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Versteigerung im Dresdner DDR-Museum bringt über 174.000 Euro

Am Samstag wurden in Dresden 75.000 Exponate versteigert, die einst in der Schau "Welt der DDR" im Simmel-Hochhaus zu sehen waren. Der Andrang ist riesig, die Jagd nach den DDR-Raritäten hat begonnen. Die Endsumme kann sich sehen lassen.

Von Juliane Just
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Das bereits geschlossene DDR-Museum im Simmel-Hochhaus ist am Samstag zum Auktionssaal geworden. Der Andrang war enorm.
Das bereits geschlossene DDR-Museum im Simmel-Hochhaus ist am Samstag zum Auktionssaal geworden. Der Andrang war enorm. © Christian Juppe

Dresden. In zwölf Stunden Auktion wurden am Samstag über 75.000 Exponate der Schau "Welt der DDR" versteigert. Auktionator Stefan Günther hat insgesamt 939 Losnummern unter die Bieter gebracht. Die Gesamtversteigerungssumme beläuft sich auf 174.590 Euro.

"Das war eine harmonische, zum Teil sehr lustige Versteigerung, niemand hat sich beschwert, und es hat mir riesigen Spaß gemacht", resümiert der Auktionator einen Tag später. Insgesamt 96 Prozent der Lose wurden versteigert, nur 42 sind nicht unter den Hammer gekommen. Sie werden in Absprache mit Eigentümer und Edeka-Händler Peter Simmel eingelagert.

Der zeigt sich überrascht vom riesigen Andrang bei der Versteigerung, hatte er doch aufgrund der sinkenden Besucherzahlen des DDR-Museums das Gefühl, das Interesse an Alltagsgegenständen aus der DDR-Zeit sei erloschen. "Die Entscheidung, das Museum aufzulösen, war mir nicht leicht gefallen und ich hatte mir über den Verbleib der Ausstellungsstücke viele Gedanken gemacht", sagt er. "Jetzt bin ich sehr froh und erleichtert, dass sich für fast alle Exponate Interessenten gefunden haben."

So lief die Auktion im DDR-Museum am Samstag ab

Schlange stehen. Den Deutschen wird doch immer nachgesagt, dass sie das besonders gut können. In der oberen Etage des Simmel-Hochhauses am Albertplatz in Dresden stellen sie das am Samstagvormittag unter Beweis. Hunderte Menschen sind gekommen, um bei der Auktion der Schau "Welt der DDR" Raritäten zu ergattern - oder nur, um zu schauen. Der Auktionator hatte mit enormem Andrang gerechnet, er wird nicht enttäuscht.

Zwei blonde Damen am Eingang wirbeln hin und her, geben Zettel aus mit Nummern. Dort muss jeder Bieter seine Kontaktdaten eintragen. Im Foyer wird im Akkord geschrieben - auf dem Boden, auf DDR-Schränken, ja sogar auf der Wandverkleidung der Deutschen Werkstätten Hellerau, die später als Losnummer 1 die Auktion eröffnen wird.

Eine halbe Stunde vor Beginn der Auktion sind alle 100 Sitzplätze belegt. In der vierten Reihe kaut ein Herr gemächlich an einer Schnitte - Kraft holen vorm Auktions-Marathon. Zehn Stunden sind veranschlagt, um die 75.000 Exponate, die in 949 sogenannte Konvolute gebündelt wurden, unter die Bieter zu bringen. Ein sportlicher Zeitplan, der wenig später ins Wanken gerät.

Sammler aus ganz Deutschland sind bei der Auktion des DDR-Museums in Dresden

Schon im Vorfeld war klar, dass Sammler sich diese Auktion nicht entgehen lassen werden. "Hallo, Gert!", ruft es durch die schmalen Flure. Ein Sammler aus Erfurt, einer aus Potsdam, man kennt sich. Smartphones werden gezückt, die letzten Details fotografiert. Viele haben Zettel in der Hand mit den Nummern, für die sie bieten wollen. Die werden stets fest an die Brust gedrückt, hier lässt sich keiner in die Karten schauen.

Ein Mann sitzt auf einem rot gepolsterten DDR-Stuhl. Er liest in der aktuellen Sächsischen Zeitung, was Sachsen von den jüngsten AfD-Erfolgen halten, während hinter ihm eine Ausgabe vom 19. Juli 1951 berichtet, wie die III. Weltfestspiele der Jugend in Berlin vorbereitet werden. Kurz muss der Herr Platz machen für einen anderen Bieter, die Gänge werden kurz vor Beginn der Auktion immer voller.

