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Dresdner Integrationsprojekte gefährdet

Fünf Vereinen, die sich für Integration einsetzen, drohen Einschränkungen oder sogar das Aus. In einem Offenen Brief machen sie auf die Folgen aufmerksam.

Von Dominique Bielmeier
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Fünf Vereinen, die sich für ein Miteinander von Menschen verschiedener Herkunft, Religion und Kultur einsetzen, droht das Aus, schreiben sie in einem offenen Brief.
Fünf Vereinen, die sich für ein Miteinander von Menschen verschiedener Herkunft, Religion und Kultur einsetzen, droht das Aus, schreiben sie in einem offenen Brief. © Kaleb Dresden e. V.

Dresden. Ist die gelungene Integration von Migranten in die Gesellschaft nachhaltig gefährdet? Davor warnen derzeit verschiedene Dresdner Projekte für Vielfalt in einem Offenen Brief. Fünf Vereinen, die sich für ein Miteinander von Menschen verschiedener Herkunft, Religion und Kultur einsetzen, drohe das Aus oder zumindest eine massive Einschränkung ihrer Arbeit.

Der Grund: Sie werden keine Fördermittel aus dem Programm "Integrative Maßnahmen" des Sächsischen Sozialministeriums erhalten - "trotz fachlicher Empfehlung durch das Sozialamt und Jugendamt der Stadt Dresden", wie sie schreiben.

Das führe dazu, dass die Inklusions- und Integrationsangebote der betroffenen Träger in den Bereichen Familien- und Jugendsozialarbeit, nachbarschaftliches Engagement sowie kulturelle Bildung und Teilhabe ganz wegfallen oder nachhaltig geschwächt werden. "Es ist unklar, wie der bestehende Bedarf gedeckt werden und wie die seit vielen Jahren erarbeitete Relevanz, Akzeptanz und Professionalität in den unterschiedlichen Bereichen für Dresden erhalten werden kann."

Welche Vereine sind betroffen?

Konkret betroffen sind:

  • das Projekt "Interkulturelle Familienwerkstatt" des Kaleb Dresden e. V.,
  • das Jugend-Kultur- und Integrationszentrum SPIKE Dresden e. V.,
  • der Omse e. V.,
  • das Folgeprojekt des Montagscafés am Staatsschauspiel Dresden und
  • das Sächsische Umschulungs- und Fortbildungswerk Dresden e. V. (SUFW).

All diese Projekte wurden in den vergangenen Jahren über das Programm "Integrative Maßnahmen" gefördert und haben nun eine Ablehnung - oder Warteempfehlung - aufgrund fehlender Fördermittel erhalten.

Laut Offenem Brief handelt es sich um das sachsenweit einzige Programm zur Förderung von Integrationsprojekten. Bei diesem seien Anträge mit einem Gesamtvolumen von 20,8 Millionen Euro eingereicht worden, bei einem Fördervolumen von 11,5 Millionen Euro, von denen 4,75 Millionen Euro für Neuanträge eingeplant sind.

Die Arbeit der betroffenen Vereine laut Beschreibung im Offenen Brief:

"Interkulturelle Familienwerkstatt" des Kaleb Dresden e. V.:
Dort fanden Treffangebote, Kurse und Einzelgespräche mit dem Ziel der sozialen und kulturellen Teilhabe von geflüchteten und migrantischen Familien in der Stadt Dresden statt. Die bisher aufgebauten Strukturen - materiell, personell und die entstandene Vertrauensbasis mit den Teilnehmer*innen des Projektes - sind Ressourcen, die es für eine Weiterentwicklung zu nutzen gilt. Im Folgeprojekt ab 2021 sollten nun sensible Themen (Erziehungsfragen, Gewalt in der Ehe, Scheidungen, Traumabewältigung, Rassismuserfahrungen u. v. m.) in den Fokus genommen werden. Dieses Angebot entfällt ohne Fördermittel ersatzlos.

Die Arbeit der betroffenen Vereine laut Beschreibung im Offenen Brief:

Das Jugend-Kultur- und Integrationszentrum SPIKE Dresden e. V. wurde 2018 mit dem Sächsischen und 2019 mit dem Dresdner Integrationspreis ausgezeichnet. Für 2021 wurde ein Projekt mit dem Schwerpunkt auf Beratung und Schulung digitaler Kompetenzen von alleinstehenden, migrantischen Männern beantragt. Dass es nicht realisiert werden kann, kappt vorhandene Zugänge.

