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Dresdner Lingnerschloss: Förderverein stellt Insolvenzantrag

Nun gibt es Gewissheit: Der Förderverein des Dresdner Lingnerschlosses hat einen Insolvenzantrag gestellt. Was das jetzt für den Betrieb bedeutet.

Von Theresa Hellwig & Andreas Weller
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Das Lingnerschloss ist eines der Elbschlösser und das einzige, was regelmäßig für alle zugänglich ist.
Das Lingnerschloss ist eines der Elbschlösser und das einzige, was regelmäßig für alle zugänglich ist. © Robert Michael/dpa

Dresden. Der Förderverein des Dresdner Lingnerschlosses hat einen Insolvenzantrag gestellt. Das teilt die Rechtsanwaltskanzlei „Flöther & Wissing Insolvenzverwaltung“ mit. Lucas Flöther ist vom Dresdner Amtsgericht zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt worden. Im Rahmen des Insolvenzverfahrens wolle sich der Verein neu aufstellen, so die Kanzlei.

Der Geschäftsbetrieb des Vereins gehe im vorläufigen Insolvenzverfahren vollumfänglich weiter, so Lucas Flöther. Alle Veranstaltungen sollen wie geplant stattfinden und auch die Gastronomie bleibe geöffnet. Für drei Monate seien die Löhne und Gehälter der 13 Beschäftigten über das Insolvenzgeld gesichert.

Flöther habe bereits Gespräche mit dem Verein geführt – und mache sich derzeit ein Bild vom wirtschaftlichen Schaden des Vereins. Außerdem habe er eine Prüfung der zur Verfügung stehenden Sanierungsoptionen eingeleitet.

Lingnerschloss-Förderverein hofft auf Vergleich mit Gläubigern

Derzeit bevorzuge der Förderverein die Idee eines Insolvenzplans, bei dem gemeinsam mit den Gläubigern ein Sanierungsplan erarbeitet wird. Dazu gehöre auch eine Art Vergleich mit den Gläubigern.

Lucas Flöther ist einer der bekanntesten Insolvenzverwalter Deutschlands. In Sachsen kümmert er sich derzeit um den Automobilzulieferer PCS Precision Works Germany GmbH in der Lausitz. Zu seinen bekannten Verfahren zählen unter anderen das der Fluggesellschaften Condor und Air Berlin, des Fahrradherstellers Mifa oder der Online-Reiseportals Unister.

Der Lingnerschloss-Förderverein ist, unter anderem durch die Corona-Krise, in eine wirtschaftliche Schieflage geraten. Am 9. November hatte die Stadt Dresden dem Verein den Erbbaurechtsvertrag gekündigt. Der Verein hatte das Schloss 2003 gemietet – und sich zur Sanierung des Gebäudes verpflichtet. Der Verein fordert nun eine Entschädigung von der Stadt. Diese will die Summe jedoch nicht zahlen, so Lucas Flöther. Die Rechtsanwaltskanzlei wolle nun prüfen, ob den Gläubigern so ein Schaden entstanden ist.

So berichtete Sächsische.de am 23.11. über das Thema:

"Wenn der Verein in die Insolvenz gehen muss, ist das Schloss zu", stellt Detlef Streitenberger vom Vereinsvorstand die Situation dar. Dann wäre das Erbe von Odol-Erfinder Karl August Lingner dahin, der 1916 sein Schloss der Stadt Dresden vermachte - mit den Forderungen, dass dieses öffentlich zugänglich bleibe und es eine "Restauration mit billigen Preisen" gibt. Der Förderverein hat aufgrund seiner Schulden die Stadt um Unterstützung gebeten, doch die soll nun nicht wie vom Vorstand erhofft erfolgen.

Der Dresdner Stadtrat hat 2003 beschlossen, das Lingnerschloss in Erbbaupacht dem Förderverein zu überlassen, damit dieser Spenden einwirbt, um das Schloss denkmalgerecht zu sanieren und es kulturell wiederzubeleben. Der Verein musste dafür zusagen, für den Bau am Schloss auf dem Elbhang keine Zuschüsse von der Stadt zu verlangen und 26.800 Euro Pacht pro Jahr zu zahlen.

Lingnerschloss: Stadt zieht Heimfall-Option

Nachdem der Verein in finanzielle Schieflage geraten ist, bat er die Stadt um Hilfe. Diese hat vor wenigen Tagen mitgeteilt, dass sie die Option des sogenannten "Heimfalls" zieht. Das stellt den Verein vor ein Problem. Denn es heißt: Die ausstehenden Pachtzahlungen werden sofort fällig. Die Pacht hat der Verein laut Vorstandsmitglied Ines Eschler seit 2021 nicht zahlen können - es sind also drei Jahrespachten offen, also gut 80.000 Euro. Der Verein prüft derzeit, ob er Insolvenz anmelden muss, das ist laut Eschler noch nicht abgeschlossen.

