SZ + Dresden
Merken

Über 600.000 Einwohner: Warum Dresden stärker wächst als gedacht

Bis 2040 soll Dresden um knapp sechs Prozent wachsen. Welche Gründe das hat und welche Folgen es für Kitas und Schulen gibt.

Von Dirk Hein
 5 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Über 600.000 Einwohner: Dresden wächst deutlicher  als bisher prognostiziert.
Über 600.000 Einwohner: Dresden wächst deutlicher als bisher prognostiziert. © Marion Doering

Dresden. Entgegen der Prognose von 2022 wird Dresden deutlich schneller wachsen als bisher gedacht. Laut aktueller Vorhersage wird die Einwohnerzahl Dresdens Mitte 2040 auf etwa 603.400 Personen steigen. Die Stadt würde demnach in den kommenden 17 Jahren um etwa 33.400 Einwohner - oder 5,9 Prozent - anwachsen.

Warum wächst Dresden in den nächsten Jahren?

Ende 2023 hatten laut Dresdner Melderegister 572.240 Personen ihren Hauptwohnsitz in der Landeshauptstadt. Das sind 3.067 Einwohner oder 0,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Schrittweise wird diese Zahl in den nächsten Jahren immer weiter ansteigen. Jedes Jahr rechnet die kommunale Statistikstelle mit einem Zuzug von durchschnittlich 2.900 Menschen. Weil gleichzeitig mehr Menschen sterben, als neu geboren werden, fällt das Wachstum insgesamt geringer aus.

Dadurch soll die Einwohnerzahl in der Landeshauptstadt erstmals 2038 auf über 600.000 steigen. 2040 rechnet die Stadt dann mit 603.410 Einwohnern. Das sind deutlich mehr als zuletzt vorhergesagt. 2022 plante die Stadt noch mit maximal 578.800 Einwohnern im Jahr 2040.

Welchen Anteil daran haben Geflüchtete?

Die Zahl der Einwohner mit deutschem Pass sank von 505.777 im Jahr 2022 auf momentan 503.812. Der Rückgang war mit fast 2.000 Einwohnern nur halb so groß wie 2022. Tatsächlich ist das Wanderungssaldo, also die Summe von Wegzügen und Zuzügen innerhalb Deutschlands seit 2015 für Dresden negativ. Zogen 2011/12 noch 4.226 Menschen mehr nach Dresden, als die Stadt verließen, war diese innerdeutsche Bilanz 2021/22 deutlich umgedreht. Über 3.000 Menschen zogen mehr weg, meist ins direkte Umland, als neu nach Dresden kamen.

Seit Jahren konstant positiv ist der Zuzug von Menschen aus der EU, dem restlichen Europa und aus China und Indien. Deutlich mehr Asylbewerber (5.156) kamen im Jahr 2015/16 nach Dresden. Auch in den vergangenen beiden Jahren kamen deutlich mehr Asylbewerber (2.151 und 2.270) hier an, als die Stadt wieder verlassen haben. Größter Faktor in den vergangenen beiden Jahren sind aber Geflüchtete aus der Ukraine. 2021/22 kamen 5.223 Menschen und 2022/23 nochmals 2.108 Menschen zusätzlich nach Dresden.

Ohne diesen Zuzug wäre Dresden in den vergangenen Jahren deutlich geschrumpft. "Wir brauchen die Menschen, die aus dem Ausland nach Dresden kommen", sagt Bürgermeister Jan Pratzka (CDU).

Wie verteilt sich die Entwicklung auf die Altersgruppen?

Wegen des Geburtenrückgangs wird zunächst die Zahl der unter sechsjährigen Kinder stark rückläufig sein. Ab 2029 ist mit einem leichten Anstieg zu rechnen. 2040 werden, unter der Voraussetzung, dass sich die Geburtenrate wieder erhöht, voraussichtlich knapp zwei Prozent mehr Kinder unter sechs Jahren in Dresden leben als Mitte 2023.

Die Höchstzahl der Dreijährigen war bereits im Jahr 2019 (6.074) und die der Sechsjährigen im Jahr 2022 erreicht (5.914). Das Minimum bei den Dreijährigen wird voraussichtlich im Jahr 2027 mit 4.340 Kindern und das der Sechsjährigen im Jahr 2030 mit 4.290 erreicht sein. Danach kann erneut mit steigenden Zahlen gerechnet werden.

