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Das Hoffen der Dresdner Strebergärtner

Drei Vereine aus Dresden sind beim Sachsen-Wettbewerb um die schönste Anlage im Rennen. Vorhang auf für den Titelverteidiger aus Striesen.

Von Henry Berndt
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Beim Jury-Rundgang im Striesener Kleingartenverein Flora I war viel anerkennendes Nicken zu sehen.
Beim Jury-Rundgang im Striesener Kleingartenverein Flora I war viel anerkennendes Nicken zu sehen. © Christian Juppe

Dresden. Der junge Papa mit dem Söhnchen auf dem Arm am Gartenzaun. Mama pflückt rote und gelbe Johannisbeeren, lässt sie sanft in eine Schale kullern und steckt ab und zu dem Kleinen eine in den Mund. Das muss doch inszeniert sein! Nein, beteuert die junge Familie, sie hätten sich nicht eigens für den Rundgang der Jury so zuckersüß in Position gebracht.

Doch das Bild passt ins Bild: Hier, im Kleingartenverein Flora I in Striesen, ist ziemlich viel perfekt. Die Parzellen gepflegt, aber naturnah. Schon das ist ein Kunststück. Dazu unzählige Pächter, die sich für alle engagieren, statt nur ihre eigenen Beete zu jäten. Kartoffeln, Kunst, Kultur. Hier gibt es alles.

Fast zu süß, um echt zu sein: Kleingarten-Idylle hinter dem Gartenzaun.
Fast zu süß, um echt zu sein: Kleingarten-Idylle hinter dem Gartenzaun. © Christian Juppe

Nicht zufällig wurde die Flora I bereits zweimal Sieger des städtischen Wettbewerbs "Schönste Kleingarten-Anlage". 2017 holte man sogar den Titel im sachsenweiten Wettbewerb. Da dieser nur aller vier Jahre ausgetragen wird, geht die Flora I in diesem Jahr als Titelverteidiger ins Rennen. Außerdem sind aus Dresden die Vorzeige-Anlagen "Höhenluft I" und "Am Tummelsbach" dabei. Der Wettbewerb steht unter der Überschrift "Stadtgrün trifft Ernteglück".

Alle drei Vereine erhielten am Donnerstag Besuch von der Jury, die sich aus Vertretern des sächsischen Landesverbandes der Kleingärtner und des Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie zusammensetzt.

Den Anfang macht die Flora I - und die ist immer noch heiß auf den Titel. Kurz vor 9 Uhr hebt sich an der Bergmannstraße der Vorhang für eine Präsentation mit ausgeklügeltem Drehbuch. Etwa zwei Dutzend Menschen haben sich für den Rundgang versammelt. Der Oberbürgermeister spricht ein paar warme Worte über die atmende Stadt und ihre grünen Leuchttürme, dann übernimmt Vereinschef Sven-Karsten Kaiser das Ruder.

Auch Detlef Thiel (l.), Leiter des Amtes für Stadtgrün und Abfallwirtschaft, und Oberbürgermeister Dirk Hilbert zeigten für ihre grünen Leuchttürme Präsenz.
Auch Detlef Thiel (l.), Leiter des Amtes für Stadtgrün und Abfallwirtschaft, und Oberbürgermeister Dirk Hilbert zeigten für ihre grünen Leuchttürme Präsenz. © Christian Juppe

Der 58-Jährige hat sich fest vorgenommen, innerhalb von zwei Stunden all das zu zeigen, was die Jury womöglich noch nicht weiß - oder schon wieder vergessen hat. Entsprechend nervös wirkt er. Klar, Gärtnern soll Spaß machen. Aber diese Sache hier nimmt er ernst.

Nach dem coronabedingen Rückzug von zwei Bewerbern sind sachsenweit noch neun Vereine dabei. Am Tag zuvor waren die fünf Juroren in Zittau. Am Tag darauf geht es in Leipzig weiter. Ein Marathon mit Fotoapparat im Anschlag.

