Dresden. Laut ist es auf dem Neumarkt. Eine Tischkreissäge kreischt, Hölzer fallen mit einem Knall zu Boden, der Dieselmotor eines kleinen Lasters knattert. Die durch ein Absperrband von der Mitte des Platzes vor der Frauenkirche getrennten Touristen recken neugierig die Hälse, um zu sehen, was in dieser Hitze wohl gewerkelt wird. Mitten in das Chaos hinein landet ein Engel. Gut, nicht besonders grazil. Aber mit rund 800 Kilo ist das auch nicht so leicht.
Knallrot ist der Engel dann noch, mit schwarz-weißen Flügeln. Und die kann er nicht einmal selbst ausbreiten und damit fliegen, sondern der Kranarm des Lasters muss ihn vorsichtig von der Ladefläche auf den Neumarkt heben. Dort kommt er, nach ein wenig Bugsiererei, am Freitagnachmittag zum Stehen und macht vor der hell strahlenden Frauenkirche seinem Namen alle Ehre: "Dresdner Engel der Versöhnung, etwas lädiert".
Dresdner Neumarkt wird zur "riesigen Wohnstube"
Wie das so ist mit Engeln, selbst mit ungewöhnlichen - nicht selten sind sie Vorboten von etwas Großem. In diesem Fall kündigt die 3,20 Meter hohe Skulptur des gebürtigen Dresdner Malers und Bildhauers Helge Leiberg den Beginn des Palaissommers auf dem Neumarkt an. Seit Freitag wird hier gebaut, damit der Platz ab 12. Juli wieder vier Wochen lang im Zeichen der Bildenden Kunst und des Tanzes stehen kann.
Zum Engel, der übrigens aus dem Holz einer der Waldschlößcheneichen gefertigt wurde, an die sich 2005 zum Protest Menschen gekettet hatten, damit die Bäume beim Bau der Brücke nicht gefällt würden, gesellen sich sieben weitere Skulpturen von Dresdner und regionalen Künstlern sowie einem Bildhauer aus der Partnerstadt Coventry. Hinzu kommen zahlreiche Gemälde, sodass auf dem Neumarkt während des gesamten Palaissommers rund 250 Werke von insgesamt 50 Künstlern und Künstlerinnen zu sehen sein werden.
"Das wird eine riesige Wohnstube hier, wunderschön", sagt Frank Wallburger, Vorsitzender des Neuen
Sächsischen Kunstvereins. Jeden Abend soll es eine Licht- und Klanginstallation geben, verschieden große Stehlampen sorgen für Ambiente. Mehr will er noch nicht verraten. Nur, dass eine häufige Beschwerde aus dem vergangenen Jahr in diesem Jahr wieder zu hören sein könnte: die nach mehr Sitzplätzen als den rund 500. "Aber dieser Platz braucht Luft, die Kunst braucht Luft", sagt Wallburger. Man werde den Neumarkt bewusst nicht mit Stühlen zupflastern.
Rückkehr ans Palais für den Palaissommer?
Zumal hier auch getanzt werden soll, wie Veranstalter Jörg Polenz erklärt. Zu Salsa,
Tango, Walzer und Lindy Hop. Kurze Einführungskurse vor Konzerten sollen dafür sorgen, dass der ganze Neumarkt swingt. Größere Konzertformate fänden dagegen im neu gestalteten Ostradome statt, wo es abends auch Yoga geben wird. Wer morgens schon seine Matte ausrollen will, hat dazu wieder im Alaunpark in der Neustadt Gelegenheit, dem dritten Ort des Palaissommers.
Die drei neuen Standorte, die Polenz im vergangenen Jahr kurzfristig finden musste, nachdem ein Mitbewerber um das Palais überraschend den Zuschlag erhalten hatte, hätten sich bewährt, sagt er. Nun geht es darum, die Finanzierung für kommende Jahre zu sichern, was vor allem über den Freundeskreis gelingen soll, eventuell auch durch weitere Sponsoren.
Das Aus für den Palaissommer am Japanischen Palais sei "auch emotional sehr heftig" für ihn gewesen, sagt Polenz. "Aber wenn man positiv nach vorne schaut, ergeben sich neue Möglichkeiten." Er ist optimistisch, dass in diesem Jahr noch mehr Besucher zu seinem kostenfreien Kunst- und Kulturfestival kommen könnten, nun, da die Unsicherheit weg sei, was einen dort eigentlich erwarte.
Denkt er dennoch über eine Rückkehr ans Palais nach, jetzt, da der dort geplante Kultursommer von Thomas Jurisch wegen mangelnder Finanzierung auf nur eine Woche eingedampft wurde? "Die Dinge werden sich in der Zukunft ordnen", sagt Polenz. "Und am Ende wird das passieren, was die Bürger wollen."