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DVB-Vorstand: "Haben signalisiert, dass wir unter diesen Bedingungen in Not geraten"

Den Dresdner Verkehrsbetrieben geht das Geld aus. Wo die Gründe liegen und wie gespart werden kann, erklärt DVB-Vorstand Andreas Hemmersbach im Interview.

Von Dirk Hein
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Das Deutschlandticket bereitet den DVB Sorgen, viele Fragen der Finanzierung sind nicht geklärt.
Das Deutschlandticket bereitet den DVB Sorgen, viele Fragen der Finanzierung sind nicht geklärt. ©  Sebastian Gollnow/dpa (Archiv/Symbolfoto)

Dresden. Der Zuschussbedarf für die DVB betrug von 2007 bis 2018 etwa 40 Millionen Euro pro Jahr. 2028, also zehn Jahre später, werden die DVB einen festen Zuschuss von 55 Millionen Euro erhalten und, rechnet man alle Kosten zusammen, weitere 88,7 Millionen Euro obendrauf brauchen.

Herr Hemmersbach: Die DVB steuern von 40 Millionen Euro Zuschuss im Jahr 2018 auf bis zu 144 Millionen Euro 2028 zu. Wie konnten die Kosten derart explodieren?

Das ist sehr stark verkürzt. Die 40 Millionen Euro haben wir jahrelang stabil halten können, weil die Kosten nur sehr gering gestiegen sind, wir deutliche Fahrgastzuwächse hatten und jährlich die Tarife angepasst haben. So ist es uns gelungen, die Ergebnisse stabil zu halten. Es war aber schon damals klar, dass diese Strategie nicht dauerhaft weiterverfolgt werden kann. Der Unmut in Dresden über alljährliche Preissteigerungen in diesen Größenordnungen wuchs stetig.

Was ist dann konkret passiert?

Es kamen die Corona-Jahre, der Ukraine Krieg, die Lieferengpässe mit den ganzen Problemen auf dem Energiemarkt. Die Kostenseite ist uns komplett explodiert. Energie hat sich um 20 Millionen Euro verteuert, Personalkosten ebenso. Letztere werden von 120 Millionen Euro weiter auf 135 Millionen im Jahr 2025 steigen, wobei dies vor allem deshalb notwendig ist, um auf dem angespannten Arbeitsmarkt überhaupt noch Personal zu finden: Bis 2026 müssen wir allein bei den Fahrpersonalen 250 Altersabgänge ausgleichen.

Auf der Einnahmeseite hat sich hingegen eine Stabilität auf dem Niveau des Jahres 2019 und 2020 eingestellt. Wir konnten auch durch Corona und die Aussetzung von Fahrpreiserhöhungen gar nicht mehr verdienen. Bei den hohen Zuschüssen, die Sie eingangs nannten, sind aber auch große Finanzierungsanteile für unsere notwendigen Investitionen berücksichtigt.

Wo müssen Sie investieren?

Abgesehen von den sich stetig verteuernden Infrastrukturausbauten kommt demnächst die erste Generation unserer Stadtbahnflotte in die Jahre. Sie ist seit den Neunzigern im Dienst, also bald fast 30 Jahre alt. Wir müssen nicht nur hier investieren, sondern auch bei den Bussen und im Betriebshof Gruna nachlegen. Der Gesetzgeber schreibt vor, dass wir im Busbereich auf Elektromobilität umrüsten müssen.

Welchen Einfluss hat das Deutschlandticket auf die Situation bei den DVB?

Auf der Einnahmeseite wird es jetzt nochmals dramatisch schwieriger. Mit dem Deutschlandticket findet eine erhebliche Preisabsenkung statt. Uns fehlen im nächsten Jahr 25 Millionen Euro. Für uns ist unklar, wie es 2024 weitergeht. Wir bekommen einen Ausgleich, wissen aber bis heute nicht, in welcher Größenordnung.

Es war bisher immer so, dass der Fahrpreis dazu dienen sollte, den Nahverkehr zumindest mitzufinanzieren. Die Ticketpreise können wir aber nicht mehr hochsetzen, da die Menschen dann zum Deutschlandticket wechseln. Das ist ein echter Paradigmenwechsel. Wir haben zwar noch einen eigenen VVO-Tarif, der ist aber nahezu ein Schattenpreis. Denn je höher er wird, umso mehr Menschen wechseln zum Deutschlandticket.

