Dresden. Andrea Andresen spaziert am Loschwitzer Elbufer entlang und genießt den Ausblick zum Blauen Wunder. Wo der Elberadweg unterhalb des Parkplatzes abzweigt, bleibt sie stehen und zückt ihr Smartphone. Denn hier bietet sich der 52-Jährigen aus dem ostholsteinischen Lensahn eine besondere Perspektive. In frischem Blau steht dort ein großes Stahlrechteck, das den Blick auf Dresdens schönste Brücke umrahmt. "Für ein Foto ist das perfekt", sagt die Touristin – und hält das Blaue Wunder mit dem Smartphone fest.
Andrea Andresen fährt oft nach Dresden, um die Sehenswürdigkeiten zu bewundern. Derzeit ist sie mit einer Reisefreundin unterwegs, um Schlösser zu erkunden. Sie waren bereits in Weesenstein und Moritzburg. Jetzt sind sie am Elbufer unterwegs und wollen noch zur Frauenkirche. "Dresden ist wunderschön, so wie diese Brücke", sagt die Ostholsteinerin und zeigt ihr frisch geschossenes Foto.
Stolz ist auch Stadtbezirksamtsleiter Christian Barth auf den Loschwitzer Fotorahmen, dessen linkselbisches Pendant am Blasewitzer Elbufer steht. Der 51-Jährige ist für beide Stadtbezirke zuständig, die 1921 nach Dresden eingemeindet wurden. Damals verband die König-Albert-Brücke, wie das Blaue Wunder offiziell hieß, bereits seit 1893 Loschwitz und Blasewitz. Vor dem 100. Jubiläum der Eingemeindung ist die Idee entstanden, die beiden Fotorahmen aufzustellen, berichtet er.
Das nötige Geld steuerten die Stadtbezirksbeiräte bei. Es stammt aus einem Etat, aus dem unter anderem Projekte zur Verschönerung des Stadtbildes bezahlt werden können. Geplant waren jeweils 1.600 Euro. Gekostet haben die 1,55 mal 1,2 Meter großen Stahlrahmen nur rund 1.400 Euro, da die Gemeindearbeiter der Stadtbezirke den Einbau übernommen hatten.
Rahmen sind aus gleichem Material wie das Blaue Wunder
Durch die Rahmen können Passanten nicht nur die Brücke bewundern. Mit dem Material sind sie wie ein Teil von ihr. Denn die Stahlrahmen mit ihrer gesamten Konstruktion zur Bodenbefestigung wurden von der Meißner Firma Stahl- und Maschinenbau Graf hergestellt, die bereits im ersten Sanierungsabschnitt des Blauen Wunders aktiv war.
Das Unternehmen hatte das für die Brückenkonstruktion notwendige spezielle Nietenverfahren wieder aufgegriffen und sich patentieren lassen. Schließlich besteht die 3.800 Tonnen schwere versteifte Hängebrücke aus genietetem Stahlfachwerk. Das nach einem Entwurf des Königin-Marienhütte Cainsdorf bei Zwickau und Prof. Claus Köpcke ab 1891 errichtete Bauwerk ist 280 Meter lang.
Lackiert wurden die Rahmen mit Farbe der Nossener Spezialfirma Geholit+Wiemer. Sie haben genau den Farbton erhalten, den das Blaue Wunder bereits bei der Übergabe am 15. Juli 1893 hatte. Das ist einer Recherche des Straßenbauamtes zu verdanken, an dem das Unternehmen beteiligt war.
Ursprüngliche Farbe des Blauen Wunders von 1893 entdeckt
Im Vorfeld der Sanierung wurden sechs bis sieben Farbschichten gefunden, die unterm Mikroskop untersucht wurden. Das hatte der damalige Straßenbauamtschef Reinhard Koettnitz erklärt. Dabei wurde auch die ursprüngliche Farbe von 1893 entdeckt." Ihren letzten Anstrich hatte die Brücke zu Wendezeiten erhalten. "1989 wurde sie noch mit Ostfarbe gestrichen, 1990 mit Westfarbe", berichtete Koettnitz.
Durch die Untersuchungen konnte die neue Farbe, die Gehotex W 92 heißt, wieder im Ton von 1893 hergestellt werden. Am Blasewitzer Ende gab es bereits vor der Sanierung Probefelder mit der neuen alten Farbe. Zu sehen ist sie auch an den Außengeländern des elbabwärts liegenden Fußwegs, der bis Anfang 2020 saniert wurde. Bis zu fünf Farbschichten wurden auf die neue Stahlkonstruktion aufgebracht. Der Anstrich wird wieder etwa 30 Jahre halten.
Insgesamt muss am Blauen Wunder eine Gesamtfläche von rund 40.000 Quadratmetern mit frischer Farbe beschichtet werden, erklärt das Straßenbauamt. Im ersten Bauabschnitt in der Brückenmitte wurden ab 2022 zirka 5.000 Quadratmeter mit der Farbe gestrichen, die Geholit+Wiemer geliefert hatte.
"Wir haben lange um die Aufstellgenehmigung gekämpft"
Jeder Fotorahmen ist auf einem befestigten Fundament verschraubt. Der Stahlfuß mit einem dicken Bolzen ist für den Hochwasserfall konstruiert, erläutert Stadtbezirksamtsleiter Barth. Steigt die Elbe auf der Loschwitzer Seite über 4,2 Meter, wird der dortige Fotorahmen umgeklappt. Auf der Blasewitzer Seite geschieht das bei fünf Metern. "Dann sind die Fotorahmen kein Hindernis im Strom", erklärt Barth.
Das war eine Forderung der Fachbehörden, hinzu kamen weitere. "Wir haben lange um die Aufstellgenehmigung gekämpft – und sie letztlich erhalten", sagt er. Im Sommer vergangenen Jahres konnten die Rahmen aufgestellt werden.
In Kürze folgt mit der Montage der Infotafeln noch der letzte Akt. Auf ihnen wird in einem kurzen Abriss die Geschichte des Blauen Wunders dargestellt und mit Fakten zur Loschwitzer Brücke ergänzt. Damit sind die Fotorahmen komplett.
"Viele Passanten haben sie schon entdeckt", berichtet Barth. Und sie hätten sich über den schönen Blick gefreut. Künftig wird er noch schöner. Denn die gesamte Stahlkonstruktion des Blauen Wunders wird bis 2028 saniert und erhält dabei die neue alte Farbe. In Kürze beginnen die Arbeiten im zweiten Abschnitt auf der Blasewitzer Brückenhälfte.