Der renommierte Dresdner Auktionator Stefan Günther übernimmt die Versteigerung der Exponate des DDR-Museums.
Der renommierte Dresdner Auktionator Stefan Günther übernimmt die Versteigerung der Exponate des DDR-Museums. © Christian Juppe
Viele trauern um die Schau "Die Welt der DDR", die es in Dresden künftig nicht mehr geben wird. Bei der Auktion sollen alle Exponate möglichst restlos ausverkauft werden.
Viele trauern um die Schau "Die Welt der DDR", die es in Dresden künftig nicht mehr geben wird. Bei der Auktion sollen alle Exponate möglichst restlos ausverkauft werden. © Christian Juppe
Auf DDR-Technik haben es viele Bieter im DDR-Museums abgesehen.
Auf DDR-Technik haben es viele Bieter im DDR-Museums abgesehen. © Christian Juppe
Jeder Bieter erhält eine Bieternummer und muss seine Daten hinterlassen. Im Foyer wurde vor der Versteigerung an jeder Ecke geschrieben.
Jeder Bieter erhält eine Bieternummer und muss seine Daten hinterlassen. Im Foyer wurde vor der Versteigerung an jeder Ecke geschrieben. © Christian Juppe
Eine Hörstation vor mehreren Schallplattenhüllen während einer Versteigerung in den Ausstellungsräumen des bereits geschlossenen Museums "Welt der DDR". Am 8. Juli kommt diese Schau unter den Hammer.
Eine Hörstation vor mehreren Schallplattenhüllen während einer Versteigerung in den Ausstellungsräumen des bereits geschlossenen Museums "Welt der DDR". Am 8. Juli kommt diese Schau unter den Hammer. © dpa/Sebastian Kahnert
Während der Auktion wurde jeder freie Sitzplatz inmitten der zahlreichen Exponate des DDR-Museums ergattert.
Während der Auktion wurde jeder freie Sitzplatz inmitten der zahlreichen Exponate des DDR-Museums ergattert. © dpa

Dass das DDR-Museum nun unter den Hammer kommt, war noch vor wenigen Wochen nicht denkbar. Im April wurde zunächst bekannt, dass Edeka-Händler Peter Simmel die DDR-Schau im Hochhaus am Albertplatz aufgeben will.

Erst gab es noch Hoffnung für die DDR-Schau, weil es Interessenten gab, die das Museum weiterführen wollten. Doch als die absprangen, war klar: Die Exponate werden versteigert.

Wird in Dresden die DDR-Vergangenheit verscherbelt?

Hier kommt Stefan Günther ins Spiel, ein renommierter Dresdner Auktionator, der sich eigentlich der Kunst verschrieben hat. Doch diese Schau habe ihn gereizt, er habe sich "aufgedrängt", sagt er. Nun will er die DDR-Raritäten unter die Leute bringen. Günther wurde im Vorfeld vorgeworfen, er würde die DDR-Vergangenheit verscherbeln. Er sieht das anders. Mit der Auktion sorge er dafür, dass diese Dinge eben nicht weggeworfen werden.

An diesem Samstagvormittag ist es drückend heiß im DDR-Museum. Stefan Günther tritt ans Pult, steht trotz 28 Grad Außentemperatur mit Anzug und Schlips in den stickigen Räumen. Eine Frau fächert sich mit ihrer Bieterkarte Luft zu. "Jetzt darfst du nicht mehr mit der Karte fächern, das wird teuer", raunt ihr Begleiter ihr zu. Das Heben der Bieterkarte ist eine verbindliche Zusage.

Es geht los. "Auch wenn ich zwischendurch mal einen Scherz mache, ist das hier keine lustige Veranstaltung", eröffnet Günther. Jedes Gebot bei 10 Euro - egal, ob Pionierhalstuch, Propagandatafel oder ein Ruder-Einer. Ziel ist es, die Schau restlos auszuverkaufen. Neben den hunderten Bietern im DDR-Museum bieten weitere hundert Online mit. Per Beamer wird jedes Objekt hinter den Auktionator an der Wand gezeigt.

