Dresden. 7.30 Uhr am Sonntagmorgen: Während sich die Dresdner Innenstadt gerade von den ersten warmen Sonnenstrahlen mühsam wecken lässt, wird am Terrassenufer bereits geputzt, gewienert und geräumt. Auf dem Dampfer Leipzig schrubbt Kapitän Lutz Peschel das Deck und poliert alles, was spätestens um 10 Uhr zum Start der Flottenparade glänzen muss. Der Kapitän winkt Servicepersonal und Musiker an Deck.
Seit 43 Jahren ist Peschel an Bord, acht Geschäftsführer hat er kommen und gehen gesehen. Geblieben ist die Liebe der Dresdner zu "ihren" Dampfern: Kurz nach acht Uhr eröffnen die ersten Gäste die Schlangen am Terrassenufer, anderthalb Stunden werden sie dort warten, um die begehrten Plätze für die Flottenparade dann in Beschlag zu nehmen.
Die Konferenz der Kapitäne
Punkt 8.30 Uhr rückt Jochen Haubold zu ersten Mal in den Mittelpunkt. Zusammen mit seinen elf Kapitänen legt er die Choreografie der Flottenparade fest. "Ich stelle den Kapitänen dabei meinen Vorschlag vor, aber der muss noch abgestimmt werden, auch mit der Wasserschutzpolizei. Da ist es wichtig, sich in die Augen zu schauen."
Haubold: "Ich muss mir überlegen, welches Schiff als Erstes ablegt und wie es dann an seine Position kommt. Es ist nicht so wie beim Auto, wo man Gas gibt, dann bremst und parkt." Geht in der Kapitäns-Konferenz gleich alles nach Haubold Wunsch, legen zuerst die Dampfer Rathen, Diesbar und Krippen ab. "Die lassen sich dann langsam fallen und bringen sich in Position."
Danach sollen die Salonschiffe folgen und vorfahren. Wenn diese dann im Wasser "stehen", starten die Dampfer Wehlen, Pirna, Pillnitz und Leipzig. Die legen ab und "lassen langsam sacken". Danach folgt der Dampfer Dresden, der durch das Spalier der wartenden Schiffe fährt. Zum Abschluss legt noch die Meißen ab. Die Dresden fährt dann als Erstes los, die anderen Schiffe folgen - dieses Jahr aufgrund der Bauarbeiten an der Albertbrücke eingefädelt hintereinander.
Widerspruch erntet dieser Plan nur bei den Salonschiffen. "Erst fährt die Cosel, dann der August", heißt es aus der Runde der Kapitäne. Für die beginnt nun allmählich der anspruchsvollste Teil der Parade.
Im Zusammenspiel mit den Maschinisten unter Deck müssen die Strömung der Elbe, die volle Beladung der Schiffe und die Wechselwirkung der in der Strömung stehenden Dampfer zueinander berechnet werden. Bullaugen in Richtung Land und Steuerhilfen am Bug unterstützen. "Wir müssen exakt so schnell sein, wie die Strömung, doch dazu müssen sich alle konzentrieren, es passiert auf engstem Raum", sagt Haubold.
Der schließt mir den Worten: "Punkt zehn Uhr legen wir ab, egal was kommt. Und dann: Formation." Per Funk auf Kanal 11 sollen letzte Absprachen erfolgen, bevor dann gleichzeitig "Signal gegeben" wird.
Haubold selbst ist seit 2004 Teil der Dresdner Weißen Flotte. Angefangen hat der gelernte Kaufmann als Umschüler zum Matrosen der Binnenschifffahrt. "Mein Vater ist selber Kapitän, für seinen Sohn wollte er das nicht", sagt der 43-Jährige. Seit 2011 ist der Quereinsteiger jetzt nautischer Leiter - und Kapitän der Dresdner Dampfschifffahrt.
Musik als Rettungsanker
Während auf der "Leipzig" die letzten Absprachen der Kapitäne mit Haubold noch laufen, bauen auf dem Deck die "Homefield Stompers" ihre Musikinstrumente auf. Die Hamburger spielen "klassischen Blues, fetzigen Dixie und Swing" - und hatten die weiteste Anreise aller Musiker der Flottenparade.
Hans Röhlig ist seit knapp 20 Jahren mit dabei, die Vorfreude auf den Tag mit Musik bis weit in die Nacht hinein steht ihm ins Gesicht geschrieben. "Endlich geht es wieder los. Man merkt, das die Veranstalter wieder Mut gefasst haben." Die letzten zwei von Corona geprägten Jahre seinen eine traurige Zeit gewesen. "Wir haben von den Absagen gelebt", so die launige Antwort des 78-jährigen Hamburgers. Die Profi-Musiker in seiner Truppe seien auf Hartz-IV angewiesen gewesen.
Umso wichtiger ist die Flottenparade: Für die Musiker, für Dresden, aber auch für die Mitarbeiter Sächsischen Dampfschifffahrt. Zum ersten Mal seit Corona startet die Flottenparade zum angestammten Zeitpunkt. Zum ersten Mal seit 2017 sind alle Schiffe auf Hochglanz poliert und einsatzbereit.
Für die Weiße Flotte bedeutet die Flottenparade einen Tag mit voller Auslastung. Bis auf wenige Restkarten war jeder der etwa 2.400 Plätze für die Parade vergeben. Zudem wird nun unter voller Fahrt gefahren - der große Sommerfahrplan steht an.