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Wie sehr schadet Pegida Dresden?

Dieser Frage widmete sich der Stadtrat am Donnerstag. Dabei gab es überraschend klare Bekenntnisse.

Von Andreas Weller
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Wie sehr schaden Pegida und Co. Dresden? Dieser Frage widmete sich der Stadtrat.
Wie sehr schaden Pegida und Co. Dresden? Dieser Frage widmete sich der Stadtrat. © René Meinig

Dresden. Pegida und andere rechte Umtriebe führen dazu, dass weniger junge Menschen nach Dresden ziehen. Das zumindest besagt eine Studie, die im August veröffentlicht wurde.

Aus diesem Grund hatte die Dissidenten-Fraktion eine aktuelle Stunde zum Thema beantragt. In dieser gab es eine Videobotschaft von Tommy Krieger. Der ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Universität Sankt Gallen und hat die Studie mit erstellt. Im Stadtrat gab es zum Teil heftige Reaktionen.

Krieger erläuterte kurz, welche Daten der Erhebung zugrunde liegen. Das Ergebnis sei klar: Es zögen weniger junge Menschen nach Dresden, seitdem Pegida und Co. regelmäßig durch Dresden liefen.

Die AfD stellte den Sinn der Diskussion allerdings infrage. "Es gibt so viele wichtige Themen", so AfD-Fraktionschef Wolf Hagen Braun. "Trotzdem zwingt uns die Dissidenten-Fraktion zu dieser aktuellen Stunde, das ist Missbrauch." Die Verfassung schütze das Versammlungsrecht. "Deshalb ist es unerheblich, welche Folgen von Demonstrationen ausgehen", so Brauns These. Der Stadtrat solle Dresden nicht "schlechtreden".

"Erhebliche Gefahr von der extremen Rechten"

Völlig anders bewertet Linke-Fraktionschef André Schollbach die Lage. "Von der extremen Rechten gehen erhebliche Gefahren für unser Land aus." Diese Entwicklung wurde laut Schollbach dadurch begünstigt, dass der Staat zu langsam und zu zögerlich auf die Ausbreitung und Verfestigung rechter Netzwerke reagiert habe.

"2009 gab es in Dresden den europaweit größter Neonazi-Aufmarsch, unsere Stadt wurde zum beliebten Aufmarschort", führte Schollbach aus. "Seit sieben Jahren hetzt Pegida auf Dresdens Straßen. Die Reden erinnern in ihrem Duktus nicht selten an jene der Nazis." Es gehe um viel mehr als den Ruf der Stadt und die Attraktivität als Wirtschaftsstandort. "Aus Worten sind längst Taten geworden", mahnte Schollbach. Damit meine er den "Moschee-Bomber" im Jahr 2016. Der Mann war zuvor auch bei Pegida aufgetreten.

Und Schollbach verwies auf die Bundestagswahl am Sonntag. "Heute ist die extreme Rechte bundesweit in den Parlamenten präsent." Es bestehe die Gefahr, dass die Stadt von zwei hartgesottenen Rechten in Berlin im Bundestag vertreten wird. Gemeint sind die AfD-Direktkandidaten Jens Maier und Andreas Harlaß.

Auch der Leiter des International Office der TU Dresden, Peter Rosenbaum, bestätigte die Studie. "Seit 2015 ist die Einschreibung deutscher Studierender um etwa 1.000 zurückgegangen." Allerdings stieg die Zahl der internationalen Studierenden leicht um etwa vier Prozent. Auch wenn internationale Studierende nach Dresden kämen, bedeute das nicht, dass Pegida und rassistische Vorfälle keine Auswirkungen auf die TU haben. "Von Wissenschaftlern und Studierenden hören wir regelmäßig von rassistischen Beleidigungen und Vorfällen", so Rosenbaum. "Das sind Angriffe auf unsere Grundwerte."

Rosenbaum betonte, dass die TU Dresden die einzige ostdeutsche Exzellenz-Universität ist. Dies bedeute auch immer Internationalität. "Top-Wissenschaftler fragen vorher, was ist mit Pegida, bin ich in Dresden sicher?", so Rosenbaum. "Wir brauchen klare Abgrenzungen von offizieller Seite, wenn es zu rassistischen Übergriffen kommt."

"Das müssen wir aushalten"

Dresden sei genervt von Pegida, so FDP-Stadtrat Robert Malorny. "Es gab einen Rückgang beim Tourismus, weniger Studierende und das genervte Gefühl bei vielen Dresdnern." Aber positive Botschaften wie Neuansiedlungen von Unternehmen hätten Pegida zurückgedrängt. "Es ist unser aller Verantwortung, für positive Bilder von Dresden zu sorgen", so Malorny. Auch er benannte die Versammlungsfreiheit. "Das müssen wir aushalten."

Frank Hannig von den Freien Wählern sagte, er erkenne das Problem nicht. "Es kommen mehr ausländische Studierende nach Dresden, es gibt keine signifikanten Verluste bei den Touristen und viele Wirtschaftsansiedlungen."

Schließlich gehe es um das Grundrecht der Versammlungsfreiheit. "Diejenigen, die ihre Meinungsfreiheit durchsetzen wollen, haben sich schon immer mit ihren Gegnern auseinandersetzen müssen", so Hannig. "Ob Meinungsfreiheit einer Stadt schadet, entscheidet nicht der Stadtrat, sondern die Geschichte."

Sorge ums Personal und um Fachkräfte

Für die CDU sprach deren Bundestags-Direktkandidat und Dresdner Unternehmer Markus Reichel. Und er wurde überraschend deutlich. "Wir haben Vorzeige-Investitionen und die größte Dichte an wissenschaftlichen Institutionen deutschlandweit. Aber wenn ich mich mit Unternehmern unterhalte, kommt immer wieder ein Thema: Personalmangel und Fachkräftebedarf."

Pegida "spaltet und schadet", so Reichel. "Ich höre, die Leute haben Angst, sie können ihre Familien nicht überzeugen, hierherzukommen." Er werde als Unternehmer gefragt, was in Dresden los sei. "Pegida ist ein Kulturkampf auf unseren Straßen. Die Zeiten, als auch Demonstranten aus dem Bürgertum auf die Straßen gingen, sind längst vorbei. Wenn wir uns um den Standort Dresden sorgen und ein Zeichen setzen wollen, dass Dresden weltoffen ist, dann sollten wir nicht zulassen, dass geistige Brandstifter unser gesellschaftliches Klima vergiften. Dann sind wir alle aufgefordert zu widersprechen: auf den Straßen, in den Betrieben, im privaten Umfeld und auch bei der anstehenden Bundestagswahl."

Stadträtin Andrea Mühle (Grüne) widersprach AfD, FDP und freien Wählern. "Es geht nicht um Versammlungsfreiheit. Dass die gilt, ist unstrittig." Pegida sei ein "Sammelbecken, bei dem sich rechte Brandstifter" vernetzt haben. "Es darf nicht nur darum gehen, ob Menschen aus anderen Ländern sich entscheiden, überhaupt hierherzukommen, sondern ob sie angstfrei und sicher hier leben können."

Sie nehme eine Diskriminierung auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt wahr. Es gebe Beschimpfungen, rassistische Beleidigungen und Angriffe. "Unpolitisch zu sein, ist in Dresden keine Option", so Mühle. Deshalb fordere sie Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) auf, sich mehr zu engagieren.