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Das passiert im Verborgenen hinter der Bauplane am Dresdner Zwinger

Noch bis Mitte des nächsten Jahres wird am Glockenspielpavillon am Dresdner Zwinger gebaut. Das erfordert viel Fingerspitzengefühl.

Von Peter Hilbert
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Mit Planen verhüllte Gerüste prägen derzeit das Bild der Außenseite des Glockenspielpavillons in Dresden am Zwinger. Bis Mitte nächsten Jahres arbeiten die Fachleute der Zwingerbauhütte dort.
Mit Planen verhüllte Gerüste prägen derzeit das Bild der Außenseite des Glockenspielpavillons in Dresden am Zwinger. Bis Mitte nächsten Jahres arbeiten die Fachleute der Zwingerbauhütte dort. © Peter Hilbert

Dresden. Clemens Modrakowski begutachtet das Gipsteil, das er gerade an ein reich verziertes Sandsteinteil anpasst. „Dabei handelt es sich um ein Kapitell“, erklärt der 37-jährige Fachmann. Das ist der Kopf einer vier Meter hohen Sandsteinsäule, die die Stadtseite des Glockenspielpavillons an der Sophienstraße ziert. Er arbeitet in der Zwingerbauhütte, die sich um Sanierungs- und Restaurierungsarbeiten am Dresdner Zwinger kümmert. Der gebürtige Dresdner ist Steinbildhauermeister und Restaurator im Handwerk. Er ist seit 2019s stellvertretender Hüttenmeister der Zwingerbauhütte, wo er bereits gelernt hatte.

Derzeit arbeitet er mit seinen Kollegen an der Restaurierung des Glockenspielpavillons; einem Gebäude des Zwingers an der Sophienstraße. Im Mai dieses Jahres waren die Gerüste an der Stadtseite des Pavillons aufgebaut worden, im Juni hatten die Arbeiten begonnen. Sie werden von den Fachleuten der Zwingerbauhütte ausgeführt. Dabei war festgestellt worden, dass der Säulenkopf und die prachtvolle Skulptur einer großen Sandsteinvase so beschädigt sind, dass sie durch eine Kopie ersetzt werden müssen.

Sanierung des alten Dresdner Bauwerks ist aufwendig

1996 war die Fassade des 1719 errichteten Glockenspielpavillons komplett saniert worden, erklärt Modrakowski. „Sie muss jetzt wieder vom Schmutz von fast 30 Jahren gereinigt werden.“ Das muss an dem bedeutenden Sandstein-Bauwerk sehr schonend geschehen. Bei der Trockenreinigung wird vor allem mit dem Pinsel gearbeitet. „Damit sind wir Anfang August fertiggeworden“, sagt er zur ersten Etappe.

Die Jahrzehnte haben jedoch nicht nur Spuren auf, sondern auch im Sandstein in Form von Salz hinterlassen. „Das Salz haben wir mit Zellstoffkompressen entfernt“, erklärt der Vize-Hüttenmeister den folgenden Schritt. „Die besonders betroffenen Stellen sind witterungsgeschützt an der Unterseite der Gesimse.“ Dort trocknet das Wasser ab, sodass das Salz in den Sandstein einzieht. In drei Reinigungszyklen wurde das Salz dort entfernt. „Die Entsalzung konnten wir auch schon abschließen.

Feingefühl ist von Clemens Modrakowski bei seiner Arbeit in der Zwinger-Bauhütte gefragt. Hier ergänzt der Steinbildhauermeister einen über 300 Jahre alten Säulenkopf vom Glockenspielpavillon um ein fehlendes Teil, damit er als Vorbild für eine Kopie dienen kann.
Feingefühl ist von Clemens Modrakowski bei seiner Arbeit in der Zwinger-Bauhütte gefragt. Hier ergänzt der Steinbildhauermeister einen über 300 Jahre alten Säulenkopf vom Glockenspielpavillon um ein fehlendes Teil, damit er als Vorbild für eine Kopie dienen kann. © Matthias Rietschel
Hier ist die mit Hölzern gesicherte Lücke zu sehen, in die der kopierte Säulenkopf wieder eingebaut wird. Die Fachleute der Zwingerbauhütte wollen die Fassade am Glockenspielpavillon bis Juni kommenden Jahres sanieren.
Hier ist die mit Hölzern gesicherte Lücke zu sehen, in die der kopierte Säulenkopf wieder eingebaut wird. Die Fachleute der Zwingerbauhütte wollen die Fassade am Glockenspielpavillon bis Juni kommenden Jahres sanieren. © Matthias Rietschel
Steinbildhauerin Bärbel Hempel bringt in der Zwingerbauhütte am Kopf dieser alten Sandsteinvase einen Hauptpunkt aus Gips an. In dem wird das Punktiergerät eingehängt. So können die Maße von der Skulptur auf die Kopie übertragen werden.
Steinbildhauerin Bärbel Hempel bringt in der Zwingerbauhütte am Kopf dieser alten Sandsteinvase einen Hauptpunkt aus Gips an. In dem wird das Punktiergerät eingehängt. So können die Maße von der Skulptur auf die Kopie übertragen werden. © Peter Hilbert
Vize-Hüttenmeister Clemens Modrakowski im Skulpturenlager der Zwingerbauhütte. Hier stehen Skulpturen, die teilweise noch aus der Bauzeit des Zwingers vor rund 300 Jahren stammen.
Vize-Hüttenmeister Clemens Modrakowski im Skulpturenlager der Zwingerbauhütte. Hier stehen Skulpturen, die teilweise noch aus der Bauzeit des Zwingers vor rund 300 Jahren stammen. © Matthias Rietschel

