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"Omas gegen Rechts" in Dresden: Dahin gehen, wo's wehtut

Eine Gruppe Frauen stellt sich unter dem Namen "Omas gegen Rechts" dem Hass auf Dresdens Straßen entgegen. Ein eigens erarbeitetes Debattenraster hilft bei Gesprächen. Ihr Ziel: mehr Miteinander. Genau die richtige Strategie, sagt ein Experte.

Von Juliane Just
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Unter dem Namen "Omas gegen Rechts" gehen Seniorinnen aus dem Großraum Dresden regelmäßig auf die Straße. Sie stellen sich gegen Pegida und "Querdenken", halten aber auch Mahnwachen für den Frieden ab.
Unter dem Namen "Omas gegen Rechts" gehen Seniorinnen aus dem Großraum Dresden regelmäßig auf die Straße. Sie stellen sich gegen Pegida und "Querdenken", halten aber auch Mahnwachen für den Frieden ab. © Marion Doering

Dresden. Einmal im Monat packt sie ihren Rucksack. Egal ob sommerliche Hitze, herbstliches Mistwetter oder winterliches Treiben - Christiane Bauer (Name von der Redaktion geändert) muss es einfach tun. Sie schnappt sich den Button "Omas gegen Rechts", bringt ihn am Kragen an, schnappt sich ein Schild mit der gleichen Aufschrift und geht los zur Mahnwache. Gegen Rechtsextremismus. Für Frieden. Für die Zukunft ihrer Kinder und Enkel.

So wie Christiane Bauer machen sich regelmäßig mehrere Seniorinnen aus dem Großraum Dresden auf dem Weg in die Stadt. Die "Omas gegen Rechts" haben mehrere Gruppen in Deutschland, die sich alle dem gleichen Ziel widmen: ihre Stimme erheben gegen Rechtsextremismus. Ihr Ziel ist es, Menschen offen zu begegnen und mit ihnen in einer guten Debattenkultur ins Gespräch zu kommen. Insgesamt 50 Frauen im Alter zwischen 55 und 80 Jahren engagieren sich in der Dresdner Gruppe, deutschlandweit sind es 20.000.

Meist stehen sie auf dem Neumarkt vor der Frauenkirche, dem Mahnmal der Zerstörung Dresdens schlechthin. Seit Putin die Ukraine im Februar 2022 angegriffen hat, halten die "Omas gegen Rechts" monatlich eine Mahnwache für weltweiten Frieden ab. "Unsere Enkel brauchen Frieden", sagt Christiane Bauer.

"Omas gegen Rechts" stellen sich AfD, Pegida und "Querdenken" entgegen

Jährlich sind sie auch am 13. Februar, dem Tag der Zerstörung der Stadt, unterwegs. Doch sie waren auch schon da, wo's richtig wehtut: Sie stellten sich "Querdenken" und Pegida in den Weg. Zuletzt waren die Dresdner beim AfD-Parteitag in Magdeburg, wo sich 400 "Omas gegen Rechts" aus ganz Deutschland versammelten. "Das hat sich stark angefühlt", sagt Maria Naumann (Name von der Redaktion geändert), die dabei war.

Bei den vielen Demonstrationen und Mahnwachen haben die Seniorinnen so einiges erlebt - Zustimmung, aber auch Ablehnung. "Ihr solltet euch schämen", wurde ihnen zugerufen. "Was steht ihr hier rum, ihr alten Weiber? Setzt euch zu Hause hinter den Ofen", schrie es ihnen entgegen. "Ihr habt doch Hitler 1933 gewählt", flog es ihnen um die Ohren.

"Wenn wir uns mit anderen Gruppen am 13. Februar den Rechten und ihren Beschimpfungen entgegenstellen, dann geht es nicht um Straßenkampf, sondern um Zivilcourage", betont Naumann. Dass sie ihre Klarnamen nicht nennen wollen, hat mit Vorsicht zu tun. Es sei für alle Teilnehmerinnen wichtig, dass sie geschützt sind.

Seit Putin die Ukraine im Februar 2022 angegriffen hat, halten die "Omas gegen Rechts" monatlich eine Mahnwache für Frieden am Neumarkt in Dresden ab. "Unsere Enkel brauchen Frieden", sagen sie.
Seit Putin die Ukraine im Februar 2022 angegriffen hat, halten die "Omas gegen Rechts" monatlich eine Mahnwache für Frieden am Neumarkt in Dresden ab. "Unsere Enkel brauchen Frieden", sagen sie. © Marion Doering
Zum 13. Februar, dem Tag der Zerstörung Dresdens, sind die "Omas gegen Rechts" jährlich unterwegs, um sich Rechtsextremen entgegenzustellen.
Zum 13. Februar, dem Tag der Zerstörung Dresdens, sind die "Omas gegen Rechts" jährlich unterwegs, um sich Rechtsextremen entgegenzustellen. © Sven Ellger
Als das islam- und ausländerfeindliche Bündnis Pegida zum "200. Dresdner Abendspaziergang" aufrief, stellten sich die "Omas gegen Rechts" dem mit tausenden anderen Menschen entgegen.
Als das islam- und ausländerfeindliche Bündnis Pegida zum "200. Dresdner Abendspaziergang" aufrief, stellten sich die "Omas gegen Rechts" dem mit tausenden anderen Menschen entgegen. © dpa/Robert Michael
Das sind Dresdens "Omas gegen Rechts": Barbara Hahn (Namen von der Redaktion geändert, v.l.), Christiane Bauer, Greta Schmidt und Astrid Bodenstein. Sie sind vier von insgesamt 50 Frauen der Gruppe.
Das sind Dresdens "Omas gegen Rechts": Barbara Hahn (Namen von der Redaktion geändert, v.l.), Christiane Bauer, Greta Schmidt und Astrid Bodenstein. Sie sind vier von insgesamt 50 Frauen der Gruppe. © René Meinig
Mit Tranparenten und Infobroschüren versuchen die "Omas gegen Rechts" bei ihren Mahnwachen in Dresden, rassistische Aussagen und Parolen mit Fakten zu widerlegen.
Mit Tranparenten und Infobroschüren versuchen die "Omas gegen Rechts" bei ihren Mahnwachen in Dresden, rassistische Aussagen und Parolen mit Fakten zu widerlegen. © privat

