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"Diese Leidenschaft für große Fahrzeuge": Deutschlands bester Straßenbahn-Azubi ist Dresdner

Jakob Fischer zog aus der Provinz nach Dresden, um zu studieren. Nach zwei Jahren brach er ab, um seinen Traumberuf zu erlernen. Jetzt ist er Deutschlands bester Nachwuchs-Straßenbahnfahrer.

Von Dirk Hein
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Jakob Fischer hat im August seine Ausbildung zur Fachkraft im Fahrbetrieb bei den Dresdner Verkehrsbetrieben als bundesweit Bester abgeschlossen.
Jakob Fischer hat im August seine Ausbildung zur Fachkraft im Fahrbetrieb bei den Dresdner Verkehrsbetrieben als bundesweit Bester abgeschlossen. © Matthias Rietschel

Dresden. Fragt man Jakob Fischer nach den wichtigsten Grundlagen einer erstklassigen Straßenbahnfahrt, fangen seine Augen an zu leuchten. Urplötzlich geht durch den zurückhaltenden jungen Mann, der mit leiser Stimme freundlich auf Fragen antwortet, ein spürbarer Ruck.

"Wichtig ist, dass man nicht für sich selbst denkt, sondern für alle anderen um einen herum. Im Vergleich zum Pkw haben wir die Augen nicht direkt vor dem Fahrzeug, sondern 500 Meter davor. Wir müssen aufpassen, dass wir keine Kreuzung zustellen, dass wir Kollegen nicht behindern, dass wir im Zweifel schnell noch den Bus vor uns durchlassen", sagt der 24-Jährige.

Jakob Fischer ist Deutschlands bester Nachwuchs-Straßenbahnfahrer. Seine Ausbildung zur Fachkraft im Fahrbetrieb bestand Fischer mit 99 von 100 Punkten. Dazu gehört ein schriftlicher Teil, eine "Kundensituation" - Jakob Fischer musste die fiktive Beschwerde lösen, das Fahrpersonal habe einen Minderjährigen aus dem Bus geworfen - und eine praktische Fahrprüfung.

"Ich wollte eigentlich nur weg aus dem Dorf"

Wirklich vorgezeichnet war dieser Weg für den jungen Mann jedoch nicht. Jakob Fischer kommt aus einem kleinen Dorf an der Ländergrenze zwischen Thüringen, Sachsen und Bayern. "Dort gab es auch Busse - so aller anderthalb Stunden einer", schmunzelt Fischer. Für ihn war eigentlich nur klar: "Ich will weg aus dem Dorf und in eine Großstadt". 2017 zog er daher, gleich nach dem Abitur, nach Dresden, studierte Verkehrsingenieurswesen - und merkte spätestens nach zwei Jahren: "Physik, Mathe, technische Mechanik und sonst was. Eigentlich will ich das gar nicht für meine Zukunft."

Dann kamen zwei Dinge zusammen, die Jakob den Weg zu den DVB ebneten. Zum einen fuhren viele seiner neuen Freunde an der Uni im Nebenjob als Studenten Straßenbahn - und eine alte, längst vergessene Leidenschaft kam wieder auf. "Ich habe als Kind viel mit Straßenbahnen gespielt. Immer wenn wir im Urlaub waren, habe ich den Bahnen hinterhergeschaut. Es war diese Leidenschaft für große Fahrzeuge. Da sitzen Leute in Uniform drin und steuern so ein riesiges Fahrzeug mit der linken Hand."

Jakob Fischer ist Deutschlands bester Nachwuchs-Straßenbahnfahrer.
Jakob Fischer ist Deutschlands bester Nachwuchs-Straßenbahnfahrer. © DVB AG

Jakob Fischer brach sein Studium ab, überbrückte ein Jahr Wartezeit mit Sprachkursen - nur um dann als Azubi ein weiteres Jahr lang lernen zu müssen, bevor er das erste Mal hinter ein Straßenbahn-Steuer durfte. "Ich war eingeschüchtert, ich wusste ja wie groß und schwer die Bahnen sind. Als die Bahn das erste Mal anschob, dass vergesse ich nicht. Es ist noch immer ein Respekt vor der Technik da, wir dürfen nie vergessen, was wir da gerade machen."