Das hat Auswirkungen auf die Planungen von Kitas und Schulen. Weil mittelfristig bis zu 2.300 Kinder fehlen, haben einige vor Jahren in großer Zeitnot aufgebaute "Container-Kitas" daher keine Perspektive. Dresden will jedoch nicht an Erziehern und Platz in Schulen sparen.

Deutliche Zuwächse sind bei jungen Erwachsenen im Alter von 18 bis 29 Jahren zu erwarten (+21.700 oder 25 Prozent). Die Ursache dafür liegt im Anstieg der Geburten nach dem dramatischen Geburteneinbruch Anfang der 1990er-Jahre sowie in der Zuwanderung junger Erwachsener nach Dresden.

Weiterhin wird ein deutlicher Zuwachs bei den Seniorinnen und Senioren erwartet. Die Zahl der 85-Jährigen und Älteren steigt bis 2040 mit 28 Prozent am stärksten (+6.000 Personen).

Welche Stadtteile in Dresden altern, welche bleiben jung?

Aufgrund der hohen Bautätigkeit wird die Einwohnerzahl in einigen Stadtteilen bis 2035 weiter stark wachsen. Zu nennen sind: Pirnaische Vorstadt (+48 Prozent), Mickten (+33 Prozent), Friedrichstadt (+30 Prozent) und die Albertstadt (+24 Prozent). Die höchsten Bevölkerungsrückgänge sind in diesem Zeitraum in den Stadtteilen Prohlis-Süd (-5,2 Prozent), Gorbitz-Ost, Räcknitz/Zschertnitz und Loschwitz/Wachwitz (jeweils um -4 Prozent) zu erwarten.

Wegen der Altersstruktur werden in der Innenstadt, in einigen Stadtteilen mit größeren Plattenbaugebieten und in abgeschwächter Form auch am Stadtrand deutlich mehr Sterbefälle als Geburten erwartet. Zwar altern auch einige Gründerzeitgebiete mit jungem Durchschnittsalter, jedoch führt vor allem am Stadtrand die demografische Alterung zu einem teils sehr hohen Durchschnittsalter.

Nach der Prognose wird im Jahr 2035 die Friedrichstadt mit 37,4 Jahren der jüngste und Altfranken/Gompitz der älteste Stadtteil mit 50,6 Jahren sein. 2023 war noch die Äußere Neustadt mit 34,3 der jüngste und Johannstadt-Süd mit 51,8 Jahren der älteste Stadtteil. 2035 wird im kompletten Dresdner Norden, im Hochland und in fast allen Stadtteilen am Rand der Stadt das Alter der Bevölkerung über 47 liegen. Im Stadtzentrum liegt es dann teilweise bei unter 39.

Wie sicher ist die Prognose für Dresden?

"Die Zahl der Unsicherheiten nimmt zu, Prognosen werden immer schwerer", sagt der Statistik-Sachgebietsleiter Holger Oertel. So ist zum Beispiel unsicher, wie lange der Geburteneinbruch sich fortsetzt. Die Statistik unterstellt zukünftig wieder mehr Geburten. Bei den Todesfällen wird der coronabedingte Anstieg in den Prognosen wieder abgeschwächt.

Zudem wird zunächst davon ausgegangen, dass die Zuwanderung durch Flucht und Asyl, die den Wanderungsgewinn der beiden letzten Jahre dominierte, zurückgehen wird. Bei den Geflüchteten rechnet die Statistikstelle damit, dass jeder dritte Asylbewerber und jeder zweite Geflüchtete aus der Ukraine in Dresden bleibt. Auch die Neuansiedlungen und Erweiterungen von Unternehmen im Dresdner Norden prägen die Vorhersage. "Unsere Annahmen sind mit hohen Unsicherheiten versehen, aber dennoch sehr plausibel", sagt die Leiterin der kommunalen Statistikstelle, Lioba Buscher.

Überholt Dresden nun doch Leipzig?

Trotz des Wachstums: Dresden bleibt absehbar hinter Leipzig die zweitgrößte Stadt in Sachsen. Momentan leben in der Messestadt 630.000 Menschen. Die Statistiker dort rechnen mit einem Anstieg auf 664.000 Einwohner im Zeitraum bis 2040.