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Dresdner Dixieland-Festival zwischen Swing und Ostalgie

Mit mehr Swing und besonderen musikalischen Experimenten wollte das 51. Internationale Dixieland-Festival in Dresden sich in diesem Jahr verjüngen. Ist das gelungen?

Von Dominique Bielmeier
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Jazz in der Innenstadt: Am Sonntagnachmittag zog die Dixieparade durch Dresden - der Abschluss eines erfolgreichen Dixieland-Festivals, das auf Verjüngung gesetzt hatte.
Jazz in der Innenstadt: Am Sonntagnachmittag zog die Dixieparade durch Dresden - der Abschluss eines erfolgreichen Dixieland-Festivals, das auf Verjüngung gesetzt hatte. © Sven Ellger

Dresden. Die Innenstadt rund um den Schlossplatz ist am Sonntag so voll wie wahrscheinlich lange nicht. Bei lange ersehntem Sonnenschein ist um kurz vor 16 Uhr jede Fläche, die man als Sitzplatz interpretieren kann – die Stufen zur Brühlschen Terrasse, zur Hofkirche und sogar die rund um das Denkmal "Friedrich August dem Gerechten" – mit Menschen belegt.

Hier soll gleich die Dixie-Parade vorbeikommen, anders als früher macht sie nicht die große Runde am Italienischen Dörfchen und der Semperoper vorbei, sondern fährt – von der Carolabrücke kommend – links die Rampe zum Schlossplatz hoch und am Fürstenzug vorbei zum großen Finale auf dem Neumarkt. "Wir dürfen die Straßenbahn nicht tangieren, das wäre teuer geworden", erklärt ein Moderator über Lautsprecher. Dieser Teil des Dixieland-Festivals soll doch unbedingt eintrittsfrei bleiben.

Wer nicht sitzend ausharrt, der hat sich einen Stehplatz mit guter Aussicht gesucht, auf dem "Balkon Europas" oder rechts und links des Terrassenufers, möglichst weit vorne, damit auf den Videos keine störenden Köpfe oder andere gezückte Handys zu sehen sind. Bunte Strohhüte und Cappies schützen vor der Sonne, T-Shirts mit den Aufdrucken "Dixie" oder "Unser Mississippi heißt Elbe" zeigen die Begeisterung des größtenteils etwas älteren Publikums. Doch auch ein paar Familien mit Kindern sind darunter.

"Elektro meets Dixie" beim Dixieland-Festival wird zum Erfolg

Immerhin wollte das Festival, das bereits sein 51. Jahr erlebt, sich in diesem Jahr unter neuer, fünfköpfiger Führung verjüngen. Dem internationalen "Retro-Trend", dass immer mehr Menschen zu Dixie- und vor allem Swingmusik tanzen, wolle man folgen, hatte Klaus-Georg Eulitz, musikalischer Leiter des Festivals und selbst Musiker der Blue Wonder Jazz Band, vorab erklärt. Deshalb sollte in diesem Jahr unter anderem mehr Swing gespielt werden, zum Beispiel beim Dixie-Pub im Alten Schlachthof an Himmelfahrt.

Ein besonders junges Publikum wollte "Elektro meets Dixie" im Kulturkraftwerk Mitte am Samstagabend anziehen, eine Kombination aus Swingmusik (Michael Winkler und Freunde), Elektrobeats (DJ Ekki alias Ekkehart Garten) und Tanz (Elektro-Swing Dancer). Ist die Fusion gelungen?

Besucher, die dort waren, schwärmen von dem musikalischen Experiment, das man von Dixieland so gar nicht gekannt habe bisher, vom Groove und den besonderen Arrangements und Mixes bekannter Jazzklassiker. Getanzt wurde lange und ausgiebig, nicht zuletzt, weil viele Tänzerinnen und Tänzer aus der Dresdner Swingszene vor Ort waren.

