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Dieser Mann kennt jeden Winkel im Dresdner Hotel Bellevue Bilderberg

34 Jahre lang hat Ralf Schneider im Dresdner Hotel mit dem schönsten Blick auf die Altstadtsilhouette gearbeitet. Was der technische Leiter im Devisenhotel und danach erlebte.

Von Kay Haufe
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Seit einem Monat ist Ralf Schneider Rentner. Bald kehrt er noch einmal ins Hotel Bellevue Bilderberg zurück, um die Hochwasserschutzwand mit aufzubauen.
Seit einem Monat ist Ralf Schneider Rentner. Bald kehrt er noch einmal ins Hotel Bellevue Bilderberg zurück, um die Hochwasserschutzwand mit aufzubauen. © Sven Ellger

Dresden. Einen Monat ist es jetzt her und doch fühlt sich Ralf Schneider im Hotel Bellevue Bilderberg noch wie zu Hause. "Wenn man 34 Jahre in einem Haus arbeitet, dann kann man es nicht ablegen, überall mal zu schauen, ob alles läuft", sagt der Mann, der gerade in den Ruhestand gegangen ist. Als technischer Leiter kannte Schneider jeden Gang, jedes Zimmer, die kürzesten Verbindungen im Haus und sämtliche Technikräume im Hotel. Seinen Nachfolger hat der 63-Jährige versucht, so gut es geht, in alles einzuarbeiten. "Das ist Fleißarbeit."

1988, als Schneider im damaligen Devisen-Hotel Bellevue als Haustechniker anfing, war er einer von 750 Mitarbeitern im Haus mit 600 Betten. Um die Gäste aus dem nichtsozialistischen Ausland mit allem zu versorgen, was deren Herz begehrte, gab es im Keller des Hotels nicht nur eine eigene Wäscherei und Blumen-Deko-Abteilung, sondern auch eine Fleischerei und Räucherei. "Da wurden uns halbe Schweine- und Rinderhälften geliefert, aus denen Fleisch- und Wurstprodukte entstanden", erinnert sich Schneider an seine ersten Jahre im 1985 eröffneten Haus an der Elbe.

Bilderberg-Gebäude sollte internationale touristische Standards entsprechen

Die japanische Kajima Corporation hatte das Hotel gebaut, in das auch das barocke Gebäude von den Dresdner Baumeistern George Bähr und Matthias Daniel Pöppelmann integriert war. Mit dem exklusiven Gebäude sollte gezeigt werden, dass es auch in der DDR Häuser gab, die internationalen touristischen Standards entsprachen. Aber natürlich sollten mit dem Hotelbetrieb vor allem frei konvertierbare Währungen erworben werden.

Für Schneider war klar, dass die Belegschaft von Mitarbeitern der Stasi durchsetzt war. "Wie sollte es anders sein" Aber für ihn war das kein Thema. "Ich wollte ins Bellevue, weil dort modernste Haustechnik eingebaut war. Das hat mich gereizt." Dass die Abhörzentralen der Stasi für ihn tabu war - kein Thema. "Wir kannten alle Räume, in denen das passierte."

"Die Westdeutschen haben uns die Bude eingerannt"

Mit der politischen Wende kamen ganz andere Herausforderungen auf den gelernten Instandhaltungsmechaniker zu, der 1992 ein Fernstudium als Maschinenbauingenieur abgeschlossen hat. Von den 70 Haustechnikern blieben nur eine Handvoll übrig. "Der Rest wurde outgesourct." Dabei war die Auslastung des Hotels damals fast immer bei 100 Prozent.

"Die Westdeutschen haben uns die Bude eingerannt", sagt Schneider und muss lachen, wenn er an die Zeit denkt. "Es gab ja nur die drei Interhotels auf der Prager Straße, das Newa, den Dresdner Hof – das spätere Hilton, und uns." Alle kamen nach Dresden, um Verträge abzuschließen, Mitarbeiter zu schulen und, und, und.

Bis 1996/97 hielt diese extreme Auslastung an, blickt Schneider zurück, dann eröffneten weitere Hotels in der Stadt. Für ihn ging es beruflich bergauf, 1994 wurde er der technische Leiter des Bellevue. Dabei musste er zusehen, wie die Belegschaft immer weiter schrumpfte, 1992 waren es gerade noch 350, wenige Jahre später noch 180 Mitarbeiter.

Nach der Wende kamen mehr Touristen nach Dresden

Im Haus selbst wechselte das Publikum. Nach den "wilden Jahren" kurz nach der Wiedervereinigung kamen mehr Touristen, aber parallel dazu nahm die Tagungs- und Konferenztätigkeit immer mehr zu. "Unser Ballsaal bot ursprünglich 220 Gästen Platz, heute sind es 750. Für die nötige Technik musste ich vieles dazulernen."

Nicht allein die Hotelbetreiber wechselten in den 34 Jahren Betriebszugehörigkeit von Ralf Schneider, auch die Ausstattung der Zimmer und Salons veränderte sich. Vor allem das Elbe-Hochwasser 2002 hat dem Technikchef zugesetzt. "Wir haben Barrikaden aus Sandsäcken gebaut, aber letztlich mussten wir zusehen, wie das Wasser unser Hotel geflutet hat." Durch die starke Strömung klatschten die Wellen an die Decke im Kellergeschoss, ein fruchtbares Geräusch, erinnert sich Schneider. "Da stehst Du hilflos da und kannst nichts machen."

Nicht allein das Kellergeschoss wurde danach umgebaut, auch die Zimmer in der sechsmonatigen Schließzeit renoviert. Heute steht vor allem das Thema Nachhaltigkeit und sparsamer Umgang mit Energie im Fokus, weiß Schneider. So hat er die Installation der Photovoltaikanlage auf dem Dach begleitet. "Nach rund sechs Jahren soll sich ihre Anschaffung amortisiert haben."

Im Urlaub geht der erste Blick auf den Fluchtplan

In den Zimmern sind die Klimatisierungen gekoppelt mit einem Fensterkontakt, sodass bei offenem Fenster nicht sinnlos geheizt oder gekühlt wird. Die Mitarbeiter selbst haben zu Hause verschiedene Duschköpfe ausprobiert, die helfen sollen, Wasser zu sparen.

"Der Gast ist die Hauptperson, er soll sich wohlfühlen und dazu habe ich immer gern beigetragen", sagt Schneider. Deshalb hat der technische Leiter regelmäßig selbst Reparaturen in den Zimmern übernommen. "Das Schöne im Hotel ist, dass sich alle als Ansprechpartner für den Gast fühlen."

Inzwischen hat Ralf Schneider räumlich doch schon Abstand gewonnen zum einstigen Arbeitsplatz und selbst Urlaub im Hotel gemacht. Sein erster Blick dort: auf den Fluchtplan. "Ich brauche ein Sicherheitsgefühl und kontrolliere auch, ob alles stimmt, was da steht." Seine Frau verdreht dann nur die Augen.

Anfang Juni wird er noch einmal dienstlich zurückkehren ins Bellevue, wenn die mobile Hochwasserschutzwand aufgebaut wird. "Da muss ich die Kollegen einweisen, das ist keine leichte Übung", sagt er.