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200 Millionen Euro: Dresden plant Müllverbrennungsanlage im Stadtgebiet

Aktuell fährt Dresden seinen Müll in weit entfernte Gebiete. Ab 2030 soll das anders werden. Der vor Ort verbrannte Müll soll zu Wärme und Strom werden. Wo die neue Verbrennungsanlage entstehen soll.

Von Dirk Hein
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75.000 Tonnen Restmüll fallen in Dresden pro Jahr an. Zukünftig sollen sie das Fernwärmenetz der Stadt befeuern.
75.000 Tonnen Restmüll fallen in Dresden pro Jahr an. Zukünftig sollen sie das Fernwärmenetz der Stadt befeuern. © Julian Stratenschulte/dpa (Symbolbild)

Dresden. Noch sind die Pläne nicht offiziell. Hinter den Kulissen informiert Sachsen-Energie jedoch die Stadtratsfraktionen und bereitet einen der wichtigsten Beschlüsse der nächsten Jahre vor. Statt 75.000 Tonnen Müll jährlich in Diesel-Lastern durch halb Sachsen zu karren, soll der Restmüll in Zukunft in Dresden thermisch verwertet und zu Wärme und Strom werden.

Wie entsorgt Dresden aktuell seinen Müll?

2022 sind in den privaten Haushalten der Landeshauptstadt 177.360 Tonnen Abfälle angefallen. Das sind mehr als 14.000 Tonnen weniger als im Vorjahr. Erstmals rutschte auch die Menge an Restabfall unter die Marke von 130 Kilogramm pro Einwohner. Dennoch fallen noch immer etwa 75.000 Tonnen Restmüll stadtweit an.

Bis 2021 durfte der Müll in einer in die Jahre gekommenen Anlage am Hammerweg verwertet werden. Der Müll wurde auf Förderbändern verkleinert und bei 55 Grad getrocknet. Aus den getrockneten Resten wurden wertvolle Metalle entfernt. Der verbleibende Müll wurde gepresst und sachsenweit verteilt, zum Teil in Braunkohlekraftwerken verbrannt. 2021 musste diese Anlage jedoch geschlossen werden. Es gab Klagen von Anwohnern. Vor allem beim Trocknen des Mülls, in dem noch ein hoher Anteil an biologischem Material war, entstanden üble Gerüche.

Seither wird der Restmüll der Stadt am Hammerweg lediglich zwischengelagert, auf Sattelschlepper verladen und zum Beispiel zu den Verbrennungsöfen in Lauta gebracht, dort verbrannt und in Energie umgesetzt. "Eine denkbar unbefriedigende Situation für Dresden. Der Transport über so große Distanzen erzeugt viel CO2", sagt der Sprecher für Umwelt, Klima und Energie der Grünen im Dresdner Stadtrat, Wolfgang Deppe.

Wie soll das neue Kraftwerk funktionieren?

Eine eigene Müllverbrennungsanlage in Dresden, die dann die Dresdner Fernwärme befeuern soll, brachte OB Dirk Hilbert (FDP) erstmals im Sommer 2022 ins Gespräch. Vor dem Hintergrund des damals geltenden "Notfallplanes Gas" stellte der OB die Anlage als Teil der zukünftigen Energieversorgung der Stadt vor. 150.000 Tonnen CO2 könnten gespart werden, 20 Prozent der benötigten Dresdner Fernwärme so erzeugt werden. Hilbert machte damals deutlich, das schon Standortuntersuchungen liefen, die Anlage solle im Stadtgebiet gebaut werden.

Diese Untersuchungen sind mittlerweile nahezu abgeschlossen. Drei Standorte wurden vertieft untersucht. Zum einen war das ein Areal am Kraftwerk Nossener Brücke, dann das Zwischenlager am Hammerweg und ein Standort weiter in Richtung Heide. Deutliche Vorzugsvariante soll nun der Hammerweg sein.

Der komplette Restmüll der Stadt soll zukünftig dort nach modernsten Prozessen bearbeitet werden, verwertbare Metalle und Plastikstoffe werden herausgefiltert. Ein verbleibender organischer Anteil von etwa 50 Prozent soll getrocknet und verpresst werden. Er dient dann als "Ersatzbrennstoff" für die Fernwärme und Energieversorgung der Stadt. Denkbar ist dabei, dass das ganze Jahr über Ersatzbrennstoff hergestellt und eingelagert wird, damit im Winter genug Material zu Verfügung steht.

Um möglichst effizient zu arbeiten, soll zudem der Müll umliegender Gemeinden mit verwertet werden. Die Gespräche dazu laufen.

Was sind die nächsten Schritte?

Zunächst ist Sachsen-Energie dabei, hinter den Kulissen Überzeugungsarbeit zu leisten. Offiziell darüber sprechen will noch niemand, das Thema ist zu heikel und zu wichtig. Durch ein notwendiges neues Genehmigungsverfahren müssen strengste Richtlinien hinsichtlich aller Emissionen eingehalten werden. Das scheint möglich. Kopenhagen hat seine Müllverbrennungsanlage am Stadtrand sogar als Erlebnisort gestaltet. Wer will, kann auf dem Dach wandern, klettern oder Ski fahren. Ähnliches ist in Dresden jedoch nicht geplant.

Wahrscheinlich Anfang 2024 wird sich der Stadtrat mit dem Bau der Anlage befassen. Eine entsprechende Vorlage ist in Vorbereitung. Wird dann zügig weiter geplant und gebaut, könnte die neue Anlage etwa 2030 in Betrieb gehen.

Gebaut werden könnte eine erweiterbare Basisvariante. In dieser Basisvariante rechnen die Verantwortlichen mit einer Wärmeleistung von 337 Gigawattstunden pro Jahr. Strom kann in der Größenordnung von etwa 44 Gigawattstunden pro Jahr erzeugt werden. Der Gesamtstromverbrauch von Dresden liegt bei etwa 2.656 Gigawattstunden. Die Kosten der Anlage sind momentan nur ungefähr beziffert, könnten aber im Bereich von 200 Millionen Euro liegen. Ein Großteil davon soll förderfähig sein.

Die Anlage wäre ein großer Schritt auf dem Weg zur CO2-Neutralität der Stadt. Dresden will bis 2040, besser noch 2035 klimaneutral werden. Das Verbrennen von biologischen Restabfällen gilt als CO2-neutral, da lediglich zum Beispiel in Bäumen über die Jahre gebundenes CO2 wieder freigesetzt wird.

Dresden könnte zudem die Fernwärmeversorgung der Stadt deutlich verbessern, kürzere Leitungstrassen könnten entstehen. Auch Klärschlamm soll verbrannt werden. Das wäre günstig, da dieser mittlerweile nicht mehr zum Beispiel auf Feldern aufgebracht werden darf.

"Eine sehr sinnvolle Lösung. Sie geht wichtige Probleme an und ist ein großer Beitrag zur Dekarbonisierung der Energieversorgung", sagt Stadtrat Deppe.