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Für Bruchpiloten und Pechvögel in Dresden: Wildvogelstation braucht neue Intensivplätze

In der Wildvogelauffangstation in Dresden-Kaditz kommen schwerkranke Tiere in einer Art Intensivstation unter. Doch die Volieren sind marode und müssen erneuert werden. Die Zeit drängt.

Von Juliane Just
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Die Silbermöwe namens Jochen wird von Ronja Fulsche gefüttert. Die Leiterin der Wildvogelauffangstation in Dresden kümmert sich seit mehreren Wochen um das verletzte Tier.
Die Silbermöwe namens Jochen wird von Ronja Fulsche gefüttert. Die Leiterin der Wildvogelauffangstation in Dresden kümmert sich seit mehreren Wochen um das verletzte Tier. © Marion Doering

Dresden. Die junge Silbermöwe lässt sich so gar nicht stören. Während Ronja Fulsche mit einem Schrubber hinter der Möwe herwischt, um dessen Hinterlassenschaften zu entfernen, geht diese schnurstracks weiter. Die Möwe, die zwischen den Beinen der Mitarbeiter umherläuft, wurde auf den Namen "Jochen" getauft. Und Namen bekommen hier, inmitten von Gefieder und Geschnatter, nur die besonderen Fälle.

Jochen ist so ein Fall. Die Silbermöwe hatte vermutlich eine Kollision mit einem Auto. Außerdem wurde eine Halsentzündung vom Tierarzt diagnostiziert. Der Möwe fällt es schwer, ihr Futter selbständig zu finden und fliegen kann sie auch nicht mehr richtig. Und deshalb ist "Jochen" jetzt eben Dresdner und wird in der Wildvogelauffangstation von Ronja Fulsche und ihren Mitarbeitern gepflegt.

Etwa 30 Tiere kommen aktuell in Dresden unter. Die Gründe für Verletzungen bei Wildvögeln können vielfältig sein. Im ganzen Jahr 2023 wurden knapp 1.100 Bruchpiloten und Pechvögel unter dem Dach des Häuschens, das geschützt auf dem Gelände der Stadtentwässerung steht, gepflegt. "Es gab rückblickend viele Unfälle mit Wildvögeln", sagt Ronja Fulsche. Aufopfernd kümmern sich wenige Mitarbeiter und viele ehrenamtliche Helfer um die Tiere, deren Verletzungen größtenteils durch den Menschen zustande kommen.

Intensivstation der Wildvogel-Einrichtung muss erneuert werden

Und das kann viel Zeit in Anspruch nehmen. Für schwerverletzte Vögel gibt es eine Art Intensivstation in der Wildvogelstation. Diese befindet sich in der Küche - der Schaltzentrale der Einrichtung. Die Tür öffnet sich im Minutentakt, Futterschüsseln werden gefüllt und verteilt, Medikamente dosiert - es ist wie in einem Taubenschlag. Doch genau hier befindet sich die Intensivstation, weil es auch der einzig beheizte Raum der Anlage ist. "Hier ziehen Vögel ein, die eine intensivere Betreuung, täglich Medikamente oder zusätzliche Wärme brauchen", sagt Ronja Fulsche.

Von den fünf vorhandenen Volieren sind derzeit alle belegt. Auch die Silbermöwe Jochen hat hier ihr Schlaflager. Doch die Anlage ist marode. Sie wurde bereits 2007 eingebaut, als die Wildvogelauffangstation eröffnete, und ist seither in ständigem Gebrauch. Die Türen und Wände sind teils stark verrostet. "Gerade im Winter und Frühjahr reichen die Plätze außerdem gar nicht aus", so Fulsche.