Auktion des DDR-Museums in Dresden beginnt mit vierstelliger Summe

Losnummer 1 - die Wandverkleidung aus den Hellerauer Werkstätten, auf der soeben noch geschrieben wurde. "Online wurden dafür bereits 4.400 Euro geboten", sagt Günther. Es geht ein Lachen durch die Reihen, gefolgt von einem Raunen. Geht das jetzt etwa in solch hohen Summen weiter? Im Saal bietet jemand 4.600 Euro, im Internet 4.800 Euro, im Saal 5.000. Zum Ersten, zum Zweiten, zum Dritten. Fertig, Nummer 2.

Stefan Günther wird heute vermutlich über zehn Stunden ununterbrochen sprechen. Die Versteigerung ist für den 66-Jährigen ein Kraftakt. Als nach der ersten Stunde ein frischer Kaffee auf sein Pult gestellt wird, hört man ein "Gott sei Dank" von ihm. Seit 1991 macht er diesen Beruf, hat nach eigenen Angaben seither rund 280.000 Positionen versteigert. Den höchsten Wert erzielte er mit einem Altar aus dem 16. Jahrhundert. Stolze 160.000 Euro brachte dieser ein.

Mit solchen Summen dürfte bei der Auktion im DDR-Museum nicht zu rechnen sein, auch wenn für mitunter recht unscheinbare Gegenstände erstaunlich hoch geboten wird. Ein Kleiderständer aus Metall geht für 250 Euro an den Höchstbietenden, drei Bananenkisten mit Heizkissen, Weckern und Vasen bringen immerhin 60 Euro, ein Beistelltisch aus Holz geht für 650 Euro weg.

Alles muss raus: Volkspolizei-Uniform aus dem "Simmel"-DDR-Museum.
Alles muss raus: Volkspolizei-Uniform aus dem "Simmel"-DDR-Museum. © Christian Juppe

Möbel und Computer-Technik stehen bei Bietern hoch im Kurs

Möbelstücke haben es den Bietern angetan, fast keines geht in der ersten Stunde der Auktion unter dreistelligem Wert raus. "Ich sehe es an Ihren Gesichtern. Sie denken sich gerade: 'Das haben wir früher alles weggeschmissen'", witzelt Stefan Günther.

Als der Computer Robotron EC1834, Losnummer 13, aufgerufen wird, lachen viele Anwesende. Der ganze Apparat ist vergilbt, der Bildschirm im Vergleich zu heutigen Zoll-Einheiten winzig, die Tastatur verdreckt. So sahen die Anfänge der Computertechnik zu DDR-Zeiten aus. Nach einem Bieterkampf geht der Computer für 500 Euro raus. Köpfe werden geschüttelt.

Inzwischen wird jeder Platz eingenommen, den es zu finden gibt. Die Bieter sitzen auf dem Boden, zwischen Schreibmaschinen, ja sogar im Haarsalon, der Teil der DDR-Schau war. Hier sitzen vier Damen in einer Reihe, die Trocknerhauben schweben über ihren Köpfen. Tino Fietz hat auf einem alten Schrank Platz genommen. Der Dippoldiswalder ist hergekommen, um einen Trabi zu ersteigern.

"Ich fahre privat einen Trabi und habe auch den Wohnwagen Dübener Ei dazu", sagt er nicht ohne Stolz. Aber das gute Stück muss in die Werkstatt, 5.000 Euro und mehr könnten es werden. Vielleicht kannst du ja hier einen Trabi günstiger haben, dachte er sich. Die Fahrzeuge werden vermutlich für hohe Summen ersteigert. Doch bis sie an diesem Samstag aufgerufen werden, könnte es noch Stunden dauern. Tino Fietz zuckt die Schultern. Kommt sie denn jemals wieder, die Chance, einen Trabi zu ersteigern?

Zeitplan der Auktion im DDR-Museum gerät ins Wanken

Gegen 14.30 Uhr sitzen drei junge Bieter vorm Simmel-Hochhaus in der brütenden Hitze. 31 Grad Celsius zeigt das Thermometer. Ein bisschen Pause muss trotzdem sein beim DDR-Marathon. Ein Mofa wolle die junge Frau so gern ersteigern und damit herumfahren, erzählt sie. Das wäre toll.

