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Parkeisenbahn: Schwere Vorwürfe gegen die Chefs

Betreiber Schlösserland behauptet, ein Mitglied des Bahn-Vereins habe sich falsch gegenüber einem Kind verhalten. Der Verein wehrt sich gegen die Konsequenzen.

Von Tobias Wolf & Nora Domschke & Sandro Pohl-Rahrisch
 5 Min.
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Der Parkeisenbahn-Verein sieht die Zukunft der Bahn mit Sorge.
Der Parkeisenbahn-Verein sieht die Zukunft der Bahn mit Sorge. © Arno Burgi/dpa (Symbolbild)

Dresden. Zwischen dem Schlösserland Sachsen und dem Förderverein Dresdner Parkeisenbahn kommt es zum offenen Streit: Die Ehrenamtlichen wehren sich gegen den Umgang mit einem Mitarbeiter, gegen den die Geschäftsleitung des staatlichen Schlösserbetriebs öffentlich Vorwürfe erhoben hat und dessen Arbeitsverhältnis sie am Montag offenbar fristlos beendete. Der Mitarbeiter soll gegenüber einem Kind Grenzen verletzt haben.

Im Verein sei man stinksauer auf Schlösser-Chef Christian Striefler, heißt es nun. Der Verein, der die Kinder- und Jugendarbeit bei der Parkeisenbahn koordiniert und das Fahrpersonal stellt, sprach am Donnerstag sogar davon, dass das größte Angebot für Kinder und Jugendliche in der Landeshauptstadt in großer Gefahr sei. Vorschnell und völlig überzogen habe die Geschäftsleitung gehandelt, so der Tenor.

Die Bahn wird hauptsächlich von Kindern und von Ehrenamtlichen betrieben, die oft neben ihrem Hauptberuf einer geringfügigen Beschäftigung als Lokführer oder Bahnhofsleiter nachgehen. Deren Engagement setze der Schlösserbetrieb demnach aufs Spiel. Der Betrieb hatte angekündigt, die Zusammenarbeit mit dem Verein überprüfen zu wollen.

Der Ärger ist so groß, dass der ansonsten eher zurückhaltende Verein am Donnerstag eine Pressemitteilung herausgab, um den Aussagen des Staatsbetriebs zu widersprechen.Der Vereinsvorstand sei erst am Montag, eine Stunde vor der erstmaligen Information des Beschuldigten über den Sachverhalt und die Entscheidung in Kenntnis gesetzt worden, heißt es von den Parkeisenbahnern. Die Entscheidung, den betroffenen Mitarbeiter zu entlassen, sei dagegen schon am 2. September durch die Schlösserland-Geschäftsführung getroffen worden. „Der Förderverein Dresdner Parkeisenbahn e.V. lehnt das Zustandekommen der Entscheidung wegen des groben Verstoßes gegen das Kinderschutzkonzept ab und distanziert sich hiermit deutlich von der getroffenen Entscheidung.“ Was für Konsequenzen in der Zusammenarbeit mit Schlösserland daraus gezogen werden und wie es nun mit der Parkeisenbahn weitergeht, ließ der Verein zunächst offen.

Kein sexueller Missbrauch

Der Streit hatte am Montag seinen Lauf genommen: Schlösserland hatte den geringfügig Beschäftigten suspendiert. Der Staatsbetrieb wirft ihm vor, Grenzen gegenüber einem minderjährigen Parkeisenbahner verletzt zu haben. Was genau vorfiel, will Schlösserland jedoch auch auf mehrfache Nachfrage nicht sagen. Nur, dass es um auffälliges Verhalten und auffällige Handlungen gehe, die es erstmals im Juni 2019 gegeben haben soll. Der Mitarbeiter ist auch Mitglied im Förderverein.

