Dresdner. Was nicht passt, wird passend gemacht - ein Satz, den wohl die wenigsten mit den Deutschen Werkstätten in Hellerau in Verbindung bringen würden. Das Unternehmen steht vielmehr für Innovation und Präzision im Bereich des Innenausbaus. "Wir bauen alles extrem perfektionistisch, wenn etwas nicht passt, wird es auf jeden Fall noch mal gebaut, da gibt es an der Qualität keine Abstriche", sagt Tischler-Azubi Frederik Möller. Vor gut einer Woche aber wurde dieser Perfektionismus in Venedig zumindest vorübergehend über Bord in den Canal Grande geworfen. Zur Begeisterung des 20-Jährigen.
"Es war einfach ein freies Arbeiten, wir mussten immer wieder improvisieren, uns etwas ausdenken, ausprobieren", erzählt Möller, der im zweiten Lehrjahr ist. In der Lagunenstadt baute er mit vier anderen Auszubildenden der Hellerauer Werkstätten und unter Aufsicht ihres Lehrmeisters Möbel für ein Nachbarschaftszentrum in Mestre, dem Teil Venedigs, der auf dem Festland liegt. Dort also, wo tatsächlich noch Venezianer leben und nicht nur Touristen unterwegs sind. Zwei Schränke und verschieden große Bänke zum Sitzen sowie für Pflanzkübel entstanden innerhalb einer Woche, Möller war in der Gruppe, die die Schränke baute.
Nachhaltigkeit steht im Zentrum des deutschen Pavillons bei der Architektur-Biennale in Venedig
Die Herausforderung dabei: Verwendet wurden nur Materialien, die von der letzten Kunst-Biennale in Venedig im vergangenen Jahr übrig waren. Deshalb hatten zum Beispiel die Platten, aus denen die Schränke gebaut wurden, unterschiedliche Stärken, sonst eigentlich ein No-Go im Möbelbau - aber für die Azubis eine gute Gelegenheit, kreative Lösungen zu finden.
Frederik Möller erzählt von alten Ofenrohren, die als Deko-Element sowie als Griffe an die Schränke angebracht wurden, weil es in dem Haus ohnehin viele Rohre, Dachrinnen und Schrägen gibt. "Die Schränke sahen am Ende auch ziemlich gut aus dort. Das
konnten wir Azubis uns am Anfang gar nicht vorstellen, weil wir vorher nicht dort gewesen waren", sagt Möller. Die Entwürfe hatten Studenten der Universität der Künste (UDK) Berlin gefertigt und dann mit den Azubis besprochen, bevor es an die Umsetzung ging.
Für Möller war es der erste Venedigbesuch überhaupt. "Es war auch cool, dann in der Freizeit über die Biennale zu laufen und die ganzen Pavillons anzuschauen." Er gibt zu, dass er das Konzept des deutschen Pavillons erst nicht verstanden habe. "Aber als ich dann mit dabei war, fand ich schon, dass es einer der besten Pavillons war, weil in der Architektur nicht mehr so sehr im Vordergrund stehen soll, dass man neue Gebäude baut, sondern mehr Restaurationen und Umbauten wichtig sein werden."
"Open for Maintenance – Wegen Umbau geöffnet" ist der Titel des diesjährigen deutschen Beitrags zur 18. Architektur-Biennale in Venedig, der sich den Themen der Pflege, Reparatur und Instandhaltung im Bauwesen widmet. Dahinter steckt das achtköpfige Kuratorenteam ARCH+/Summacumfemmer/Büro Juliane Greb.
Florian Summa, einer der Kuratoren und auch derjenige, der die Hellerauer Werkstätten mit ins Boot geholt hat, erklärt, dass man dieses Jahr statt einer klassischen Ausstellung etwas Praktisches machen wollte. "Deshalb haben wir von der Kunst-Biennale im vergangenen Jahr viel Material gesammelt und den ganzen Pavillon damit vollgepackt."
Deutsche Werkstätten Hellerau sponsern auch Werkzeuge für die Biennale
Nun kommt während der Dauer der Biennale ein halbes Jahr lang wöchentlich eine neue Gruppe Studierender sowie Auszubildender aus dem Handwerk und erschafft daraus etwas Praktisches für die Menschen vor Ort. Auch die von den Hellerauer Azubis gebauten Schränke und Bänke sind im deutschen Pavillon entstanden. "Es war toll, die Fähigkeiten der Hellerauer einzusetzen", sagt der Architekt, der an der UDK Berlin lehrt. Und die Rückmeldungen seien durchweg positiv gewesen. "Die Leute vom Quartierszentrum haben schon gefragt, ob es eine zweite Auflage geben kann."
Neben den fünf Azubis samt Lehrmeister hat Hellerau auch zahlreiche elektrische Handgeräte für den deutschen Pavillon bereitgestellt, mit denen die Auszubildenden gearbeitet haben. Die Geräte bleiben in Venedig und werden nach dem Ende der Biennale im November an Institutionen vor Ort weitergegeben - getreu dem Nachhaltigkeitsgedanken.
Frederik Möller hat noch ein Lehrjahr vor sich und könnte sich vorstellen, danach bei den Hellerauer Werkstätten zu bleiben. "Ich glaube, hier gibt es viele Möglichkeiten, als Tischler in der Fertigung zu arbeiten oder in die Konstruktion zu gehen." Er ist dankbar für die Möglichkeit, an der Biennale in Venedig mitzuwirken und etwas Greifbares für die Menschen dort zu schaffen.
Nach dem Ende der Arbeiten gab es ein gemeinsames Eröffnungsfest mit den Nutzern des Nachbarschaftszentrums im grünen Innenhof. "Wir hatten das Gefühl, dass sie zufrieden waren und sich gefreut haben", sagt Möller.