Dresden
Merken

Neuer Trabi-Touren-Anbieter in Dresden: "Bürscher, was hammorn falsch gemacht?"

Dresdens Tourismusbranche ist um ein Angebot reicher: Mit den Trabinauten geht ein junges Team an den Start, das Trabi-Touren für Nostalgie-Fans anbietet. Warum dafür ein Volkspolizist angeheuert wurde.

Von Juliane Just
 5 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Die Trabinauten bieten Trabant-Touren durch Dresden und die Sächsische Schweiz an. Dabei kann man sich auch einer humorvollen Kontrolle eines Volkspolizisten unterziehen, der von Schauspieler Andreas Hüttner gemimt wird.
Die Trabinauten bieten Trabant-Touren durch Dresden und die Sächsische Schweiz an. Dabei kann man sich auch einer humorvollen Kontrolle eines Volkspolizisten unterziehen, der von Schauspieler Andreas Hüttner gemimt wird. © Sven Ellger

Dresden. "Bürscher, was hammorn falsch gemacht?" Der Mann in grüner Uniform beugt sich weit vor, um dann mit ernster Miene in den Trabant zu starren. Die Sichel auf seiner Mütze und die Kelle in seiner Hand lassen nichts Gutes erahnen. Der Herr ist ein bisschen aus der Zeit gefallen, viele werden ihn aber als DDR-Volkspolizisten erkennen. Er gehört zum recht jungen Team der Trabinauten, die sich dem Zweitakter verschrieben haben und Trabi-Touren anbieten.

Den Volkspolizisten mimt dabei der Schauspieler Andreas Hüttner. Versprochen wird eine humorvolle Kontrolle in waschechtem DDR-Sächsisch und Volkspolizisten-Manier. "Der Volkspolizist gilt ja als ein Kuriosum, deswegen wollten wir ihn gern einbauen", sagt Tony Jendrischok. Er ist einer der beiden Trabinauten-Erfinder. Gemeinsam mit Steve Meißner tüftelt er seit 2020 an dem Projekt.

Dabei kommen die beiden jungen Männer aus unterschiedlichen Bereichen. Der eine arbeitet für eine Tourismusagentur, der andere bietet Team- und Führungskräftetrainings an. Ihre Schnittmenge: Gäste und Touristen. Irgendwann ploppte die Idee mit den Trabis auf, inzwischen ist sie Realität. Einst teilten sie sich nur ein Büro, nun teilen sie sich den Chef-Status der Trabinauten.

"Da ist nichts Gebasteltes oder Getüfteltes an den Trabis"

Und auch wenn beide in ihren Dreißigern sind und dementsprechend nie Trabis im Alltag gefahren sind, haben sie eine Leidenschaft für die Zweitakter. "Mein Vater hat früher Fahrzeuge restauriert", erinnert sich Tony Jendrischok. Wichtig ist ihnen bis heute eines: Die Fahrzeuge sind zu 100 Prozent im Original-Zustand und allesamt oldtimer-zertifiziert. "Da ist nichts Gebasteltes oder Getüfteltes an den Trabis", sagt Steve Meißner. Ein Satz, der vor allem Trabi-Liebhabern das Herz höher schlagen lässt.

Mit den Trabis geht es dann je nach Wunsch des Kunden im Zweitakter-Sound durch Dresden oder die Sächsische Schweiz. Ganz neu ist die Idee nicht, es gibt bereits mehrere Anbieter für Trabi-Touren in Dresden. Ab acht Personen lohnt sich eine Ausfahrt, bis zu 45 Personen kann die Flotte aufnehmen. Dabei setzen die Trabinauten auf Individualität. Es gibt verschiedene Touren, die erweitert werden können.

Abstecher können beispielsweise zur Dresdner Kaffeerösterei für einen Eierschecken-Stopp, zur Soljanka-Pause im Historischen Fischhaus oder zum Picknick am Elbufer sein. Und nicht zu vergessen: die Verkehrskontrolle der etwas anderen Art. "Im Prinzip wollen wir das Komplettpaket aus einer Hand bieten", so Jendrischok. Ab Juni soll es samstags eine offizielle Ausfahrt geben, bei denen Gäste spontan buchen und zusteigen können.

