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Stollenmädchen: "Darum will ich Bäckerin werden"

Tiere hätten sie interessiert, Kunst und Architektur auch. Nun knetet die 17-jährige Lisa Zink stattdessen Stollenteig - und bekleidet dazu seit Kurzem ein hohes Amt.

Von Henry Berndt
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Stollenmädchen Lisa Zink macht ihre Ausbildung in der Feinbäckerei Hentschel in Dresden.
Stollenmädchen Lisa Zink macht ihre Ausbildung in der Feinbäckerei Hentschel in Dresden. © Sven Ellger

Dresden. Seit einer Woche herrscht in der Feinbäckerei Hentschel am Hepkeplatz in Striesen Ausnahmezustand. Die Stollensaison hat begonnen und täglich werden nun rund 300 Stück geknetet, gebacken, gebuttert und gepudert. Vor fünf Jahren übernahm Bäckermeister Andreas Kröber die 1921 gegründete Traditonsbäckerei und bemühte sich sogleich um das Stollensiegel. Mehr Mühe als gewünscht kostete ihn - wie alle Bäcker und Konditoren - mitunter die Gewinnung von Nachwuchs für die Backstube. Wenngleich die Zahl der Bäckerei-Ausbildenden in Dresden zuletzt leicht gestiegen ist, hat der Beruf bei jungen Leute einen schwierigen Stand. Mitten in der Nacht aufzustehen und körperlich schwer zu arbeiten, das schreckt viele ab.

Die 17-jährige Dresdnerin Lisa Zink hat sich bewusst für eine Ausbildung zur Bäckerin entschieden. Zum Lohn wurde sie nun im zweiten Lehrjahr prompt zum 27. Dresdner Stollenmädchen gekürt.

Bäckermeister Andreas Kröber hält große Stücke auf seine Auszubildende.
Bäckermeister Andreas Kröber hält große Stücke auf seine Auszubildende. © Sven Ellger

Frank Zink, haben Sie schon erste Fans?

Ja, tatsächlich sind schon zwei Briefe mit Autogrammwünschen bei mir angekommen. Das hat mich wirklich gefreut. Allerdings sind die Autogrammkarten noch gar nicht da, deswegen müssen sich die Schreiber noch ein bisschen gedulden.

Haben Sie als Stollenmädchen überhaupt noch Zeit für die Arbeit in der Backstube?

Ja, das lässt sich ganz gut miteinander vereinbaren. Ich bin froh, dass mein Chef da viel Verständnis hat und mir die Freiräume gibt. Ich glaube, er ist aber auch ein bisschen stolz, dass das Stollenmädchen ein Teil seines Teams ist.

War es nach der Schule Ihr erster Gedanke, Bäckerin zu werden?

Nein, das wäre gelogen. Ich hatte viele Ideen und habe lange hin und her überlegt. Ich hätte mir gut vorstellen können, Tierpflegerin zu werden, aber auch Kunst und Architektur haben mich interessiert. Bei einer Messe bin ich dann auf den Bereich Bäcker und Konditor aufmerksam geworden und wollte eigentlich Konditorin werden. Da es dafür aber zunächst nicht gereicht hat, habe ich mich für die Bäckerei-Ausbildung beworben.

Was hat sie am Konditoren-Handwerk gereizt?

Einerseits backe ich gern mit meiner Mutter zu Hause Kuchen. Andererseits liebe ich das kreative Gestalten und hätte mir gut vorstellen können, tolle Torten zu kreieren. Nachdem ich nun die Arbeit in der Bäckerei kennengelernt habe, bin ich mir aber gar nicht mehr sicher, ob meine Zukunft nicht doch in der Backstube liegt. Das erste Jahr der Ausbildung war sowieso identisch.

Was haben Ihre Freunde gesagt, als sie von Ihrer Ausbildung hörten?

Die waren erst einmal überrascht, weil sie sich gar nicht vorstellen können, so früh aufzustehen. Für mich ist das aber kein Problem. Ich bin kein Morgenmuffel und wenn der Wecker klingelt, dann bin ich ziemlich schnell bereit.

Wann geht es denn morgens los?

Weil ich unter 18 bin, beginne ich erst 3 Uhr. Die anderen starten 2 Uhr. Aus dem Haus gehe ich meist halb drei. Im Vergleich zu anderen Bäckereien geht das sogar noch. Dort gibt es richtige Nachtdienste. Gegen Mittag habe ich meist Feierabend und gehe abends gegen 21 Uhr schlafen.

Um diese Zeit treffen sich doch sicher erst Ihre Freunde. Befürchten Sie nicht, etwas zu verpassen?

Nein, ich bin sowieso nicht der Typ dafür, abends groß auszugehen. Wenn ich mich mit Freunden treffen möchte, dann mache ich das meist am Wochenende, wobei ich natürlich manchmal auch samstags und sonntags Dienst habe.

Ihre Vor-Vorgängerin als Stollenmädchen hat ihre Konditoren-Ausbildung im zweiten Lehrjahr abgebrochen. Könnte das bei Ihnen auch drohen?

Nein, das halte ich für ausgeschlossen. Mir macht die Arbeit hier sehr viel Spaß und das Team ist einfach klasse. Ich will ganz viel lernen, wie ein Teig richtig riecht, zieht und klingt und irgendwann auch meinen Meister machen. Jetzt freue ich mich aber erst einmal auf die heiße Stollensaison.

Das dürfte kein Zuckerschlecken werden.

Das wird auf jeden Fall eine Herausforderung, aber eine, die ich unbedingt kennenlernen und meistern will. Im vergangenen Jahr ging es wegen der Einschränkungen in der Corona-Krise etwas ruhiger zu. Dieses Jahr wird das anders. Seit Anfang November steht das Telefon für die Bestellungen nicht mehr still.

Sind Sie in der Stollenproduktion schon voll mit eingebunden?

Ja, ich kann alle Stationen übernehmen, vom Abwiegen des Teiges über das In-Form-Bringen und Buttern bis zum Bestreuen mit Zucker.

Würden Sie sich schon als Stollen-Expertin bezeichnen?

Das sicher nicht, aber immerhin durfte ich als Stollenmädchen vergangene Woche schon mal bei der offiziellen Stollenprüfung dabei sein und einen eigenen Bogen mit Bewertungen ausfüllen. Es ist unheimlich spannend, zu erleben, wie jeder Bäcker trotz der strengen Kriterien seine eigene Note einbringt.

Es heißt, wenn ein Stollen bricht, dann bringe das Unglück. Wie steht's um Ihre Zukunft?

Die sieht bislang gut aus. Glücklicherweise ist mir auch noch keiner heruntergefallen.