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Künstler verlegt zwölf Stolpersteine für eine Sinti-Familie in Dresden

Mehr als 350 Stolpersteine zum Gedenken an Opfer des Nationalsozialismus liegen jetzt in Dresden. Am Freitag kamen 37 neue hinzu. Zum ersten Mal erinnert die Stadt damit an eine Sinti-Familie.

Von Lars Barendregt
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Der Deutsche Künstler Gunter Demnig war am Freitag für die Verlegung von 37 Stolpersteinen und einer Stolperschwelle  in Dresden.
Der Deutsche Künstler Gunter Demnig war am Freitag für die Verlegung von 37 Stolpersteinen und einer Stolperschwelle in Dresden. © Sven Ellger

Dresden. Mit einem Hammer schlägt der Deutsche Künstler Gunter Demnig vorsichtig zwölf Stolpersteine in den Boden vor dem Volkshaus am Laubegaster Ufer in Dresden. "Wahnsinn, zwölf", sagt ein Mann, der die Szene beobachtet. "So viele Kinder... Das ist etwas Ungewöhnliches", bestätigt Demnig.

Die Stolpersteine vor dem Volkshaus Laubegast werden verlegt für die Familie Blum. Sie lebte dort von 1934 bis 1938 und betrieb ein Wandermarionettentheater. Die Familie reiste in Kleinstädte und Dörfer.

Stolpersteine bringen die Namen der Opfer des Nationalsozialismus an den Ort zurück, an dem sie gelebt haben. Demnig hat inzwischen mehr als 100.000 Stolpersteine verlegt - in ganz Europa.

37 neue Stolpersteine für Dresden

An diesem Freitag ist er also in Dresden. Dort platziert er 37 Stolpersteine für verschiedene Familien an zwölf Orten. Zum ersten Mal bekommt die Stadt Stolpersteine, die an eine Sinti-Familie erinnern. Die zwölf Steine am Laubegaster Ufer zeigen, dass mehrere Mitglieder der Familie Blum Konzentrationslager wie Sachsenhausen und Ravensbrück überlebten.

Die zwölf Stolpersteine für die Familie Blum in Dresden.
Die zwölf Stolpersteine für die Familie Blum in Dresden. © SZ/Lars Barendregt

Rudolf Blum (1934-1944) und Willy Blum (1928-1944) wurden in dem Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau ermordet. "Als sein elfjähriger Bruder Rudolf auf die Deportationsliste nach Auschwitz kam, meldete sich auch Willy, um seinen Bruder nicht allein zu lassen", sagt Claus Dethleff, Vorsitzender des Vereins Stolpersteine für Dresden.

"Dadurch wurde Stefan Jerzy Zweig, einem dreijährigen Jungen, der eigentlich auf der Liste stand, das Leben gerettet." Willy Blum übernahm den Platz von Stefan Jerzy Zweig. Diese Rettung wurde später in den Roman "Nackt unter Wölfen" erzählt.

Streiks an Flughäfen behindern Besuch

Dutzende von Zuhörern lauschen der Geschichte der Familie Blum. Zwei Musiker spielen traditionelle jüdische Musik. Zwei Angehörige der Familie aus Mannheim können die Verlegung durch die aktuellen Streiks an Flughäfen leider nicht besuchen, sagt Dethleff. Sie werden nun im April erwartet. "Wir machen dann hier im Volkshaus eine Veranstaltung."

Als Demnig fertig ist, fährt er mit seinem roten Lieferwagen zum nächsten Ort in Dresden. Am Nachmittag verlegt er eine spezielle Stolperschwelle. Die Schwelle hat eine Länge von 60 Zentimeter und erinnert an die vielen Jüdinnen und Juden, die vom Alten Leipziger Bahnhof 1942 und 1943 in das Ghetto Riga und nach Auschwitz-Birkenau deportiert wurden.

Kulturbürgermeisterin Annekatrin Klepsch spricht von "einem weiteren Schritt", um den Alten Leipziger Bahnhof "dauerhaft sichtbar zu kennzeichnen, um zu erinnern und zu mahnen".

Laut Dethleff ist es vor allem in der heutigen Zeit "von immenser Wichtigkeit" an die vielen Opfer des Nationalsozialismus zu erinnern. "Als Mahnung, dass so etwas nie wieder geschehen möge."

Gunter Demnig verlegt die Stolpersteine für die Familie Blum vor dem Volkshaus Laubegast in Dresden.
Gunter Demnig verlegt die Stolpersteine für die Familie Blum vor dem Volkshaus Laubegast in Dresden. © SZ/Lars Barendregt

Ende 2023 herrschte große Empörung, als fünf Stolpersteine in Dresden beschmiert wurden. Daneben befanden sich SS-Runen. Vor zehn Jahren sind Stolpersteine gestohlen worden, sagt Dethleff. "Das passierte 2014, in der Nacht als Deutschland Fußball-Weltmeister geworden ist. So etwas kann immer passieren, wir können nichts dagegen machen." Trotzdem machen auch solche Geschehnisse die Verlegung der Stolpersteine "total wichtig", findet Dethleff.

Dresden hat nun insgesamt 371 Stolpersteine an 161 verschiedenen Orten. Eine Routine-Sache wird die Verlegung der Steine dennoch niemals, erklärt Demnig. "Es ist immer wieder etwas Neues. Was hinter der Verlegung steckt, ist wichtig."