Eigentlich hatte der Verein mit der Stadt eine andere Absprache, betont Ines Eschler. Das Erbbaurecht und die Betreibung sollten vom Verein an die Stadt rückübertragen werden und die Stadt 700.000 Euro an den Verein zahlen, was den größten Teil der Bankschulden des Vereins abdecken würde. "Alles war auch mit den Gläubigern besprochen", so Eschler. Und so hatte es auch der Stadtrat beschlossen.

Allerdings mit dem Verweis, dass der Stadt kein wirtschaftlicher Nachteil entstehen darf. Vor wenigen Tagen nun hat Baubürgermeister Stephan Kühn (Grüne) mitgeteilt, dass die Stadt die Option Heimfall zieht, eine Zahlung an den Verein sei nicht mehr angedacht.

Verein ist schockiert: "Ehrenamt mit Füßen getreten"

Der Vorstand sei geschockt. "Wir fühlen uns verschaukelt", so Streitenberger. Das führe den Verein wahrscheinlich in die Insolvenz. "Bestehende Strukturen gehen kaputt", so der Vorstand. "Das Ehrenamt wird mit Füßen getreten."

Von den aktuell rund 300 Mitgliedern im Verein arbeiten gut 60 aktiv an der "Bespielung" des Schlosses - von Führungen über Kulturveranstaltungen bis zu Kinovorführungen. 15.000 bis 20.000 Stunden ehrenamtliche Arbeit leisten die Mitglieder laut Vorstand. "Die Stadt überlegt noch, was sie mit dem Schloss machen will", so Streitenberger. Er fürchte, dass es dann nicht mehr, wie in Lingners Vermächtnis gefordert, zugänglich für alle sein wird.

17,5 Millionen Euro Spenden hat der Verein eingeworben und so etwa 90 Prozent der Bausubstanz am und im Lingnerschloss wiederherstellen lassen können. Da der Verein seit 2015 als kreditwürdig eingestuft wurde, hat er auch einige Dinge über Banken finanziert und aktuell rund 900.000 Euro Verbindlichkeiten. Davon hätte man sich quasi mit den 700.000 Euro von der Stadt freikaufen können, so sei es mit der Bank vereinbart gewesen.

Denn die vergangenen Jahre lief es wirtschaftlich nicht mehr so gut für den Verein. Corona-Pandemie, Energiekrise, Inflation, das veränderte Konsumverhalten und allgemeine Verunsicherung hätten dazu geführt, dass die Spenden zurückgegangen sind, die fehlenden Vermietungen für Veranstaltungen haben die Einnahmen des Vereins zudem geschrumpft. Dazu kamen interne Streitigkeiten, die Spender ebenfalls abspringen ließen.

Verein wollte sich neu strukturieren

Aber der Verein plante eigentlich die Auflösung des Vorstands. Man wolle die Arbeit fortsetzen und sich neu aufstellen; im Idealfall, so Eschler, mit der ursprünglich angedachten Lösung, gemeinsam mit der Stadt. Dann könnte der Verein sich auf das Kulturprogramm konzentrieren und die Stadt die Schlosssanierung abschließen.

Um den Stadtrat davon zu überzeugen, haben Detlef Streitenberger und Detlev Puchta im Namen des Vorstandes jetzt einen offenen Brief an die Stadträte geschrieben. In dem ist von einem "Sinneswandel" und einer "plötzlichen Kehrtwende im Rathaus" die Rede, von der man "erschüttert und bitter enttäuscht" ist. Mit dem Brief sollen die Räte überzeugt werden, doch für die andere Lösung zu stimmen. "Wir appellieren deshalb an die Stadtoberen, überdenken Sie bitte Ihre aktuelle Entscheidung und kehren Sie zurück zu den mit dem Förderverein und den Gläubigern ausgehandelten und von den Stadträten bestätigten Vereinbarungen, um eine einvernehmliche Lösung für alle Beteiligten und die Dresdner zu erreichen."

Gastronomie: offene Pachtzahlungen?

Ein Grund für die finanziellen Probleme des Vereins seien laut Eschler aber auch die hohen Kosten für den Umbau des Gastronomie-Ausschanks. Dort seien fast 500.000 Euro investiert worden. "Der Betreiber zahlt aber nicht die erforderliche Miete - es stehen knapp 200.000 Euro aus. Wenn wir die hätten, könnten wir die Pacht bei der Stadt bezahlen und der Heimfall wäre hinfällig."

Der Betreiber ist die Lingnerschloss Betriebs GmbH, Mitgesellschafter Carsten Dietmann, weist das zurück. "Wir zahlen selbstverständlich die vereinbarte Miete. Es gibt weder offene Forderungen noch Rechnungen an uns oder eine Klage."

Transparenz-Hinweis: Die Lingnerschloss Betriebs GmbH hat mehrere Gesellschafter, darunter ist auch der Geschäftsführer der DDV-Mediengruppe, in der unter anderem die Sächsische Zeitung erscheint.