Trotzdem sagt Katrin Merkel, das jüngste Mitglied: "Wir haben keine Angst. Der Hass schlägt uns meist bei großen Demonstrationen wie dem Marsch der Rechten am 13. Februar entgegen, nicht jedoch bei unseren Mahnwachen." Körperliche Gewalt hätten sie noch nie erlebt, doch: "Was richtig wehtut, sind die Hassreden und zu erleben, dass sich unsere Mitmenschen davon berauschen lassen."

"Omas gegen Rechts" wollen nicht streiten, sondern zuhören und verstehen

Die Seniorinnen treibt um, wie die Menschen miteinander umgehen - gerade bei unterschiedlichen Meinungen. Warum reden die Menschen in Dresden so miteinander? Warum wird alles so negiert? Die Seniorinnen wollen nicht streiten, sie wollen zuhören und reden; und bestehen dabei auf ihr Recht, auch gehört zu werden. Um die Gespräche in eine positive Richtung zu lenken, haben sie sich ein Debattenraster überlegt.

Ihr Leitfaden: Zuerst wollen sie verstehen, was ihr Gegenüber bewegt. Anschließend versuchen sie, einen Faktencheck machen - nicht um die Aussage des Gegenübers zu entkräften, sondern sie mit aktuellen Fakten zu vergleichen. Sie fragen sich, was Ziel des Gesprächs sein soll und wie man gemeinsam eine Lösung herbeiführt.

Ein Beispiel: Eine Frau ließ ihren Ärger bei einer Mahnwache Luft. Sie ärgerte sich über das Gesundheitssystem, das durch die "vielen Ausländer, die alles umsonst kriegen", überlastet werde. Die "Omas gegen Rechts" erwiderten, das Gesundheitssystem sei zwar in Schwierigkeiten, die Wut der Frau sei also nachvollziehbar. Die Probleme in der medizinischen Versorgung jedoch auf die Migrationspolitik zu schieben, sei zu einfach.

Außerdem sagen sie: Studien zeigen, dass Pflegekräfte mit Migrationshintergrund das Gesundheitssystem sogar stärken und es ohne diese Fachkräfte noch schlechter aussehen würde. Für die Frauen ging es darum, der Dame praktische Hinweise zu geben, um an einen Untersuchungstermin zu kommen. "Wir leisten aber keine Sozialarbeit", betont Christiane Neubauer.

Dresdner TU-Experte: "Das ist ein ganz großer Dienst an der Gesellschaft"

Was die Seniorinnen ausgearbeitet haben, ist zwar kein wissenschaftlich fundierter Gesprächsleitfaden, aber eben ihre Art, damit umzugehen. Das ist genau richtig, meint Markus Tiedemann. Er ist Leiter der Professur für Philosophendidaktik und für Ethik an der TU Dresden. Seine Forschungsschwerpunkte sind Widerstandsformen, De-Radikalisierung und die Post-Aufklärungsgesellschaft. "Man sollte dankbar sein, dass sich Menschen wie die 'Omas gegen Rechts' auf die Straße stellen. Das ist ein ganz großer Dienst an der Gesellschaft", sagt er.

Diese Gruppe Frauen würde aktiv für die Zivilgesellschaft einstehen und Bürgerrechte verteidigen. "Es ist ein unendlich mühseliger Prozess und er gelingt nicht immer, aber trotzdem gehen die Frauen auf die Straße", so Tiedemann. Eine Pauschalrechtfertigung aus AfD-Kreisen sei oft, dass niemand mit ihnen reden wolle, doch die "Omas gegen Rechts" stehen dem entgegen.

"Sie schaffen ein Auditorium im öffentlichen Raum", so der Experte. Das habe eine positiv-immunisierende Wirkung und öffne Türen zum Diskurs. Bereits die charmante Selbstbezeichnung als "Omas" wirke deeskalierend. "Sie haben eine soziale Wirkung auf Menschen, die auch für Überzeugungsarbeit genutzt werden kann. Ohnehin sind nur Menschen zu erreichen, die noch nicht gänzlich verhärtet sind", ist sich Tiedemann sicher. Dafür müssten die tapferen Frauen natürlich Frustration und Anfeindungen in Kauf nehmen, "aber Bildungsarbeit in all ihren Formen ist unsere einzige Hoffnung".

Bei Demonstrationen ist da ein Kribbeln, ein inneres Gefühl, wie Maria Naumann es beschreibt: "Das sind die Augenblicke, an denen wir wissen, wie wichtig es ist, eine Stimme zu sein in einem demokratischen Miteinander." Regelmäßig tauschen sich die Seniorinnen aus, damit sie in Gesprächen kompetent agieren können. Dass sie damit etwas bewegen können - und sei es nur im kleinsten Rahmen - erleichtert sie. "Es ist logisch, dass unsre Gesellschaft Probleme hat. Die löst man aber nur miteinander."

Wer Interesse daran hat, die "Omas gegen Rechts" in Dresden zu unterstützen, findet Informationen sowie Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme auf der Website der Gruppe.