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Lafer: "Ein Stern kann auch zur Belastung werden"

Promikoch Johann Lafer und Sven Vogel, der neue Küchenchef im Bülow Palais, über innovative Konzepte für Dresden und die Zukunft der Gourmetküche.

Von Henry Berndt
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"Ein gutes Wiener Schnitzel ist eine Kunst": Johann Lafer (l.) und Sven Vogel im Gespräch.
"Ein gutes Wiener Schnitzel ist eine Kunst": Johann Lafer (l.) und Sven Vogel im Gespräch. © Christian Juppe

Dresden. Als eines der ersten Restaurants in Sachsen wurde dem Restaurant Caroussel im Dresdner Bülow Palais 1992 ein Michelin-Stern verliehen. Seitdem konnte das Haus den Stern ununterbrochen verteidigen. Vor wenigen Wochen übernahm Sven Vogel die Küche aus den Händen seines langjährigen Weggefährten, dem bisherigen Sternekoch Benjamin Biedlingmaier. Unter Vogels Führung wurde die Gourmetküche jüngst mit „Bülows Bistro“ zum neuen Caroussel Nouvelle zusammengelegt. Ein gewagtes Experiment oder ein überfälliger Schritt?

Herr Lafer, was führt Sie denn nach Dresden?

Lafer: Für ein Gourmet-Festival habe ich hier gerade an zwei Abenden zusammen mit Sven Vogel jeweils 80 Gäste bekocht. Die Veranstaltung mit Sechs-Gänge-Menü gehört zum 25-jährigen Jubiläum des Bülow Palais und musste zweimal verschoben werden, bis sie nun endlich stattfinden konnte. Offiziell bin ich ja schon seit zwei Jahren raus aus der Gastronomie und konzentriere mich auf meine Kochschule und meine Produkte. Seit März vergangenen Jahres war das hier erst meine zweite Veranstaltung, aber es war klar, dass ich Ralf Kutzner (Hoteldirektor Bülow Palais, Anmerkung der Redaktion) unterstütze.

Sie kennen sich also?

Lafer: Das kann man wohl sagen. Seit 1978 haben sich unsere Wege immer wieder gekreuzt und wir haben eine enge freundschaftliche Verbindung. Ich bin sehr froh, dass es solche Leute wie ihn in dieser Branche gibt, mit denen man sich so offen austauschen kann. Ich war auch schon oft bei ihm zu Gast. Gekocht habe ich hier allerdings vorher nie.

Das nachgeholte Jubiläum fällt in eine Zeit des Umbruchs im Bülow Palais. Wie sieht der aus?

Vogel: Wir haben unsere zwei Restaurants zu einem gemacht und ihm den Namen Caroussel Nouvelle gegeben. Uns war bewusst, dass diese Fusion ein gewagter Schritt ist, denn er bedeutete die Aufhebung der traditionellen Grenze zwischen Haute Cuisine und Bistroküche. Die Gäste können jetzt je nach Lust und Anlass am Tisch entscheiden, wie exklusiv der Abend werden soll. Auf der Speisekarte ist die Hummerschaumsuppe genauso zu finden wie das Wiener Schnitzel mit Kartoffel-Gurken-Salat.

Lafer: Wobei ein gutes Wiener Schnitzel eine Kunst für sich ist. Das fängt ja schon mit der Frage an, wo das Fleisch herkommt. Wie viel kostet ein Wiener Schnitzel bei euch?

Vogel: 24 Euro. Das Fleisch kommt aus Müritz.

Lafer: Das ist ja noch günstig. Normalerweise müsste man für gutes Kalbsfleisch heute mindestens 30 Euro nehmen.

Warum wurden die beiden Restaurants zusammengelegt?

Vogel: Man muss mit der Zeit gehen und ein reines Gourmetrestaurant war für uns nicht mehr wirtschaftlich. Wir sind ein Privathotel und keine Kette, in der man sich schnell mal einen Mitarbeiter ausleihen kann. Bis jetzt mussten wir aus einer Küche zwei Restaurants bedienen. Nun ist es wesentlich einfacher.

