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Schloss in Dresden-Prohlis als Modellbau: "Es ist mein letztes großes Projekt"

750 Stunden hat Rainer Dierchen investiert, um das zerstörte Schloss Dresden-Prohlis als Modell wieder aufleben zu lassen. Es ist ein "Märchenschloss", sagt er. Und sein letztes Projekt?

Von Dirk Hein
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Rainer Dierchen mit seinem Modell von Schloss Prohlis.
Rainer Dierchen mit seinem Modell von Schloss Prohlis. © Matthias Rietschel

Dresden. Rainer Dierchen, 76 Jahre alt, von Beruf Modellbauer steht vor seinem womöglich letzten Modell: Das 1985 abgerissene Schloss in Prohlis hat er neu aufgebaut, als detailgetreues Modell im Maßstab 1:87. Wahrscheinlich weit mehr als 750 Stunden Arbeit sind in die exakte Kopie des 1888 erbauten "Prohliser Schlösschens" geflossen.

"Ein wunderbarer Bau, der leider verschwunden ist"

"Das Gebäude war mir als Ruine bekannt. Aber es ist ein echtes Märchenschloss, ein wunderbarer Bau im Neorenaissance-Stil, der leider verschwunden ist. Das tat mir in der Seele leid", sagt der in Heidenau lebende Rainer Dierchen.

Das Schloss Prohlis 1978. Im Jahr 1985 wurde es abgerissen, nachdem es 1980 bei einem Feuer stark beschädigt worden war.
Das Schloss Prohlis 1978. Im Jahr 1985 wurde es abgerissen, nachdem es 1980 bei einem Feuer stark beschädigt worden war. © Wikimedia/Jörg Blobelt

Modellbau ist dabei für den heute 76-Jährigen weit mehr als ein Hobby. Schon als kleines Kind wurden Modelle gebaut. Irgendwann stand die Frage nach der Lehre. "Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht und konnte mich austoben". Anfangs arbeitete Dierchen noch mit Holz, später kamen in der DDR "Plaste und Elaste aus Schkopau" auf.

Der Modellbauer hat sich dabei historisch bekannten Gebäuden verschrieben, die entweder nicht mehr existieren oder stark in Mitleidenschaft gezogen sind. Am Anfang des Projektes steht immer echte Detektivarbeit. Dierchen sucht sich alte Bilder, Skizzen und redet mit den Denkmalschützern vor Ort - oftmals mit beeindruckenden kleinen Erfolgen.

Was der Modellbauer schon erschaffen hat

Zum Beispiel beim Schloss Naundorf in Dippoldiswalde. Viele Jahre war das Schloss in einem schlechten Zustand, Dierchen entwarf das Modell, um die Sanierung anzukurbeln, fuchste sich in jedes Detail rein. "Eigentlich sollte mein Modell grau werden, so die ersten Ideen vor Ort. Doch ich habe geschaut, welche Farben bei vergleichbaren Schlössern in der Region üblich waren. Am Ende hat der Denkmalschutz meinen Farbvorschlag für die Sanierung übernommen."

Auch die Loschwitzer Kirche hat Dierchen als Modell nachgebaut. Hier wollte er zeigen, wie ein gelungener Wiederaufbau funktionieren kann. Das Dresdner Gotteshaus war im Zweiten Weltkrieg zerstört und erst ab 1990 über vier Jahre hinweg wieder aufgebaut worden. "Ich bin einfach in die Kirche gegangen und habe nach einem Termin mit dem Pfarrer gefragt."

Der war begeistert, wenig später saß Dierchen mit den lokalen Denkmalschützern in der Kirche, vermaß jede einzelne Bank, um die Kirche maßstabsgetreu im Inneren und von Außen nachzubauen. Das Model steht jetzt zu Weihnachten in der Kirche. "Das macht mich unglaublich stolz. Andere froh zu machen ist mein größter Lohn."

Anfang 2023 war dann das bisher letzte Objekt abgeschlossen. Für Heidenaus polnische Partnerstadt Lwowek (Löwenberg) hat er nach einem Kupferstich den historischen Marktplatz nachgebaut. Im Anschluss daran fiel der Blick nach Prohlis. Ebenfalls so exakt wie möglich wollte Dierchen das "Prohliser Schlösschen" wieder auferstehen lassen, erneut um vorhandene Wiederaufbaupläne zu unterstützen.

