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Nach Akteneinsicht: Stadträte kritisieren Entscheidungen zum Verkehrsversuch am Blauen Wunder

Als Verkehrsversuch will Dresden Radwege über das Blaue Wunder anlegen. Weil die Kritik groß ist, beantragten Räte Akteneinsicht. Welche Folgen sich daraus ergeben.

Von Dirk Hein
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Nach einer Akteneinsicht zum Verkehrsversuch am Blauen Wunder hat die Politik Änderungsbedarf.
Nach einer Akteneinsicht zum Verkehrsversuch am Blauen Wunder hat die Politik Änderungsbedarf. © Matthias Rietschel

Dresden. Im Rahmen eines Verkehrsversuches wollte Verkehrsbürgermeister Stephan Kühn (Grüne) Mitte Oktober Radwege in beiden Richtungen über die Loschwitzer Brücke anlegen lassen. Doch dafür hätte auch die Kreuzung am Schillerplatz umgestaltet werden müssen. Weil Autos und Busse dadurch eine Spur weniger bekommen, werden extreme Staus befürchtet. Im Oktober musste der Verkehrsversuch verschoben werden. Die Zeit nutzten Räte zur Akteneinsicht. Jetzt liegen die Ergebnisse - und ein neuer Antrag für den Rat vor.

Was plant Dresden am Blauen Wunder?

Seit Jahren schon sollen Radwege über das Blaue Wunder führen. Immer wieder wurde geplant - und die Planungen am Ende doch verworfen. Als Verkehrsversuch angelegt, will Bürgermeister Kühn das jetzt ändern. Im Oktober verhinderte ein Regentag das Aufbringen der Markierungen auf dem Asphalt. Weil die beauftragte Baufirma danach Terminschwierigkeiten hatte, die Verwaltung die Tage rund um den Dresden-Marathon für die Arbeiten ausschloss und im Winter solche Markierungsarbeiten aus Sicht der Stadt nicht stattfinden sollen, wurde der Verkehrsversuch auf Anfang April verschoben.

Dann sollen auf beiden Seiten der Brücke Radwege angelegt werden. Für Autos und Busse bleibt eine Spur pro Richtung. Am Schillerplatz verschwenkt der Radweg für die Radfahrer in die Mitte der Straße, die gerade in Richtung Hüblerstraße wollen. Autos und Busse verlieren dadurch eine Spur. Selbst in den Simulationen der Stadt sorgt das für lange Rückstaus in Richtung Grundstraße.

So plant die Stadt den Verkehrsversuch am Blauen Wunder.
So plant die Stadt den Verkehrsversuch am Blauen Wunder. © SZ Grafik

Weil diese Berechnungen aber den Faktor Mensch nie klar vorhersagen könne, genervte Autofahrer beispielsweise neue Routen austesten, soll der Verkehrsversuch auch dazu Klarheit bieten. Geprüft wird auch, ob durch die neuen Radwege weniger Radler verbotenerweise auf dem Gehweg über die Brücke rollen.

Welche Erkenntnisse brachte die Akteneinsicht?

Um die Handlungen der Verwaltung besser nachvollziehen zu können, nahmen für die CDU Stadtrat Veit Böhm und für die Linke Stadtrat Tilo Wirtz Einsicht in die Akten der Stadt. Darin befinden sich unter anderem die Stellungnahmen der einzelnen Ämter zum Verkehrsversuch. Die Einsicht findet nicht öffentlich statt. Die Räte dürfen aber über ihre Schlussfolgerungen aus der Akteneinsicht berichten, also auch neue Anträge für den Rat stellen.

Stadtrat Tilo Wirtz hat bei seiner Prüfung "Sicherheitsdefizite" festgestellt. Unter Umständen könnte dasselbe Problem drohen, wie am Fetscherplatz. Dort musste die DVB eine Buslinie verlegen, weil die Schleppkurven der großen Busse auf den Radweg geschwenkt haben. Das Problem wurde im Nachhinein behoben.

Zudem sei mit der Einsicht der Akten deutlich geworden, dass der Radweg bis mindestens 2028 durch die vielen Bauarbeiten auf der Brücke nie wirklich genutzt werden kann. "Die Stadt plant 2024 einen Verkehrsversuch, kann aber gar nicht wissen wie der Verkehr dann 2028 über die Brücke abläuft", sagt Wirtz.

Rückstaus von zehn Minuten als Folge des Verkehrsversuches seien denkbar. "Wer nicht hören will, muss fühlen. Es kann sein, dass die Stadt gerade ihren eigenen Misserfolg vorbereitet. Das Scheitern kommt mit Ansage."

Auch Veit Böhm sagt: "Im Ergebnis der Akteneinsicht muss man festhalten, dass die Probleme um den geplanten Verkehrsversuch gravierender sind, als es die Verwaltung bislang dargestellt hat." Auch er kritisiert, dass die lange andauernden Bauarbeiten auf der Brücke scheinbar nicht bedacht wurden. "Wenn bereits 2024 Radwege auf dem Blauen Wunder markiert werden, wo stehen dann die Gerüste zur Sanierung der Stahlkonstruktion?"

Wie reagiert die Stadt auf die erneute Kritik?

"Im Zuge der Planungen zur Einrichtung von Radverkehrsanlagen am Schillerplatz wurden die Schleppkurven der maßgebenden Fahrzeuge überprüft", sagt Stadtsprecher Alexander Buchmann. Dabei sei auch die Beteiligung der Dresdner Verkehrsbetriebe zur Überprüfung der Befahrbarkeit mit den besonders langen Capacity-Bussen erfolgt.

"Die geplante Fahrstreifenaufteilung entspricht dem Stand der Technik gemäß den Richtlinien der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen." Die tatsächlichen Auswirkungen auf alle Verkehrsteilnehmer könnten jedoch erst durch den Verkehrsversuch ab April 2024 getestet, erfasst und ausgewertet werden. "Erst danach wird entschieden, ob die Radverkehrsanlage beibehalten wird."

Die Frage, inwieweit die langen Brückenbaustellen bei der Planung der Radwege eine Rolle gespielt haben, ließ die Stadt unbeantwortet. Stattdessen wurde mitgeteilt: "Die beidseitigen Radstreifen sind bei der Sanierung des Blauen Wunders nicht nutzbar."

Welche neuen Anträge und Forderungen gibt es?

Durch einen erneuten Ratsbeschluss will die CDU-Fraktion eine Anhörung im Bauausschuss zum Verkehrsversuch erzwingen. Schwerpunkte der Anhörung soll die Vorstellung der Unfallanalyse, der Sicherheitsbewertungen und der Stellungnahmen von Stadt, DVB sowie Polizei zur geplanten Verkehrsführung sein.

"Die witterungsbedingte Verschiebung des Verkehrsversuchs gibt uns die Chance, die Auswirkungen der konkreten Vorschläge noch einmal fachlich und in Ruhe zu betrachten", sagt Veit Böhm.

Tilo Wirtz will die Stadt beauftragen, eine neue Variante zu prüfen. So könnten auf dem Blauen Wunder Radwege eingerichtet werden, die Extra-Spur für Radler auf dem Schillerplatz aber nicht angeordnet werden. Radfahrer müssten sich dann, wie bisher auch, in die jeweils gewünschte Fahrspur einordnen. Rückstau würde vermieden.