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Neue Baywobau-Dresden-Chefin: "Familien können sich kaum noch Eigentum leisten"

Die Dresdner Niederlassung der Baywobau hat Tausende Wohnungen in der Stadt gebaut und saniert, darunter am Neumarkt oder im Lahmann-Park. Aktuell aber sei das so schwierig wie nie zuvor, sagt die neue Chefin.

Von Kay Haufe
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Andrea Strümpel ist die neue Leiterin der Dresdner Baywobau-Niederlassung. Das Unternehmen hat unter anderem das Schloßeck an der  Schloßstraße in Dresden gebaut, hier ein Bild aus dem Jahr 2020.
Andrea Strümpel ist die neue Leiterin der Dresdner Baywobau-Niederlassung. Das Unternehmen hat unter anderem das Schloßeck an der Schloßstraße in Dresden gebaut, hier ein Bild aus dem Jahr 2020. © Sven Ellger, Matthias Rietschel

Dresden. Berndt Dietze, der langjährige Dresdner Baywobau-Chef, hat Spuren hinterlassen in der Stadt. Ohne seine Vision von einem wieder bebauten Neumarkt und seiner Beharrlichkeit, dass dort mit einer Tiefgarage die Erschließung und die verkehrlichen Probleme gelöst werden können, gäbe es den Platz in seiner Form so heute nicht. Ganz zu schweigen vom ehemaligen Lahmann-Sanatorium, das sich dank Dietzes Vorstellungskraft und seines Durchhaltevermögens nach langem Verfall zu einem außergewöhnlichen Viertel gemausert hat.

Nun hat der Mann, gerade 80 Jahre alt geworden, die Führung der Dresdner Niederlassung an seine Mitstreiterin Andrea Strümpel übergeben, die seit 2016 bei der Baywobau tätig ist. Sie übernimmt in keiner leichten Zeit, verrät sie im Gespräch mit Sächsische.de.

Frau Strümpel, in Dresden wird Wohnraum gesucht, das wird sich mit den neuen Wirtschaftsansiedlungen im Dresdner Norden noch verschärfen. Die Baywobau müsste also bauen wie verrückt.

Andrea Strümpel: Genau das Gegenteil ist der Fall. Wir verkaufen die Wohnungen in unserem aktuellen Projekt Wildrosenterrassen in Naußlitz nur schleppend und können deshalb keine weiteren Projekte angehen, weil das Geld im Projekt steckt und nicht in die neuen Bauvorhaben investiert werden kann.

Gibt es kein Interesse an den neuen Wohnungen?

Andrea Strümpel: Interesse gibt es in jedem Fall, aber gerade junge Familien, die unsere Hauptzielgruppe im Naußlitzer Projekt sind, kaufen kaum noch. Und das ist auch nachvollziehbar angesichts von hohen Baupreisen, momentan zahlen Käufer durchschnittlich 5.400 Euro für den Quadratmeter. Dazu kommen relativ hohe Zinsen von aktuell 3,61 Prozent bei einer 20-jährigen Finanzierung und die um zwei Prozent höhere Grunderwerbssteuer.

Und: Die Banken verlangen 15 bis 20 Prozent Eigenkapital, was in der Regel um die 80.000 Euro bedeutet. Das hat kaum ein junges Paar verfügbar und in der Summe wird ein Wohnungskauf deshalb abgewählt oder nach hinten geschoben. Schließlich will man seinen Lebensstandard halten, reisen, regelmäßig essen gehen.

Arbeiten bereits seit 2016 zusammen: Andrea Strümpel hat jetzt die Leitung der Dresdner Baywobau-Niederlassung von Berndt Dietze übernommen.
Arbeiten bereits seit 2016 zusammen: Andrea Strümpel hat jetzt die Leitung der Dresdner Baywobau-Niederlassung von Berndt Dietze übernommen. © Matthias Rietschel

Welche Konsequenz hat das für die Dresdner Baywobau-Niederlassung?

Andrea Strümpel: Wir haben erst 20 Prozent der Naußlitzer Wohnungen verkauft, obwohl das Bauvorhaben im vierten Quartal des Jahres fertig werden soll. Früher haben wir zu diesem Zeitpunkt schon alle Wohnungen verkauft und die Entwicklung neuer Projekte konnte starten. Der Markt ist total eingebrochen. Wir haben mit zwei Finanzierungspartnern vernünftige Finanzierungen für junge Familien durchgerechnet, aber trotzdem bleibt es bei der erforderlichen Eigenkapitalquote. Vorrangig kaufen Leute über 50, die ihr Geld anlegen oder im Alter barrierefrei und stadtnah wohnen wollen.

Eine Konsequenz daraus ist, dass wir zunächst kein neues Projekt angehen können, obwohl sie vorbereitet vorliegen.

Herr Dietze, in ihrer Zeit gab es auch schon hohe Zinsen und zum Beispiel eine Finanzkrise. Trotzdem hat die Baywobau immer gebaut.

Berndt Dietze: Das stimmt, ich habe einige schwierige Zeiten erlebt. Die Finanzkrise hat uns zum Beispiel beim Bau des Hotel de Saxe am Neumarkt kalt erwischt. Aber inzwischen kämpfen Bauträger neben den hohen Bau- und Kreditkosten noch mit weiteren Problemen. Eines davon ist die zunehmende Mentalität in der Stadtverwaltung, viele Projektideen in Vorhaben- und Erschließungsplanverfahren zu drängen. Das ist oft eine Ermessensentscheidung, die auch anders ausfallen könnte. Solch ein Planverfahren bedeutet eine enorm lange Bearbeitungszeit, im schlimmsten Fall waren es bei uns fünf Jahre. Wenn man so lange benötigt, um eine Genehmigung zu bekommen, haben sich viele Marktbedingungen schon verändert.