Welche Rolle spielte die Corona-Krise bei der Entscheidung?

Vogel: Corona war nur ein passender Zeitpunkt. Im Alltagsgeschäft wäre so ein Schritt nicht ohne Weiteres möglich gewesen.

Gemeinsam bekochten Johann Lafer und Sven Vogel am Wochenende die Jubiläumsgäste.
Gemeinsam bekochten Johann Lafer und Sven Vogel am Wochenende die Jubiläumsgäste. © Christian Juppe

Was ändert sich konkret auf dem Teller?

Vogel: Der Einfluss der französischen Haute Cuisine bleibt unverkennbar, aber es ist internationaler geworden. Saisonale und regionale Zutaten werden mit Spezialitäten der traditionellen Küche aus aller Welt ergänzt. Wir servieren jetzt weniger verschiedene, dafür größere Komponenten pro Gang, die damit besser zur Geltung kommen.

Lafer: Von dem neuen Konzept höre ich gerade zum ersten Mal. Jeder sollte diese Entscheidung für sich selbst treffen. Man muss aber mal bedenken, unter welchen Voraussetzungen man hier in Dresden ein exklusives Restaurant und Hotel aufgebaut hat. Damals schon den Mut dafür zu besitzen, das ist schon außergewöhnlich. Und dann 25 Jahre lang diese Qualität zu halten, bei manchmal nicht ganz einfachen Bedingungen, da muss ich den Hut ziehen.

Ist der Stern nach der Zusammenlegung der Restaurants verloren?

Vogel: Den Stern haben wir noch aus dem vergangenen Jahr und gerade läuft die Saison. Im Februar werden wir erfahren, wie es weitergeht.

Spielt der Wechsel in der Küche dabei eine Rolle?

Lafer: Dem Tester geht es mehr um ein System, das ein bestimmtes Niveau haben muss. Ob der gleiche Koch in der Küche steht, ist eher zweitrangig.

Ist der Stern inzwischen verzichtbar?

Vogel: Als ich mit dem Kochen angefangen habe, bedeutete mir der Stern viel. Mittlerweile ist es mir wichtiger, dass die Gäste zufrieden ist. Der Stern zahlt nicht mein Gehalt. Wenn man abends von Tisch zu Tisch läuft und in dankbare Gesichter schaut, dann ist das viel mehr wert.

Lafer: Für das Marketing und die Bekanntheit brauchst du am Anfang schon gewisse Symbole, aber letztlich zählt die Qualität. Was nützt es dir, wenn der Gast nur einmal kommt und dann eine negative Bewertung ins Internet schreibt? Die sind inzwischen viel wichtiger geworden.

Kann ein Stern auch zur Belastung werden?

Lafer: Ja, absolut. Die Häuser stehen enorm unter Druck. Wenn du einmal eine Hundert-Meter-Zeit vorgelegt hast, dann musst du immer wieder diese Performance abliefern, selbst wenn du mal keine Lust hast oder dir die halbe Belegschaft fehlt. Du möchtest den Stern behalten und die Gäste kommen mit den entsprechenden Erwartungen.

Wie könnte die Zukunft der Gourmetküche aussehen?

Lafer: Ich persönlich habe zunehmend ein Problem damit, drei, vier Stunden im Restaurant zu sitzen. Zu einem besonderen Anlass ja, aber im Alltag sind mir fünf Gänge einfach zu viel. Statt sich einander immer weiter anzugleichen, sollten die Häuser den Mut zu besitzen, Alltagsküche modern zu machen. Die Leute wollen nicht jeden Tag Austern und Jakobsmuscheln, sondern sie wollen vielleicht die besten Königsberger Klopse. Durch den großen Personalmangel wird sich da in nächster Zeit aber viel aussortieren. Übrig werden die bleiben, die das Besondere verkörpern - und das muss keine Sterne-Küche sein.