Die Arbeit der betroffenen Vereine laut Beschreibung im Offenen Brief:

Der Omse e. V. organisiert in einem hochdiversen Quartier in Dresden-Gorbitz zahlreiche Freizeit- und Begegnungsmöglichkeiten und berät Menschen mit Migrationsgeschichte in vielfältigen Fragen. Im neu beantragten Projekt sollten Kooperationen mit Schulen und Kitas intensiviert werden. Der Verein steht mit diesem Projekt auf der Warteliste des Förderprogramms „Integrative Maßnahmen“ und ist derzeit planungsunfähig. Für seine Arbeit erhielt der Verein im Jahr 2020 den sächsischen Kinderschutzpreis.

Die Arbeit der betroffenen Vereine laut Beschreibung im Offenen Brief:

Ebenfalls auf der Warteliste befindet sich das Folgeprojekt des Montagscafés zur kulturellen Teilhabe von Menschen mit und ohne Migrationserfahrung. In dem stadtweit bekannten interkulturellem Treffpunkt im Kleinen Haus des Staatsschauspiels begegneten sich bis zu 150 Menschen aus verschiedenen Ländern jeden Montag durch und mit Mitteln der Kunst und Kultur.

Die Arbeit der betroffenen Vereine laut Beschreibung im Offenen Brief:

Beim Sächsischen Umschulungs- und Fortbildungswerk Dresden e. V. (SUFW) sollten sich im Begegnungsbüro wieder Ehrenamtliche und Vereine treffen, gemeinsam Länderabende und Informationsveranstaltungen organisieren oder die nächste Integrationsmesse planen. Weder Treffen, Länderabende noch Integrationsmessen werden jetzt stattfinden, Synergien zwischen laufenden Projekten können nicht genutzt werden.

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Was fordern die Unterzeichner des Offenen Briefes?

Die Unterzeichner schreiben, der Freistaat müsse das Fördervolumen dringend aufstocken statt Projekte zurückzufahren. Die Vielzahl der beantragten Projekte - 121 Neuanträge, davon 37 bewilligte und 75 abgelehnte Projekte - zeige die Vielfältigkeit der Integrationsstrukturen und den hohen Bedarf in der Unterstützerlandschaft.

Sie kritisieren, dass auch Projekte zu jüdischer Kultur, Familien- und Bildungsarbeit, Angebote im Bereich Natur und Sport sowie im Kulturbereich eine Absage erhielten. "Auch hier spiegelt sich nicht die Diversität der Dresdner Stadtgesellschaft wider und wertvolle Ressourcen, Netzwerkstrukturen und persönliche Beziehungen fallen durch die so erzwungene Beendigung der Projekte weg."

Warum reicht die Förderung durch die Kommune nicht aus?

Die Landeshauptstadt Dresden finanziert mit der Flüchtlings- und Migrationssozialarbeit ausschließlich die soziale Grundversorgung und Anfangsbetreuung geflüchteter Menschen, erklären die Unterzeichner des Briefes. Die Gefüchteten seien aber auf weiterführende Angebote angewiesen, die von freien Trägern übernommen werden. "Und diese Strukturen sind wiederum ausschließlich auf externe Projektmittel angewiesen, die in der Vergangenheit aufgrund der Höhe der benötigten Mittel eher vom Land als von der Kommune zu erhalten waren."

Wenn diese Landesmittel also nicht mehr da ankommen, wo sie gebraucht werden, fehle eine wichtige Säule der Integrationsarbeit vor Ort. "Dresden war, ist und wird auch in Zukunft eine Stadt mit wachsender Zuwanderung und größerer Diversität sein", heißt es im Schreiben. "Um diesen Prozess erfolgreich zu gestalten, braucht es perspektivisch mehr Engagement der Kommune."

Die Vereine wüssten aus Erfahrung, dass Integrationsprozesse nicht nach zwei oder drei Jahren abgeschlossen sind. "Nur wenn die Stadt Dresden und das Land Sachsen sich der Realität mit zeitgemäßen Konzepten und Angeboten stellen will, können wir unsere Zukunft produktiv gemeinsam gestalten."

Welche Folgen drohen, wenn die Vereine ihre Arbeit beenden oder einschränken müssen?

Das können die betroffenen Vereine derzeit noch nicht einschätzen, rechnen aber mit gravierenden Auswirkungen. Man könne "nur erahnen, was passiert, wenn Menschen auf Dauer keinen Halt finden und sich nicht akzeptiert fühlen".

Unterstützt wird der Offene Brief von:

  • Ausländerrat Dresden e. V.,
  • Initiative "Herz statt Hetze",
  • Banda Internationale,
  • Initiative "Seebrücke Dresden" und
  • Atticus e. V.

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