Wie zum Beispiel, dass statt der von uns vorgesehenen großen Wohnungen in Naußlitz heute kleinere besser finanzierbar wären. Hätten wir dort zwei Jahre eher verkaufen können, wären wir nicht in die Krise geraten. Bestes Beispiel sind unsere Wohnungen, die wir an der Nöthnitzer Straße Ende 2022 fertiggestellt haben. Die waren verkauft, bevor der Rohbau stand.

Was ist mit staatlichen Förderprogrammen?

Andrea Strümpel: Das ist das nächste kritische Stichwort. Die staatliche Förderpolitik ist extrem unzuverlässig geworden, man kann nicht darauf vertrauen, dass es ein Förderprogramm überhaupt im nächsten Monat noch gibt. Wir wollten zum Beispiel in Naußlitz eine Pelletkesselanlage bauen, hätten auch alle Kriterien erfüllt, doch die Förderung brach urplötzlich weg und bei uns blieben Mehrkosten von rund einer Million Euro hängen. Das passiert leider ständig. Und für Kunden ist es wie ein Blick in die Glaskugel. Das verunsichert unsere Kaufinteressenten ohne Ende. Generell sind die Klimaschutz-Anforderungen für Neubauten aktuell so hoch, dass Bauen immer teurer wird. Zu diesen Preisen kann aber keiner mehr kaufen. Es braucht staatliche Unterstützung.

Herr Dietze, welche Projekte hätten Sie gern noch in Ihrer Baywobau-Zeit verwirklicht?

Berndt Dietze: Eindeutig eine der schönsten Wohnanlagen "Die drei Musen von Strehlen." Es ist ein Projekt mit zehn Gebäuden und 93 Wohnungen mit viel Grün. Alle Voraussetzungen für den Verkauf und das Bauen waren gegeben, das große Grundstück ist im Besitz der Baywobau. Der Abbruch der Altgebäude und die Neuplanung sind beendet. Selbst das fünf Jahre dauernde Bauplanungsverfahren war abgeschlossen, es fehlte nur noch unsere Unterschrift unter dem Durchführungsvertrag mit der Stadt. In diesem Vertrag sollte sich die Baywobau verpflichten, das gesamte Bauvorhaben in einer begrenzten, durch das Baugesetzbuch vorgegebenen Zeit umzusetzen, bei Nichterfüllung der Auflagen aber droht Schadenersatz.

In normalen Zeiten hätte man dieses Risiko der Unterschrift eingehen können, nicht aber in Krisenzeiten wie jetzt. Möglich wäre eine Unterschrift dennoch gewesen, hätten wir nicht die gesamte finanzielle Last der Erschließung mit der kostenlosen Übertragung der hergestellten Straßen und Freizeitflächen an die Stadt alleine tragen müssen. Hätte sich die Stadt an den Kosten mit beteiligt, dann hätte man auch mit niedrigeren Verkaufspreisen die Anzahl der notwendigen Verkäufe sichern können. Dennoch kann man sicher sein, sobald sich die Zeiten etwas gebessert haben, wird dieses Bauvorhaben Wirklichkeit.

Wären solche Vorhaben wie der Lahmann-Park heute überhaupt noch umsetzbar?

Berndt Dietze: Mit Bestimmtheit nicht. Schon damals war es schwer, dieses Bauvorhaben aufgrund der ruinösen Bausubstanz zu kalkulieren. Abträglich ist auch die weiterhin bestehende falsch angelegte gesetzliche Denkmalförderung, wo Wohnungen vollständig verkauft werden müssen, bevor überhaupt ein Handschlag gemacht werden kann. Bei der Sanierung der Lahmann-Denkmale stellte sich heraus, dass durch die nicht von vornherein erkennbaren Aufwände, welche nicht in die Preisbildung eingegangen waren, bei weitem die Kaufpreise übertrafen. Diese hohen Verluste, die wir da zu verkraften hatten, wären nicht aufgetreten, wenn wir nicht im Vorfeld mit niedrigeren Preisen hätten verkaufen müssen, sondern erst, wenn wir die Wohnungen in voller Schönheit hätten fertiggestellt hätten, zeigen und dann zu akzeptablen Preisen verkaufen können.

Wie sinnvoll ist aus Ihrer beider Sicht die Vorstellung von künftigen Bauprojekten in der Gestaltungskommission?

Andrea Strümpel: Es ist immer gut, sich von einem Fachgremium ein Urteil einholen zu können und Hinweise zu bekommen.

Berndt Dietze: Das sehe ich genauso. Allerdings darf es das Projekt nicht enorm verzögern. Bei den Wildrosenterrassen hat uns die erneute Vorstellung in der Kommission anderthalb Jahre gekostet.

Herr Dietze, Sie haben vor einigen Jahren Interesse an Bauvorhaben wie der Wiederrichtung des Belvederes auf der Brühlschen Terrasse oder am Aufbau des Hotels Stadt Rom am Neumarkt bekundet. Gilt das noch?

Berndt Dietze: Das Know-how dafür liegt bei uns vor und diesen Traum geben wir nicht auf.

Nach dem Abschied von der Baywobau genießt Berndt Dietze jetzt nur noch den Ruhestand?

Berndt Dietze: Keineswegs. Ich möchte zwei eigene Projekte ins Ziel bringen, die ich schon lange im Auge habe. Das sind 60 Wohnungen und 18 Reihenhäuser in Dresden. Drei Jahre möchte ich noch arbeiten, das ist mein Lebensplan. Zum Glück des Lebens gehört etwas ganz anderes als reich zu werden.