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Das Bellevue ist Dresdens grünstes Hotel

Das First-Class-Hotel ist das erste in Dresden, das als nachhaltig zertifiziert wurde. Was heißt das? Wie wird die für ihre Verschwendung bekannte Hotellerie grün?

Von Juliane Just
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Lena Kirsch, Köchin in Ausbildung im Hotel Bilderberg-Bellevue, und Küchenchef Malte Behrmann schneiden Gemüse für das Frühstücksbüfett. Die Nachfrage der Gäste nach vegetarischen Speisen steigt seit Jahren.
Lena Kirsch, Köchin in Ausbildung im Hotel Bilderberg-Bellevue, und Küchenchef Malte Behrmann schneiden Gemüse für das Frühstücksbüfett. Die Nachfrage der Gäste nach vegetarischen Speisen steigt seit Jahren. © Christian Juppe

Dresden. Nur wenige Menschen bringen das Thema Urlaub wahrscheinlich mit Nachhaltigkeit in Verbindung - eher im Gegenteil. Die Hotel-Branche steht sinnbildlich für die weltweite Verschwendung von Ressourcen. Das Bilderberg-Bellevue, direkt an der Elbe gelegen, will das ändern. Das größte Innenstadthotel Dresdens wurde mit dem "Certified Star Award" ausgezeichnet und ist damit zertifiziert grün.

Neun Kategorien beinhaltet das Zertifikat "Green Hotel" vom unabhängigen Prüfinstitut "Certified". Im Bereich Nachhaltigkeit gibt es deutschlandweit circa 15 Institute, die Zertifikate vergeben. Um als "Certified Green Hotel" zu gelten, werden unter anderem die Bereiche Energie, Wasser, Abfall, Essen und Trinken sowie Anreise und Verkehr geprüft.

„Wer mit Nachhaltigkeit nur Papier sparen und einen geringen Stromverbrauch verbindet, der irrt“, berichtigt Till Runte, Geschäftsführer des Prüfinstituts "Certified". Es komme auf den ausgewogenen Dreiklang aus Bioökologie, Ökonomie und sozialen Aspekten an.

Im November 2020 wurden die Kriterien für das Zertifikat verschärft. Das Bellevue ist sachsenweit das erste, deutschlandweit das fünfte Hotel, das diese neuen Kriterien erfüllt. "Langfristig sind wir auf die Nachhaltigkeit angewiesen - als Teil der Tourismusbranche, der Stadtgeschichte und der Gesellschaft", sagt Hoteldirektor Sebastian Klink.

Alexander Hadam (l.), Marketing Manager und Nachhaltigkeitsbeauftragter, und Hoteldirektor Sebastian Klink vorm Eingang des Bellevue.
Alexander Hadam (l.), Marketing Manager und Nachhaltigkeitsbeauftragter, und Hoteldirektor Sebastian Klink vorm Eingang des Bellevue. © Christian Juppe

Im Jahr 2014 begann in dem Unternehmen das Nachdenken darüber, wie das Hotel grüner werden kann. So wurde beispielsweise eine E-Ladesäule auf dem Parkplatz integriert. Ist ein Gast mit einem E-Auto unterwegs, kann er es am Hotel aufladen. Für die Zimmer wurden digitale Tablets angeschafft, die den Papier-Wahnsinn stoppen sollen. Grüne Mülleimer-Einsätze sollen den Gast animieren, die Mülltrennung bereits im Zimmer zu beginnen.

Ohne den Gast geht's nicht

Bei all diesen kleinen Veränderungen wird aber klar: Der Gast muss mitmachen, sonst geht die Rechnung nicht auf. Trennt er den Müll im Zimmer nicht wie vorgesehen, kann das Hotel nichts daran ändern. "Wir sind nicht da, um die Gäste zu erziehen. Wir setzen Impulse und hoffen auf die Adaption im Alltag", erklärt der Hoteldirektor.

Man habe in den vergangenen Jahren gemerkt, dass auch die Gäste immer nachhaltiger handeln, leben und auch reisen. Vor allem im Bereich Ernährung beginnt die grüne Veränderung der Gäste. Als Beispiel nennt er den Skiweltcup, für den jährlich an der Elbe tonnenweise Schnee in Skipisten verwandelt wird. Die Sportler werden im Bellevue verpflegt - und der Unterschied in Sachen Ernährung lässt sich messen: Fünfmal Skiweltcup, fünfmal identische Sportler, fünfmal weniger Fleischverzehr.