Diese Stockente ist seit Silvester in der Wildvogelauffangstation in Dresden-Kaditz. Vermutlich wurde sie durch einen Böller aufgeschreckt, flog auf eine Brücke und wurde von einem Auto erfasst.
Diese Stockente ist seit Silvester in der Wildvogelauffangstation in Dresden-Kaditz. Vermutlich wurde sie durch einen Böller aufgeschreckt, flog auf eine Brücke und wurde von einem Auto erfasst. © Marion Doering
Die Silbermöwe Jochen stolziert durch den Flur der Holzbaracke in Kaditz. Noch kann das Jungtier nicht selbständig fressen und bleibt deshalb in Obhut der Dresdner.
Die Silbermöwe Jochen stolziert durch den Flur der Holzbaracke in Kaditz. Noch kann das Jungtier nicht selbständig fressen und bleibt deshalb in Obhut der Dresdner. © Marion Doering
Der Wespenbussard namens Rufus schaut den Mitarbeitern der Wildvogelauffangstation täglich über die Schulter. Er ist schon Monate in Pflege.
Der Wespenbussard namens Rufus schaut den Mitarbeitern der Wildvogelauffangstation täglich über die Schulter. Er ist schon Monate in Pflege. © Marion Doering
Die Intensivstation der Wildvogelauffangstation in Kaditz wurde beim Einzug 2007 eingebaut und ist marode. Hier sollen sieben neue, professionelle Volieren entstehen.
Die Intensivstation der Wildvogelauffangstation in Kaditz wurde beim Einzug 2007 eingebaut und ist marode. Hier sollen sieben neue, professionelle Volieren entstehen. © Marion Doering

Deswegen will die Leiterin in eine neue, professionelle Anlage investieren, die man beispielsweise auch in Tierarztpraxen finden kann. Das Material ist rostfrei und durch abgerundete Ecken besser zu reinigen als die alten Verschläge. Die fünf Intensivplätze sollen um zwei Boxen erweitert werden, in denen man die Wärme regulieren kann - ähnlich wie in einem Brutkasten. Kostenpunkt: 20.000 Euro.

Dieses Projekt ist nur mit Spenden finanzierbar. Jährlich braucht die Wildvogelstation 85.000 Euro für die medizinische Betreuung und Pflege der Wildvögel. Als im Jahr 2022 öffentliche Gelder gestrichen wurden, hatte die Einrichtung mit Geldsorgen zu kämpfen. "Ohne private Spenden wäre der Betrieb der Wildvogelauffangstation nicht möglich", sagt Ronja Fulsche. Die Einrichtung arbeitet stets mit dem nötigsten, von Luxus ist hier keine Spur.

Verletzte Wildvögel: "Eigentlich ist unsere Einrichtung zu klein"

Für das neue Projekt drängt die Zeit. Bis Anfang März soll die neue Intensivstation stehen, bevor zahlreiche Jungvögel in der Wildvogelauffangstation unterkommen. Von Juni bis August ist dann Hochsaison in der Auffangstation, dann ist die Arbeit kaum noch zu schaffen. "Eigentlich ist unsere Einrichtung zu klein für die Anzahl der Tiere, die zu uns kommen", sagt Fulsche. Die Dresdner Wildvogelauffangstation ist die größte in Sachsen, Ausweichstationen gibt es kaum.

Besondere Betreuung braucht beispielsweise gerade eine Waldschnepfe, die sich beim Anflug gegen eine Glasscheibe oder ein Auto verletzt hat. Durch den Aufprall ist sie auf einem Auge erblindet. Zweimal täglich tröpfeln die Mitarbeiter ihr Medikamente in das Auge und füttern sie per Hand, danach kann sie wieder zur Ruhe kommen. "Wir müssen schauen, ob der Körper mit nur einem Auge zurechtkommt", sagt Fulsche.

Ohne Ehrenamtler wäre der Betrieb auch in Dresden nicht stemmbar, betont Ronja Fulsche. Es gebe Mitmenschen, die regelmäßig helfen und einen großen Teil ihrer Zeit für die Tiere opfern. Doch oft ist sie diejenige, die Jungvögel abends mit nach Hause nimmt. Denn sie ist die einzige Vollzeit-Festangestellte, die die Vogelstation 2021 vor dem Aus rettete.

Gerade ist beispielsweise Waldkauz "Rufus" ihr Mitbewohner, der sich den Flügel gebrochen hat. Der Wespenbussard schaut ihr seit Monaten tagsüber in der Küche über die Schulter und nächtigt bei ihr, um in einem geschützten Raum zu übernachten. Die 26-Jährige hofft nun auf die Reha, damit Rufus seinen Flügel wieder vollumfänglich bewegen kann. Dann könnte er im nächsten Winter in den Süden fliegen - dank seiner Ersatzmama.

Weitere Informationen zur Arbeit der Einrichtung oder Tierpatenschaften gibt es auf der Website der Wildvogelauffangstation. Spendenkonto Umweltzentrum Dresden, IBAN: DE68 8505 0300 3120 1358 00, BIC: OSDDDE81XXX, Ostsächsische Sparkasse Dresden, Verwendungszweck: Spende Vogelstation.