne am Donnerstag erfolgen, die restlichen Stellen sollen neu ausgeschrieben und mit frischem Personal besetzt werden.

Wie reagieren Grüne und SPD?

Grüne und SPD lehnen die Pläne, die Wahlen nach diesem Vorschlag nahezu komplett zu vertagen, ab. Christiane Filius-Jehne (Grüne): "Das ist inhaltlicher Quatsch. Es gibt keinerlei sachliche Gründe, es so zu handhaben und auch keine Mehrheit dafür - nicht mal mit der AfD."

Dana Frohwieser (SPD): "Wenn es eines Beweises bedurfte, warum eine verlässliche politische Vereinbarung der vier demokratischen Fraktionen Grüne, Linke, CDU und SPD für die Zukunft Dresdens nötig ist, dann ist das diese neue Forderung." Es brauche jetzt eine echte Gesamtlösung. "Wir lassen es nicht zu, einzelne Fraktionen und Personen gegeneinander auszuspielen. Natürlich braucht es Kompromissbereitschaft auf allen Seiten - bei den Fraktionen und auch beim Oberbürgermeister."