Trabis sind eine Rarität auf Dresdens Straßen geworden. Sobald die Flotte der Trabinauten auf dem Theaterplatz auftaucht, ist sie ein beliebtes Fotomotiv für Dresdner und Gäste der Stadt.
Trabis sind eine Rarität auf Dresdens Straßen geworden. Sobald die Flotte der Trabinauten auf dem Theaterplatz auftaucht, ist sie ein beliebtes Fotomotiv für Dresdner und Gäste der Stadt. © Sven Ellger
Mit der Trabinauten-Flotte geht es je nach Wunsch der Gäste durch die historische Altstadt Dresdens, aber auch in die Umgebung bis in die Sächsische Schweiz.
Mit der Trabinauten-Flotte geht es je nach Wunsch der Gäste durch die historische Altstadt Dresdens, aber auch in die Umgebung bis in die Sächsische Schweiz. © Steve Meißner
Die Kontrolle eines Volkspolizisten ist eine schräge Besonderheit bei den Trabi-Touren. Am besten funktioniert das Schauspiel laut Trabinauten, wenn die Insassen vorab nichts davon wissen.
Die Kontrolle eines Volkspolizisten ist eine schräge Besonderheit bei den Trabi-Touren. Am besten funktioniert das Schauspiel laut Trabinauten, wenn die Insassen vorab nichts davon wissen. © Steve Meißner
Insgesamt 15 Fahrzeuge hat das Team der Trabinauten inzwischen aus liebevollen Händen in die Flotte aufgenommen. So rollen "Gisella", "Hellmut" und "Inge" jetzt eben über Dresdens Straßen.
Insgesamt 15 Fahrzeuge hat das Team der Trabinauten inzwischen aus liebevollen Händen in die Flotte aufgenommen. So rollen "Gisella", "Hellmut" und "Inge" jetzt eben über Dresdens Straßen. © Steve Meißner

Trabinauten starten 2023 in ihre erste Saison

Dabei sind die Touren so angelegt, dass die Gäste selbst hinterm Steuer sitzen. Dafür gibt es vor dem Start eine Einweisung. Wer mit den Zweitaktern noch nie gefahren ist, sollte jedoch keine Scheu haben. "Jeder kann Trabi fahren", versichert Steve Meißner. Danach wird in Kolonne gefahren, nach Wunsch auch mit kleinen Aufgaben in Sachen Geschicklichkeit und Fahrtüchtigkeit. Alle Fahrzeuge sind via Funk miteinander verbunden. Jede Trabi-Tour wird von einem zertifizierten Gästeführer begleitet.

Nun starten die Trabinauten in ihre erste, volle Saison. Seit 2020 haben sie die Flotte aufgebaut, doch die Corona-Pandemie bremste den Start aus. Es gehe um Charme und Flair, um Originales und Historisches. Ihnen sei wichtig, dass alle Mitarbeiter mit Leidenschaft dabei sind und "nichts vom Band läuft".

Trabi-Szene mit Zweitakter-Knowhow

Zwei Jahre ist es her, dass die beiden sich in die Trabi-Szene begeben haben und recherchierten. Um zu erkennen, was Original am Fahrzeug ist und was nicht, haben sie Chefmechaniker Ronny Frank an ihrer Seite. Er hat das notwendige Knowhow zu nahezu allen Trabanten. "Er wusste beispielsweise bei einem Trabi, dass ein Tacho-Element im Baujahr des Fahrzeugs nicht original eingebaut wurde", erzählt Steve Meißner.

Das Problem aller Trabi-Fans: Die hergestellten Fahrzeuge wurden qualitativ über die Jahre schlechter. "Die DDR hat aus Ressourcenmangel mitunter verrückte Kombinationen herausgegeben." Ab dem Baujahr 1982 könne man auf zuverlässige Karossen setzen, weiß er. In der Trabinauten-Flotte, die inzwischen 15 Fahrzeuge umfasst, ist das älteste Fahrzeug aus dem Baujahr 1982, das jüngste ein 1989er-Jahrgang.

Die Trabanten stammen alle aus liebevollen Händen und tragen auf den Frontscheiben einen kleinen Hinweis auf den ursprünglichen Besitzer. So rollen "Gisella", "Hellmut" und "Inge" jetzt eben über Dresdens Straßen. Spitzenreiter ist laut Flottenmanagement übrigens Trabant "Erich" mit stolzen 87.617 gefahrenen Kilometern bis heute. "Wenn es Liebhaber da draußen gibt: Wir suchen immer noch originale Trabis für unsere Flotte", sagt Steve Meißner.

Dabei lernen auch die Trabinauten nicht aus, wenn Gäste einige technische Spitzfindigkeiten kennen oder lustige Anekdoten zum Besten geben. "Wir hatten schon einige Nostalgiker dabei, die uns die schönsten Geschichten erzählt haben." So erzählte ein Gast von einem Trabant-Kombi, der für einen Ostsee-Urlaub mit drei Kindern plus einem Ersatzmotor an seine Kapazitätsgrenzen gebracht wurde. Um das Gepäck zu transportieren, wurde kurzerhand die Rückbank ausgebaut. Dass die Kinder dann liegend auf den Koffern mitfuhren und kurz unterm Dach hingen, gehörte eben auch zum DDR-Alltag.