Ausdrücklich handle es sich bei den Beobachtungen nicht um sexuellen Missbrauch, räumt Schlösserland ein. Auch deshalb wurde die Polizei in den Fall nicht einbezogen. Aufgrund des Kinderschutzkonzeptes, das nach dem Missbrauchsskandal 2016 erarbeitet wurde, habe man sich im Sinne der darin verankerten Null-Toleranz-Politik entschieden, den Mitarbeiter zu suspendieren, hieß es. Ihm sei zuvor die Möglichkeit gegeben worden, sich umfassend zu den Vorwürfen zu äußern, teilte Schlösserland-Sprecher Uli Kretzschmar auf SZ-Anfrage mit. Eine Weiterbeschäftigung sei nicht mehr möglich gewesen. Der Förderverein widerspricht: Der Betroffene habe keine Möglichkeit bekommen, sich zu äußern. Stattdessen sei er vor vollendete Tatsachen gestellt worden.

Der Begriff der Grenzverletzung ist problematisch: Eine solche kann etwa auch vorliegen, wenn sich die Mitarbeiter von Kindern duzen oder mit ihrem Spitznamen ansprechen lassen. Das Problem: Im Verein sagt man „Du“, im Betrieb am Bahnsteig „Sie“. Das zu unterscheiden dürfte sowohl Kindern als auch Erwachsenen schwerfallen. Auf den Fuß treten, eine versehentliche beiläufige Berührung, das Auflegen der Hand auf die Schulter als Ermutigung oder Ähnliches gelten ebenfalls als mögliche Grenzverletzungen. In diesem Bereich sollen die vorgeworfenen Grenzüberschreitungen nach SZ-Informationen liegen.

"Unprofessionelle Entscheidung"

Offenbar wolle Geschäftsführer Christian Striefler sich nicht noch einmal vorwerfen lassen, die Parkeisenbahn vertusche Vorfälle, ist zu hören. Mit den Vorgängen vertraute Kreise teilen diese Einschätzung. Der Förderverein der Bahn bezeichnet die Suspendierung als „unprofessionelle Entscheidung“. Bei der Bewertung des Falls seien das Kinderschutzkonzept und deren Handlungsleitfäden nicht beachtet worden, so der Vorwurf an das Schlösserland. „Die gegenseitige Reflexion, Bewertung und gemeinsame Auswertung von beobachteten Grenzverletzungen, sowie die Ableitung von etwaigen Maßnahmen sind wichtiger Bestandteil der Kinder- und Jugendarbeit und im entsprechenden Handlungsleitfaden verankert.“ Das Thema Nähe und Distanz zwischen Mitarbeitern und Minderjährigen sei nicht immer einfach, so der Verein. Gerade deshalb sei es wichtig, mit allen Beteiligten Gespräche zu führen und alle notwendigen Informationen zu dokumentieren. Darauf aufbauend schätze ein internes Beschwerdeteam die Gesamtsituation ein und lege Konsequenzen fest.

Kind nahm keinen Übergriff wahr

Im vorliegenden Fall führten die von der erst neu bei der Parkeisenbahn tätigen Sozialpädagogin zusammengetragenen Beobachtungen direkt zur Kündigung des Mitarbeiters und Vereinsmitgliedes“, so der Verein weiter. Andere Beteiligte wie der Vereinsvorstand seien außerdem nicht oder nur unzureichend informiert worden.

Nach SZ-Informationen soll es bereits einmal ein Gespräch mit dem betroffenen Mitarbeiter nach einer Grenzverletzung gegeben haben, bei der sich derselbe Junge aber dem Mann genähert haben soll. Außerdem soll der Mitarbeiter damals sofort versucht haben, Distanz herzustellen. Experten gehen davon aus, dass es sich auch um eine nicht beabsichtigte Fehlwahrnehmung der Beobachter handeln könnte, um eine vielleicht unangemessene Blödelei oder eine unabsichtliche Berührung. Das betroffene Kind jedenfalls, soll keinerlei Übergriffe gegen sich wahrgenommen haben. Eine Ermahnung des Mannes und ein weiteres Gespräch wären demnach ausreichend gewesen, aber keine Kündigung, so ein mit dem Fall vertrauter Insider.

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