SZ + Dresden
Merken

Neben Lugturm und Dynamo Dresden: Warum Jens Genschmar jetzt in den Landtag will

Mit Jens Genschmar und Torsten Nitzsche wollen zwei Dresdner Politiker als Direktkandidaten in den Sächsischen Landtag. Was sie antreibt und wie ihre Chancen sind.

Von Dirk Hein
 5 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Wollen als Direktkandidaten für die Freien Wähler in den Sächsischen Landtag einziehen: Jens Genschmar (l.) und Torsten Nitzsche.
Wollen als Direktkandidaten für die Freien Wähler in den Sächsischen Landtag einziehen: Jens Genschmar (l.) und Torsten Nitzsche. © Matthias Rietschel

Dresden. Die Landeshauptstadt erwartet 2024 ein echtes Superwahljahr: Anfang Juni findet die Kommunalwahl statt, im September folgt die Landtagswahl. Jens Genschmar und Torsten Nitzsche, beide sitzen bereits für die Freien Wähler im Stadtrat, wollen dann sowohl im Stadtrat wiedergewählt werden als auch im Herbst als parteilose Direktkandidaten in den Landtag einziehen. Was motiviert beide, gegen wen treten sie an und wie sind ihre Chancen?

Umstrittener Dynamo-Traditionsbeauftragter

Egal ob Lugturm, Dynamo Dresden oder seine Arbeit zuerst als FDP-Stadtrat und später als parteiloser Stadtrat der Freien Wähler: Jens Genschmar ist bekannt in Dresden. Viele Jahre war er eines der Gesichter der Dresdner FDP, 2019 flog er zusammen mit Barbara Lässig aus der Partei. Genschmar behauptete damals, dass Menschen, deren Religion der Islam ist, in der "Mehrzahl" zu "Terroristen" erzogen würden.

Über die Jahre betrieb Genschmar einen eigentümlichen Mix aus einer engagierten Kommunalpolitik, einem wahrnehmbaren Einsatz für Geflüchtete - während der Asylkrise 2015 hatte er eine Patenschaft für eine libysche Familie übernommen-, einer konservativen Politik im Stadtrat und permanenten Bezügen zu Rechtsaußen im Netz. Dort provozierte er gern, sprach mit Blick auf ein sich verändertes Berlin beispielsweise vom "ehemaligen Berlin", forderte die Nennung der Vornamen der Täter bei Gewalttaten.

Mittlerweile ist Genschmar Fraktionschef der Freien Wähler/Freien Bürger im Stadtrat - und Traditionsbeauftrager bei Dynamo Dresden. In seinen Reden im Stadtrat provoziert Genschmar kaum noch, auch auf Facebook dominiert seit Monaten Unverfängliches vor allem rund um Dynamo Dresden.

Weithin beachtet ist das Engagement von Jens Genschmar und seiner Frau auf dem Lugturm. Der lag viele Jahre lang brach. Die Familie entwickelt ihn, trotz vieler Rückschläge, zum extrem beliebten Ausflugsort.

"Eigentlich fing alles am Lugturm an"

Dass Jens Genschmar jetzt in die Landespolitik will, hängt ebenfalls mit dem Lugturm zusammen. "Eigentlich fing alles am Lugturm an, nahezu jeder, der mich dort besucht, spiegelt es mir: Wir gehen am Bürokratismus kaputt. Ich alleine könnte tausend Beispiele nennen", sagt er. So habe Genschmar für 8.000 Euro ein Artenschutzgutachten anfertigen lassen. "Obwohl keine Fledermäuse gefunden wurden, müssen wir Nistkästen aufhängen, es könnten ja welche kommen."

Vereine würden Sportveranstaltungen absagen, weil sie die Bürokratie nicht mehr stemmen könnten. "Das war für mich das Zeichen zu sagen: Ganz normale Bürger dürfen nicht ihr Engagement aufgeben, weil sie am Bürokratismus scheitern. Das wird mein Hauptthema." Genschmar will zusammen mit seiner Frau weiterhin den Lugturm betreiben und bei Dynamo Traditionsbeauftragter sein. "Dynamo liegt mir ohnehin im Blut." Sein Stadtratsmandat sei zudem wichtiger als ein Einzug in den Landtag.