Die Politik muss begreifen, dass sie damit einen Eingriff in den Markt vorgenommen hat in einer nicht gekannten Dimension. Alle Verkehrsunternehmen, auch wir, haben signalisiert, dass sie unter den aktuellen Bedingungen komplett in Not geraten.

Wie viele Deutschlandtickets sind bisher verkauft?

Nächste Woche werden wir 100.000 Tickets verkauft haben. Die Hälfte unserer Abonnenten ist mittlerweile gewechselt. Das steigt weiter.

Was ihnen momentan zu schaffen macht, sind die Extra-Kosten beim Personal, bei der Energie, plus die Unsicherheit der Finanzierung?

Ganz vereinfacht: Ja. Wir brauchen mehr Geld für das eigene Personal, für Material, Energie und Investitionen. Unser Problem ist, dass diesem Mehrbedarf keine steigenden Fahrgeldeinnahmen entgegenstehen, im Gegenteil. Mit dem Deutschlandticket wurde uns die Möglichkeit genommen, auf der Einnahmenseite gegenzusteuern. Wir können nicht über den Preis verfügen, wir wissen nicht, welche Ausgleichszahlungen wir bekommen. Wir wissen, wie unsere Kosten steigen, aber nicht, mit wie viel Geld wir rechnen dürfen. Hier brauchen wir unbedingt verlässliche Aussagen vom Bund.

DVB-Finanzvorstand Andreas Hemmersbach im Interview.
DVB-Finanzvorstand Andreas Hemmersbach im Interview. © Marion Doering

Wie wollen Sie das erreichen?

Wir sind da nicht alleine unterwegs, das trifft alle Verkehrsunternehmen, die von deutlich steigenden Kosten geprägt sind. Wir brauchen mehr Geld, um den Nahverkehr zu finanzieren. Und dabei reden wir ja erstmal nur vom Bestand, nicht vom wichtigen und gewollten Ausbau, das ist das Dramatische. Wir diskutieren doch derzeit die Bewahrung des Status Quo.

Dennoch, inwieweit schauen Sie auch auf die eigenen Kosten und sparen? Es gibt immer noch den Vorwurf, Sie bestellen Luxus-Bahnen.

Es liegt schon immer in der DNA jedes Verkehrsunternehmens, sparsam zu sein, das ist doch nichts Neues. Wirtschaftsprüfer testieren uns regelmäßig, dass die Kosten für die Erstellung unserer Leistung unter dem branchenweiten Durchschnitt liegen. Vieles haben wir bereits getan. So sparten wir dank der Durchschaltung unserer Unterwerke seit 2010 elf Gigawattstunden Strom pro Jahr, und jedes neue Fahrzeug ist auch eine Investition in die Effizienz. Die Wertigkeit unserer Stadtbahnwagen erklärt sich auch aus dem Anspruch, dass sie 30 bis 40 Jahre fahren sollen. Der Wechsel zur E-Mobilität wird uns durch den Gesetzgeber vorgeschrieben. Diskutieren könnten wir noch über das Angebot. Was wir fahren, ist bestellt durch die Landeshauptstadt.

Jedes Unternehmen kann doch sich selbst nochmals hinterfragen?

Es wird immer mal wieder die Reduzierung auf unser Kerngeschäft diskutiert. Von der MOBI-Welt wissen wir, dass sie eine beachtliche Nachfrage hat, zurzeit haben wir 8.000 Fahrradausleihen pro Tag. Dieses Verleihsystem ist für viele Menschen nicht mehr wegzudenken.

Was uns zudem sehr helfen würde, wäre eine konsequentere Bevorrechtigung des ÖPNV im Stadtverkehr. Je besser und schneller unsere Fahrzeuge durch die Stadt kommen, desto stabiler ist der Fahrplan, schon eine Minute weniger Fahrzeit kann bedeuten, dass wir eine Bahn oder einen Bus einsparen. Das Gleiche gilt für Ampelschaltungen: Wenn Sie ständig 50 Tonnen abbremsen und beschleunigen müssen, kostet das enorm viel sinnlose Energie.