Die Dixieland-Parade 2023 in Dresden in Bildern:

Ein Dutzend "Bilder" zog bei der Dixieparade am Sonntagnachmittag durch die Dresdner Innenstadt, etwa die Hälfte davon mit Musikern wie der Big Easy Brassband aus den Niederlanden, die auf einem Stadtführungsbus spielten.
Ein Dutzend "Bilder" zog bei der Dixieparade am Sonntagnachmittag durch die Dresdner Innenstadt, etwa die Hälfte davon mit Musikern wie der Big Easy Brassband aus den Niederlanden, die auf einem Stadtführungsbus spielten. © Sven Ellger
Ein Hingucker waren historische Fahrräder wie dieses Hochrad mit besonders großem Vorderrad.
Ein Hingucker waren historische Fahrräder wie dieses Hochrad mit besonders großem Vorderrad. © Sven Ellger
Schwitzen mussten vor allem Darsteller in historischen Kostümen.
Schwitzen mussten vor allem Darsteller in historischen Kostümen. © Sven Ellger
(N)Ostalgie fehlte nicht bei der Dixieparade am Sonntag: Den Zug führte die „Volkspolizei“ an.
(N)Ostalgie fehlte nicht bei der Dixieparade am Sonntag: Den Zug führte die „Volkspolizei“ an. © Sven Ellger
Bei der Olsenbande war wohl etwas schief gelaufen - das Publikum aber freute sich über die bekannten Fernsehhelden.
Bei der Olsenbande war wohl etwas schief gelaufen - das Publikum aber freute sich über die bekannten Fernsehhelden. © Sven Ellger
Viele Besucher wählten den erhöhten Ausblick von der Brühlschen Terrasse.
Viele Besucher wählten den erhöhten Ausblick von der Brühlschen Terrasse. © Sven Ellger
Die Parade - wie das gesamte einwöchige Festival - hatten für viel Begeisterung bei den rund 340.000 Besuchern gesorgt.
Die Parade - wie das gesamte einwöchige Festival - hatten für viel Begeisterung bei den rund 340.000 Besuchern gesorgt. © Sven Ellger

Diese waren schon zuvor beim Konzert der Inkspot Swingband aus dem thüringischen Zeulenroda zahlreich und bewegungsfreudig vertreten und bewiesen zur Begeisterung vieler Zuschauer auf der Brühlschen Terrasse, dass Swingtanzen so sehr zur Musik gehört wie der Applaus nach den Soli. Ganz nebenbei lernten immerhin diese von den Tänzern, was dem deutschen Publikum auch nach über 50 Jahren Dixieland offenbar noch nicht auszutreiben war: Geklatscht wird zu dieser Art von Musik auf zwei und vier statt auf eins und drei.

Die gewünschte Verjüngung konnte man also durchaus spüren. Auch bei der Auswahl der Bands wollte Eulitz "die kommende Generation von Musikerinnen und Musikern auf die Bühnen bringen", was unter anderem mit The Fried Seven aus den Niederlanden, Swing'it aus Norwegen, Streetview Dixieclub aus Österreich und Rivertown Dixies aus Flöha gelungen sei.

Nostalgie und Ostalgie bei der Dixieland-Parade - und ein Müllauto

Aus neun Nationen stammten die 38 Bands sowie Solisten und weiteren Mitwirkenden des internationalen Festivals in diesem Jahr und sie spielten noch häufiger als früher unter freiem Himmel und etwa die Hälfte der Zeit eintrittsfrei für das Publikum. So zum Beispiel bei der großen Parade entlang des Terrassenufers.

Diese setzt sich am Sonntagnachmittag mit etwas Verspätung in Bewegung und wird (nach den echten Beamten) angeführt von einem Auto der Volkspolizei, das zahlreich fotografiert wird. Nicht der einzige Ostalgie-Moment, denn auch die Olsenbande fehlt nicht – diese wirbt für ein Stück am Boulevardtheater –, ein Trabant Kübel in Tarngrün ist genauso dabei wie ein alter Volvo, der gleich wie eine Staatskarosse mit DDR-Fähnchen auffährt.

Neben Ostalgie gibt es aber noch mehr Gestrigkeit zu bestaunen, vor allem beeindruckende historische Fahrräder und immer wieder Oldtimer gefahren von ihren stolz winkenden Besitzern.

Nur alle paar Fahrzeuge sind auch tatsächlich Musiker an Bord, sodass man sich zeitweise eher in einer Autoshow wähnt als bei einer Dixieparade. Immerhin tut das der Musik gut, die sich so im Zug nicht überlagert, aber auch nur alle paar Minuten überhaupt gut zu hören ist.

Nur schwer ins Bild passen schließlich die neuen Elektroautos von DHL und ein riesiger Lkw der Stadtreinigung, die Teil der Parade sind und sich nicht etwa versehentlich eingereiht haben. Eine Besucherin in erster Reihe verteidigt das orange Monster aber sogleich: Immerhin müssten die Leute von der Stadtreinigung ja am Ende von einer Woche Dixieland auch den ganzen Müll der Leute wegmachen. (mit SZ/up)