Was Jakob Fischer zum Klassenbesten macht

Mittlerweile ist Fischer fest im Fahrbetrieb eingeplant und genießt seinen Traumjob besonders am frühen Morgen. "Der Sonnenaufgang bei einer Fahrt über die Augustusbrücke ist unvergleichbar. Ich liebe es, wenn die Stadt langsam erwacht - oder die abendlichen Fahrten vorbei an Striezelmarkt. Es ist ein Traumberuf."

Was ihn dabei zum bundesweit besten Nachwuchsfahrer macht? "Für die optimale Fahrt ist wichtig, das man als Fahrer selbst entspannt ist, ich darf mich von keinem anderen Verkehrsteilnehmer ärgern lassen, man darf nicht zu sehr am Fahrplan hängen, ohne ihn aus dem Blick zu verlieren. Wichtig ist es, sanft anzufahren, vorausschauend zu fahren, man lernt jeden Tag dazu."

"Ich bin unheimlich stolz auf diese jungen Menschen"

Insgesamt erhalten gerade 183 junge Leute ihre Berufsausbildung bei den DVB. Davon sind 108 direkt bei den DVB angestellt, 33 werden als Berufskraftfahrer für das Tochterunternehmen Dresdner Verkehrsservice (DVS) ausgebildet und weitere 42 in verschiedenen Berufen für Unternehmen im Ausbildungsverband. Bei der Sachsen-Energie werden 171 junge Menschen ausgebildet.

Die jungen Leute verdienen laut Personal-Vorstand Lars Seiffert am Anfang ihrer Ausbildung 1.200 Euro, gegen Ende 1.400 Euro. "Für uns ist das gut investiertes Geld. Ich habe als Quereinsteiger bei den DVB angefangen und hatte lange Zeit den Eindruck, so richtig mitreden kann ich nicht."

Neben Jakob Fischer haben DVB und Sachsen-Energie weitere Top-Azubis ausgebildet. So wurden auch Erik Andersch (Mechatroniker, Sachsen-Energie) und Emil Haufe (Elektroniker, Sachsen-Energie) als Kammerbeste geehrt. Erik Andersch wurde zudem Landesbester in seinem Beruf. Mit Rick Engelmann kommt der bundesweit zweitplatzierte Nachwuchsfahrer für Straßenbahnen ebenfalls von den DVB. "Ich bin unheimlich stolz auf diese ehrgeizigen jungen Menschen", so Seiffert, der als Personal-Vorstand für beide Unternehmen zuständig ist.

Die DVB-Azubis Jakob Fischer und Rick Engelmann sowie Erik Andersch und Emil Haufe (v. l.) von der Sachsen-Energie wurden als jahrgangsbeste Azubis ausgezeichnet.
Die DVB-Azubis Jakob Fischer und Rick Engelmann sowie Erik Andersch und Emil Haufe (v. l.) von der Sachsen-Energie wurden als jahrgangsbeste Azubis ausgezeichnet. © Matthias Rietschel
Jakob Fischer schloss seine Prüfung mit 99 von 100 Punkten ab. Kein Azubi im ganzen Land war besser.
Jakob Fischer schloss seine Prüfung mit 99 von 100 Punkten ab. Kein Azubi im ganzen Land war besser. © Matthias Rietschel

Wie es für den Straßenbahn-Azubi weitergeht

Ehrgeizig will Jakob Fischer weiterhin bleiben. Er möchte sich zum Verkehrsmeister qualifizieren und hat ein Bestenförderungsstipendium der IHK in Aussicht. Schon nächstes Jahr will er den Busführerschein machen. Rückblickend war der Weg, so sagt es der 24-Jährige schmunzelnd, irgendwie dann doch vorgezeichnet.

Da war die frühe Liebe zu Straßenbahnen - und eine Situation im Kindergarten. Auf die Frage, ob er wie sein Vater Unfallchirurg werden möchte, antwortete der kleine Knirps damals: "Ne, ich will lieber was Richtiges lernen."