Genschmar tritt im Wahlkreis 43 (Prohlis und Seidnitz) an. Dort hat die AfD André Wendt aufgestellt, für die CDU tritt Frank Kromer an. "Ich bin realistisch: Bei der aktuellen Lage, da muss ich mich strecken, um das Direktmandat zu erzielen. Es reicht nicht, dass man schonmal in der Zeitung stand." Chancen rechnet sich Genschmar dennoch aus. "Wenn Dynamo gegen die Bayern antritt, dann spielen wir auch auf Sieg."

Der Ruhepol der Freien Wähler

In derselben Stadtratsfraktion ist Torsten Nitzsche. In den vergangenen fünf Jahren dort hat er enorm an Profil gewonnen. Das liegt zum einen daran, dass der Lehrer für die Bereiche Stadtentwicklung, Verkehr, Soziales und Bildung zuständig ist. Jeder einzelne Bereich davon wird in größeren Fraktionen oft durch einen Stadtrat besetzt.

Überall hat sich der Parteilose eingearbeitet, hält für seine Fraktion den Kontakt auch zu Linken und Grünen, gilt generell als gut vernetzt. Dass sein Bekanntheitsgrad dennoch nicht an den von Jens Genschmar heranreicht, hält er für verschmerzbar.

"Ich trete in einem Wahlbezirk an, in dem es keinen Platzhirsch gibt. Meine Chancen zu gewinnen, sind realistisch. Egal ob beim Vereinsfest oder mit meinen Bürgersprechstunden. Ich bin vor Ort präsent", sagt Nitzsche. Stellen muss er sich im Wahlkreis 46 (unter anderem Cotta und Altfranken) zum Beispiel Stadtrat Matthias Rentzsch von der AfD und CDU-Kandidat Felix Hitzig.

Bildungspolitik und Bürgerbeteiligung als Schwerpunkte

Schwerpunkt im Wahlkampf soll für den Lehrer Torsten Nitzsche Bildungspolitik sein. "In Gorbitz gibt es Schulen mit einem sehr hohen Anteil an Migranten, da muss man bei den Lehrern die Voraussetzung schaffen, dass darauf eingegangen werden kann." Nitzsche will zudem mehr Bürgerbeteiligung und mehr Volksentscheide. "Wenn man die Hürden senkt, steigt das Interesse an Politik."

Laut Nitzsche muss sich zudem das Wahlgesetz ändern, "um den Parteien etwas Macht zu nehmen". Aktuell legen die Parteien auf Landesebene fest, welcher Politiker auf welchem Platz der Landesliste steht. Die Liste wird gewählt. Im Stadtrat werden zwar ebenfalls Listen aufgestellt. Der Wähler hat aber die Möglichkeit, auch weiter hinten auf der Liste stehende Kandidaten zu wählen. Die Reihenfolge ist nicht entscheidend.

Wichtig sei generell, sich einzubringen. "Ich sage meinen Schülern immer, die sollen sich engagieren, egal ob im Sportverein oder bei der Feuerwehr, Hauptsache nicht immer zu Hause sitzen und zocken. Meine Schüler sollen sehen, dass ich es probiere - im Stadtrat und im Landtag."

Die weiteren Direktkandidaten der Freien Wähler in Dresden sind im Dresdner Norden, Wahlkreis (WK) 1, Theodor Benand. Stefan Schneider tritt im WK 2, also Neustadt und Johannstadt an. In Leuben, Loschwitz und Schönfeld-Weißig (WK 3) tritt Samir Köchritz an. Anja Reinhardt ist die Kandidatin im WK 5, Blasewitz. In Altstadt, Pieschen und Strehlen (WK 6) kandidiert Julia Förster und Lorenz Weber im WK 8, mit Plauen und Löbtau.