Das Hotel bietet regionales und saisonales Essen an, um diesen Trend zu unterstützen. Doch nicht immer wird das angenommen. Im hauseigenen Biergarten "Elbsegler" beispielsweise wird eine vegetarische Alternative zu Currywurst und Pommes geboten. Das Ranking der Sommermonate zeigt aber: Der Gast bleibt lieber bei seinen Klassikern Bier und Currywurst.

Stromfresser im 80er-Jahre-Bau

Eine große Baustelle ist das Thema Energie. Das Gebäude stammt aus den 80er-Jahren, wo energieeffizientes Bauen noch ein Fremdwort war. Das Hotel hat den Energieverbrauch gemessen und sowohl die veraltete Technik der Fahrstühle als auch die der Klimaanlagen als größte Stromfresser ausgemacht. Diese Analyse wurde vom Prüfinstitut lobend hervorgehoben. "Nicht viele Hotels erfassen so detailliert den Verbrauch von Strom und Wärme oder den Umfang von produziertem Abfall", so Till Runte.

Außerdem ist eine Fotovoltaikanlage in Planung, die auf den Flachdächern des Hotels installiert werden soll. Insgesamt wird das 300.000 Euro kosten, 15 Prozent der Energie können eingespart werden. Um den Stromverbrauch zu senken, wurden außerdem sämtliche Lichter im Haus auf LED umgerüstet.

Als die 340 Zimmer inklusive 21 Suiten im Jahr 2020 renoviert wurden, suchte man bewusst nach einer Alternative für die ausgedienten Möbel. Es wurde ein Trödler aus Löbau gefunden, der das Mobiliar für eine Zweitnutzung in Osteuropa übernommen hat. Wiederverwerten statt wegwerfen - einer der Grundpfeiler der Nachhaltigkeit.

Hotellerie als Ausbeuter-Branche?

Die Hotellerie ist als ausbeuterische Branche verschrien, bei der Mitarbeiter rasant ausgetauscht werden. Hier schnitt das Unternehmen laut dem Prüfinstitut sehr gut ab. "Gerade mit Blick auf den allgemeinen Ruf der Hotellerie als schlecht zahlende, ausbeuterische Branche und im Zuge von Corona als unsicher geltendes Berufsfeld geht das Bellevue mit sehr gutem Beispiel voran", so Chef Till Runte. Insgesamt 85 Prozent der Mitarbeiter sind Festangestellte, davon sind 20 Prozent seit Eröffnung des Bellevue-Hotels im Februar 1985 tätig.

Auch das gesellschaftliche Engagement wird für die Zertifizierung als "Green Hotel" bewertet. Das Bellevue unterstützt mehrere soziale Projekte. "Wir müssen auch sehen, wo die Schwachen in unserer Gesellschaft sind", sagt Klink. Wie viele andere Hotels in Dresden kochen die Mitarbeiter der Küche regelmäßig für das Nachtcafé der Diakonie, das in den Wintermonaten Obdachlosen ein warmes Essen ermöglicht. Für jeden Tag, an dem ein Zimmer auf Wunsch des Gastes nicht gereinigt wurde, werden außerdem fünf Euro gespendet. Der Erlös geht ans Umweltzentrum Dresden.

Imker Wolfgang Zell nimmt die Winterbehandlung der 150.000 Bienen auf dem Dach des Dresdner Bellevue-Hotels vor.
Imker Wolfgang Zell nimmt die Winterbehandlung der 150.000 Bienen auf dem Dach des Dresdner Bellevue-Hotels vor. © Christian Juppe

Zu den 101 Beschäftigten innerhalb des Gebäudes kommen etwa 150.000 fleißige Bienen auf dem Dach des Hotels. Fünf Bienenvölker leben seit 2018 dort und produzieren hauseigenen Honig. Damit ist das Unternehmen Bienen-Pate. Der Honig wird beim Frühstücksbuffet serviert und steht außerdem für Gäste zum Verkauf.

Zuständig für die Bienen ist Imker Wolfgang Zell aus dem brandenburgischen Calau. Achtmal pro Jahr reist er nach Dresden, um nach den Bienenvölkern an der Elbe zu sehen, den Honig zu entnehmen und ihn an seinem Wohnort zu schleudern. "Im Sommer ist das ein optimaler Standort für die Bienen", sagt er. Es ist ein weiterer kleiner Schritt zum Erhalt der Flora und Fauna Dresdens - und jeder Schritt zählt.