Doch wann werden die Zweiräder dran sein? Das fragen sich so einige. Viereinhalb Stunden läuft die Auktion im DDR-Museum, die Bieternummer 332 wurde gerade aufgerufen. Die Zweiräder sind ab der Losnummer 650 zu haben. Der Zeitplan ist gehörig ins Wanken geraten.

Im Auktionssaal im DDR-Museum haben sich die Reihen ein wenig gelichtet. Gerade wird ein Kassettenrecorder versteigert, Auktionator Stefan Günther hatte bislang keine Pause. Es macht sich Erschöpfung breit, auch bei den Bietern. Einige unterhalten sich lautstark, Günther bittet um Ruhe. Leere Wasserflaschen reihen sich auf den Tischen aneinander, die Schweißperlen stehen so einigen auf der Stirn.

Doch wie lange soll die Auktion an diesem Samstag gehen? Bis 18 Uhr wird es nicht zu schaffen sein, die 949 Konvolute zu versteigern. Auf Nachfrage sagt ein Mitarbeiter, er gehe davon aus, "dass das hier heute durchgezogen wird".

Konsum-Waren: "Wir geben keine Garantie, dass der Verzehr noch ein Genuss ist"

Es ist kurz nach 18 Uhr, die Losnummern rücken der 600 nahe. Einige Hartgesottene sind noch da, der Andrang von morgens hat deutlich nachgelassen. Auf einem Stuhl am Rand schläft ein Mann im Sitzen. Sein Kopf lehnt auf der einen Hand, die andere hält noch die Bieternummer. Doch schon bald wird er aufwachen, die Menge wird unruhig. Gleich sind die Zweiräder und Autos dran.

Doch vorher werden noch Genussmittel vom einstigen Konsum-Laden im DDR-Museum versteigert. Fünf Vitrinen voller Alkoholika, Tabakwaren und Schokolade. "Wir geben keine Garantie, dass der Verzehr wirklich noch ein Genuss ist", sagt Günther, den man die zehn Stunden harte Arbeit am Pult nicht anmerkt. Das Endgebot: Stolze 700 Euro.

Dann folgen mehrere Werkzeugschränke, die in Sekundenschnelle im Preis steigen. 500 - 550 - 600 Euro, die Schritte sind groß. Ein junger Herr bietet mit, ergattert den Schrank für 800 Euro. Was er damit macht? "Hauptsache haben. Im Netz wird der Schrank für 2.500 Euro gehandelt", sagt er und stapft los, um seine Rechnung zu begleichen.

Bei Lada, Wartburg und Trabi schnellen die Gebote in die Höhe

Und dann ist es endlich so weit. Nach zehn Stunden und 30 Minuten wird das erste Fahrzeug aufgerufen. Ein Lada, Losnummer 662. Aus den 10 Euro Anfangsgebot werden auf einen Schlag 2.500 Euro. "Im Internet werden 6.500 Euro geboten", sagt Günther. Es gibt Gelächter. Wer sich erhofft hatte, heute ein Schnäppchen zu schlagen, wird spätestens jetzt enttäuscht.

Alle Fahrzeuge werden für vierstellige Summen ersteigert. Ein Wartburg 353 904 geht raus für 6.000 Euro, ein anderer Wartburg für 4.000 Euro, ein Saporoshez SAS 968 S schafft es auf 2.800 Euro. Und dann kommen drei Trabis, auf die so viele Bieter gehofft hatten. Günther kündigt den himmelblauen Trabant 601 an, trinkt genüsslich einen Schluck aus seinem Glas für eine Kunstpause.

"6.500 Euro sind geboten", sagt er. Höhnisches Lachen aus dem Publikum. Es werden 6.500 Euro, ein zweiter beiger Fahrschultrabant wird ebenfalls für 6.500 Euro ersteigert. Die ersten Enttäuschten ziehen ab.

Doch es kommt noch ein Schmankerl: Ein Feuerwehr-Fahrzeug aus dem Jahr 1954, das jahrelang vor dem Simmel-Hochhaus Werbung für die "Welt der DDR" machte. Im Inneren wurde das Fahrzeug zu einem Bierverkaufswagen umgebaut. Für 5.500 wird dieses Einzelstück ersteigert. Danach ist Pause, Stefan Günther kann mal kurz durchatmen. Der Auktionator hat um 19 Uhr immer noch ein Drittel der Versteigerung vor sich.