Zunächst bewegt sich der Pulk in Richtung Parzelle 65. Die sieht noch ziemlich normal aus, aber das soll sich bald ändern. Roland Schwarz, der Direktor der Technischen Sammlungen, stellt ein Projekt zum Klimaschutz vor, das von Wissenschaftlern der TU begleitet wird. In einem Pyrolyse-Ofen soll hier bald Pflanzenkohle hergestellt werden, die CO2 speichert. Die Gärtner können ihre verholzten Abfälle vorbeibringen - und später die gemahlene Kohle in ihren Kompost mischen. Die Juroren wirken beeindruckt. Teilziel erreicht.

Nach zwei Stunden Intensiv-Rundgang hatten die fünf Juroren keine Fragen mehr,
Nach zwei Stunden Intensiv-Rundgang hatten die fünf Juroren keine Fragen mehr, © Christian Juppe

Weiter geht es zum Schulgarten, in dem zur richtigen Zeit fleißige Schüler mit ihren Gießkannen vor dem Wasserhahn Schlange stehen. Die Gitarrenspielerin am Teich, ein paar Ecken weiter, ist aber nun wirklich bestellt und fegt das Image vom piefigen Gartenzwerg-Gärtner mit Deutschlandfahne endgültig hinfort.

Vereinschef Kaiser eilt mit großen Schritten weiter, mahnt wiederholt zum Zusammenbleiben. Immer wieder geht der Blick zur Uhr. Unterwegs werden gleich zwei Tauschschränke passiert, der eine bepflanzt mit Sukkulenten, der andere bemalt von einem Künstler.

Apropos Kunst, die ist in vielen Facetten eng mit der Flora I verwoben. Viele Künstler lassen sich in ihren eigenen Parzellen von der Muse küssen. Auch das Kunsthaus Dresden hat in der Anlage eine Außenstelle etabliert. Die Lauben-Installation ist umgeben von einem Steingarten, der bereits nach einem Jahr in allen Farben erblüht ist. "Das ist wirklich eine Pracht", entfährt es da sogar dem sonst eher zurückhaltenden Chef des Dresdner Kleingärtner-Verbandes, Frank Hoffmann.

Das Kunsthaus Dresden hat in der Flora I eine Außenstelle etabliert. Die anfängliche Skepsis der Kleingärtner ist längst verflogen.
Das Kunsthaus Dresden hat in der Flora I eine Außenstelle etabliert. Die anfängliche Skepsis der Kleingärtner ist längst verflogen. © Christian Juppe

Imker-Lehrpfade, Seniorengarten, Spielplatz, Blumensträuße für Erstklässler, Nasch-Sträucher für Besucher, 38 Minze-Sorten, Parzellenkonzerte, ökologische Teil-Anlage "Aronia" - die Liste an Projekten und Initiativen in der Flora I ist so lang wie die Warteliste potenzieller Pächter.

Am Rande spricht einer der Juroren von einer "durchgestylten" Anlage, ganz anders, als die am Tag zuvor in Zittau, die sich innerhalb kurzer Zeit von dramatischen Hochwasserschäden befreit habe. Worauf diesmal der Schwerpunkt gelegt werde, ließ auch er sich natürlich nicht entlocken.

Auch die "Höhenluft I" und "Am Tummelsbach" können sich berechtigte Hoffnungen auf einen Sieg beim Landeswettbewerb machen. "Der allgemeine Eindruck ist, dass Dresden mit drei leistungsstarken Vereinen angetreten ist", schätzt Udo Seiffert, der die Anlage am "Am Tummelsbach" leitet.

In der Flora I endet der Rundgang der Jury mit alkoholfreiem Sekt und einer Ausstellung von Nachwuchskünstlern. Die Kinder haben sich Früchte als Häuser vorgestellt, in denen sie wohnen. Das könnte in der praktischem Umsetzung ein Ziel für den nächsten Wettbewerb sein. Wo, wenn nicht hier.