Wie das Prohliser Schloss Stück für Stück wuchs

Doch um seine Modelle zu bauen, braucht Dierchen Pläne. Die besorgte er sich im Palitzsch-Museum in Prohlis. "Gott sei Dank gibt es dort eine Zeichnung der Technischen Hochschule Dresden aus den 70er-Jahren." Dierchen schaute sich die Fundamente vor Ort an, besorgte sich alte Fotos - und begann mit dem Wiederaufbau, zumindest als Modell.

"Los geht es wie beim richtigen Häuserbau mit den Innenskelett", sagt der 76-Jährige. Stück für Stück überträgt Dierchen seine Maße ins Modell und lässt den Rohbau wachsen. Um die Fassaden zu gestalten, überträgt er seinen Plan auf Polystyrolplatten, reißt mit einer Stahlnadel Fenster und Formen an, um dann mit einem Cuttermesser alles auszuschneiden und in Form zu bringen.

Stück für Stück wachsen anschließend die Fassadenelemente, indem neue Platten aufgetragen und in Form gebracht werden. Alleine für einen besonders prächtigen Erker hat Dierchen eine Woche getüftelt, täglich drei bis vier Stunden gearbeitet. Am Ende mit seinen Fähigkeiten als Modellbauer war er dann jedoch beim aufwändig gestalteten Firstzaun auf dem Dach des Schlosses. Weil weglassen nicht infrage kam, gab Rainer Dierchen die Arbeit in Auftrag. Nach seinen Vorgaben wurde der Dachschmuck aus einer Messingplatte geätzt, Dierchen zahlte dafür weit über 100 Euro.

Der aufwändig gestaltete Firstzaun wurde aus einer Messingplatte geätzt.
Der aufwändig gestaltete Firstzaun wurde aus einer Messingplatte geätzt. © Dirk Hein
Mit solchen Zeichnungen bereitete Rainer Dierchen sein Modell vor.
Mit solchen Zeichnungen bereitete Rainer Dierchen sein Modell vor. © Dirk Hein
Alte technische Zeichnungen halfen beim maßstabsgerechten Modellbau.
Alte technische Zeichnungen halfen beim maßstabsgerechten Modellbau. © Dirk Hein
Etwa 750 Arbeitsstunden flossen in das Modell.
Etwa 750 Arbeitsstunden flossen in das Modell. © Matthias Rietschel
Auch anhand von alten Fotos orientierte sich der Modellbauer.
Auch anhand von alten Fotos orientierte sich der Modellbauer. © Dirk Hein
Bis ins Detail wurde gearbeitet.
Bis ins Detail wurde gearbeitet. © Matthias Rietschel

Warum macht er das alles? "Ich kann nicht einfach dasitzen und nichts machen. Nachdem das letzte Projekt abgeschlossenen war, ist mir Prohlis eingefallen. Einmal angefangen taucht man förmlich ein, hinterfragt alles, jeden Raum jede Veranstaltung, die dort stattgefunden haben könnte. Ich war mittlerweile so oft vor Ort, im Museum ist es familiär geworden."

"Eigentlich war es mein letztes Projekt"

Mittlerweile ist das Schloss als Modell fertig, wie und wann es ausgestellt wird, dazu laufen Gespräche. Vererben will es Dierchen seinem Enkel Johannes, der Architektur studiert. Bis das so weit ist, soll es als kostenlose Leihgabe dabei helfen, das andere sich die Schönheit des Schlosses besser vorstellen und an einen Wiederaufbau glauben können.

Darauf angesprochen, was jetzt noch kommt, gerät Rainer Dierchen kurz ins Nachdenken. "Eigentlich war es mein letztes Projekt. Doch meine Hand für den Modellbau ist noch absolut ruhig, vielleicht aus Ausgleich für andere gesundheitliche Einschränkungen - und meine polnischen Freunde aus Löwenberg haben schon wieder angerufen. Sie hätten da noch ein Projekt für mich", schmunzelt Dierchen.