Tausende Dresdner protestieren gegen Neonazi-Aufmarsch: "Es ist wichtig, hier präsent zu sein"
Dresden. Es scheint Jahr für Jahr Dasselbe: Immer wieder kommen rund um den 13. Februar Neonazis nach Dresden und verbreiten ihren Opfermythos zur Bombardierung Dresdens 1945. Dagegen allerdings gibt es Widerstand in der Stadt. So hatte sich diesmal das Bündnis "Dresden "Wi(e)dersetzen" vorgenommen, die Neonazis am Sonntag zu stoppen. Das gelang zwar nicht, weil die Polizei mehrere Blockadeversuche verhinderte, aber es waren deutlich mehr Menschen beim Protest gegen die Rechten, als diese selbst aufzubringen in der Lage waren.
Aus 18 angemeldeten Versammlungen gegen den Aufmarsch der Neonazis wurden am Ende drei. Von Beginn an war davon auszugehen, dass unter den 18 Demonstrationen mehrere sogenannte "Platzhalter"-Demos sind. So werden angemeldete Versammlungen bezeichnet, die mögliche Orte eines anderen Aufmarschs belegen sollen.
Die Gegner trafen sich am Sonntagmittag am Hauptbahnhof, wo sich auch die Neonazis versammelten, am Bahnhof Mitte und am Sachsenplatz. Mit einem selbstgebastelten Schild "Unser Land bleibt demokratisch - unser Land bleibt offen" kam etwa Silvana Hillinger auf Gehhilfen zur Demo am Sachsenplatz. "Weil ich nicht will, dass unser Land von diktatorischen Kräften wie der AfD übernommen wird."
Auch der Dresdner Künstler David Adam wollte sich zeigen. "Dass manche Leute das Gedenken an den 13. Februar für ihre Zwecke instrumentalisieren wollen, geht mir auf den Zeiger", sagt er. "Deswegen gehe ich mit Leuten, mit denen ich Werte teile, auf die Straße." Es gehe darum, sich untereinander zu stärken.
Rund 1.800 Polizeibeamte sicherten die Demonstrationen an diesem Tag ab und verhinderten die direkte Konfrontation. Rund um den Hauptbahnhof kam der Verkehr vom Vormittag bis zum späten Nachmittag nahezu zum Erliegen, auch Busse und Bahnen der Dresdner Verkehrsbetriebe mussten umgeleitet werden.
Warum der OB an diesem Tag froh ist
Auch die Dresdner Stadtspitze war mit den Bürgermeisterinnen Eva Jähnigen (Grüne, Umwelt) und Annekatrin Klepsch (Linke, Kultur) beim Gegenprotest vertreten. Später mischte sich am Georgplatz zudem Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) unter die Leute, er ging an der Seite von Superintendent Christian Behr, dem Pfarrer der Kreuzkirche.
"Es ist wichtig, hier präsent zu sein", so Hilbert. Es sei immer wieder erschütternd, wie "ewig Gestrige" den 13. Februar missbrauchen. Der Oberbürgermeister zeigte sich "sehr, sehr froh", dass so viele Leute trotz des miserablen Wetters dagegen protestierten und auf der Straße "Gesicht zeigten".
Als die rund 1.000 Neonazis schließlich ihre Runde liefen, hatten sich etwa 5.000 Dresdnerinnen und Dresdner, unterstützt vom Bündnis "Leipzig nimmt Platz", zum Gegenprotest versammelt. Die Polizei trennte die Lager strikt. Versuche, die Polizeiketten zu durchbrechen und die Route der Rechtsextremisten zu besetzen, scheiterten allesamt.
"Die Dresdner Polizei schaut auf einen herausfordernden und dynamischen Einsatztag zurück", sagte Dresdens Polizeipräsident Lutz Rodig am Abend. "Dennoch ist es den Einsatzkräften gelungen, sowohl das Recht der Versammlungsfreiheit als auch einen Gegenprotest in Hör- und Sichtweite zu garantieren.
Der große Protest führte schließlich dazu, dass die Neonazis nicht die geplante Strecke laufen konnten. Polizeipräsident Rodig erklärte später, dass wegen der vielen Menschen am Lennéplatz die geplante Aufzugstrecke verkürzt und der Aufzug bereits über die Gret-Palucca-Straße zum Bahnhof zurückgeführt worden sei.
Die polizeiliche Bilanz
Die Bilanz der Polizei an diesem Sonntag vor dem 13. Februar: Gegen neun Teilnehmer der Neonazi-Versammlung wurden Ermittlungsverfahren wegen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz, das Waffengesetz sowie des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen eingeleitet.
Den größten Blockadeversuch gab es an der Hochschulstraße. Dort stoppten Beamte eine etwa 150-köpfige Gruppe, die versucht habe, "die Polizeiabsperrung zu durchbrechen und auf die Aufzugstrecke zu gelangen". Von 90 Personen wurden in dem Zusammenhang die Personalien festgestellt.
Insgesamt wurden gegen zehn Gegendemonstranten Ermittlungsverfahren eingeleitet, unter anderem wegen Landfriedensbruchs, tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte sowie wegen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz. Während des Einsatzes wurden drei Personen vorübergehend in Polizeigewahrsam genommen.
Der Einsatz der Dresdner Polizeidirektion wurde von der sächsischen Bereitschaftspolizei sowie Beamten aus Bayern, Brandenburg, Hamburg, Hessen und Thüringen sowie der Bundespolizei unterstützt.
Polizeipräsident Rodig brachte das Geschehen am späten Nachmittag auf den Punkt: "Der Einsatz ging für viele Dresdnerinnen und Dresdner mit Einschränkungen einher. Sie waren jedoch notwendig, um unseren gesetzlichen Auftrag zu erfüllen."
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