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Die Olympische Flamme kommt nach Dresden

Einmal ist das olympische Feuer auch durch Dresden getragen worden. Das war vor 85 Jahren, in einer dunklen Zeit.

Von Ralf Hübner
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Das Olympische Feuer 1936 an der Augustusbrücke vor barocker Stadtkulisse auf dem Weg nach Berlin.
Das Olympische Feuer 1936 an der Augustusbrücke vor barocker Stadtkulisse auf dem Weg nach Berlin. © ullstein bild

Dresden. Die Olympioniken kämpfen derzeit in Tokio um Medaillen. Die olympische Flamme war jedoch schon am 20. März vergangenen Jahres in Japan angekommen, nachdem sie in Griechenland im antiken Olympia entzündet und im Panathenäischen Stadion übergeben worden war. Doch durch die Verschiebung der Spiele um ein Jahr musste sie im Olympischen Museum in Tokio aufbewahrt werden. Der Fackellauf selbst ist eine Erfindung der Nazis, die ihn vor den Olympischen Spielen von Berlin 1936 das erste Mal zelebrierten. Am 31. Juli erreichte die olympische Flamme damals Dresden. Das war vor 85 Jahren.

Das Ereignis erschien bei den Dresdner Tageszeitungen groß auf Seite eins. „Die olympische Flamme begeistert Dresden“, titelten die Dresdner Nachrichten. Rund 100.000 Menschen sollen auf den Beinen gewesen sein. Gegen Mittag hatte die Flamme die sächsisch-tschechische Grenze bei Hellendorf erreicht, wo zwölf Uhr der Turner Paul Goldammer die Fackel übernahm und Nazi-Größen Reden hielten. Die Läufer passierten Berggießhübel und Pirna und erreichten am Nachmittag gegen 16.45 Uhr die Dresdner Stadtgrenze.

Feuer ist nur wenige Stunden in Dresden

Den großen Empfang gab es am Königsufer, ein bei den Nazis beliebter Kundgebungsort. Die Zeitung berichtete von überfüllten Straßenbahnen und Bussen, von „freudig-erwartungsvollen“ Menschen an den Straßen. „Gefolgschaften“ ganzer Betriebe seien erschienen, Dienststellen der Behörden hätten eher geschlossen. Oberbürgermeister Ernst Zörner hielt eine Rede, mit den üblichen Sieg-Heil-Rufen. Nach dem Deutschland- und Horst-Wessel-Lied wurde die Flamme nach einer Stunde wieder verabschiedet. Gegen 22.20 Uhr verließ sie Sachsen.

Die Nazis hatten die XI. Olympischen Spiele 1936 von der Weimarer Republik praktisch geerbt. 1931 hatte sich das Internationale Olympische Komitee (IOC) für Berlin als Austragungsort entschieden. Vor allem Propagandaminister Joseph Goebbels hatte rasch verstanden, welch gute Gelegenheit die Spiele boten, Deutschland in der Welt gut aussehen zu lassen. Unter der Leitung von Goebbels, Carl Diem und Reichssportführer Hans von Tschammer und Osten wurden die Spiele nahezu perfekt vorbereitet: Antisemitische Parolen verschwanden aus dem Stadtbild, Hetze gegen Juden war für die Dauer der Spiele auch in den Medien verboten.

Von Carl Diem soll die Idee für den Fackellauf gekommen sein. 1934 hatte das IOC die Zustimmung gegeben. Das Feuer wurde im Heiligen Hain des antiken Olympia mittels eines Brennglases entfacht und legte dann 3.187 Kilometer auf seinem Weg nach Berlin zurück. Weit mehr als 3.000 Läufer trugen es durch sieben Länder, ehe die Fackel am 1. August 1936 das Olympische Feuer im Berliner Olympiastadion entzündete.

Königsufer als Silhouette

Das Dresdner Königsufer zwischen Rosengarten und Marienbrücke war bis 1936 weitgehend fertiggestellt worden. Auf dem Platz vor dem Finanzministerium, wo die Nazis einst Kundgebungen abhielten, genießen jetzt während des Sommers Cineasten die Filmnächte am Elbufer. Die Anlage gilt trotz der Belastungen aus der Vergangenheit als eine bedeutende städtebaulich-gartengestalterische Leistung der 1930er-Jahre in Dresden.

Am Neustädter Ufer sollte zur barocken Silhouette auf der Altstädter Seite des Flusses ein Pendant entstehen. Schon 1910 gab es einen Wettbewerb. Doch erst Anfang der 1930er-Jahre rückte das Areal unter Stadtbaurat Paul Wolf mehr in das öffentliche Interesse. Stadtgartendirektor Heinrich Balke entwarf eine grüne Landschaft zum Erholen mit Freitreppen, Pavillons und Plastiken zwischen Staudenanlagen und Bäumen. Treppenanlagen sollten das ansteigende Terrain in Szene setzen.

Als 1933 die Nationalsozialisten an die Macht kamen, machte NS-Oberbürgermeister Ernst Zörner aus dem Projekt eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Auf etwa zwei Kilometern Länge entstand weitgehend nach den Plänen Balkes ein Grünzug, um NS-typische Plätze für Aufmärsche und Kundgebungen ergänzt.

Auch die damaligen Machthaber wussten um den Reiz von Veranstaltungen vor der Altstadtkulisse. So entstand vor dem Finanzministerium jene Freilichtbühne mit Sitzreihen und einem steinernen Rednerpult, flankiert von wuchtigen Unterbauten für Fahnenmasten. Neben der Augustusbrücke war ein Ensemble mit einem Ehrenmal für die Opfer des Ersten Weltkrieges und ein gigantisches Mahnmal des „nationalen Aufbruchs“ geplant, das jedoch nie gebaut wurde.