Zudem rücken die Fachleute auch mit dem Heißdampfgerät dem Schmutz zu Leibe. „Daran arbeiten wir derzeit noch“, sagt er. Außerdem mussten ausgebrochene Stellen im Sandstein vermessen werden, um neue Teile, die in der Fachsprache Vierungen heißen, einbauen zu können. „Die Vermessung und die Planung der neuen Teile haben wir schon abgeschlossen“, erklärt Modrakowski.

Skulpturen müssen ins Wasserbad

24 Skulpturen von der Stadtseite wurden abgebaut und in die Zwingerbauhütte gebracht. Bis auf sechs Kopien von 1996 gehen sie baden. „Und zwar in entmineralisiertes Wasser“, erläutert er. Das ist nötig, um sie nicht nur zu reinigen, sondern auch zu entsalzen. Ein Bad dauert vier bis sechs Wochen. Dann wird das Wasser gewechselt. Bis zu fünf Zyklen sind dafür nötig, bis sie sauber und salzfrei sind. Das dauert aber noch eine Weile, bis die aufgefrischten Skulpturen wieder an ihren alten Platz kommen.

Mit Silikonhaut wurde die Form genommen: Säulenkopf wird kopiert

Der Vize-Hüttenmeister ist derzeit dabei, den Säulenkopf so vorzubereiten, dass er gut kopiert werden kann. Das Kapitell ist ein Original aus der Bauzeit und damit schon über 300 Jahre alt. „Der Pavillon war zwar bei den Maiaufständen 1849 abgebrannt. Aber das Kapitell blieb erhalten“, sagt er. Aufgrund der starken Schäden musste es aber abgebaut werden. So durchziehen Risse das gesamte Bauteil. „Dadurch ist seine Statik nicht mehr gewährleistet. Also müssen wir es durch eine Kopie ersetzen“, erklärt Modrakowski.

Ein Vorteil war, dass es insgesamt vier baugleiche derartige Säulen am Glockenspielpavillon gibt. So konnte mit einer Silikonhaut die genaue Form des Säulenkopfes von einem anderen abgenommen werden. „In die Negativform wird Gips eingefüllt, sodass die fehlenden Stellen am kaputten Kapitell ersetzt werden können.

Hunderte Punkte werden vom Original auf die Kopie übertragen

Zuvor hatte Modrakowski die Risse am Original noch mit Edelstahlnadeln gesichert und es mit Pinsel und Bürste grob gereinigt. „Mitte Dezember werde ich die Modellierarbeiten am Original abschließen“, blickt er voraus. So kann der Vize-Hüttenmeister das Kapitell der Denkmalpflege vorstellen. Sind diese Fachleute damit zufrieden, kann er nächstes Jahr mit den Arbeiten an einer Kopie nach dem Vorbild des Originals beginnen. „Der sechs Zentner schwere Block liegt schon im Lager bereit. Er ist aus Cottaer Sandstein, der aufgrund seiner Struktur besonders für solche Bildhauerarbeiten geeignet ist.

„Zuerst werden ich die groben Konturen herstellen“, erläutert der Steinbildhauermeister den Auftakt. Mit einem Stift wird er Punkte auf dem Block markieren, um danach die Oberfläche zu bearbeiten. Mit einem Punktiergerät werden sie vom Original übertragen. In der nächsten Runde geht es in die Feinbearbeitung, bei der noch ein Stück von der grob bearbeiten Oberfläche abgetragen werden muss.

Arbeiten sollen im Juli beendet sein

Modrakowski schätzt, dass er dabei mit seinem Punktiergerät insgesamt Hunderte Punkte vom Original zur Kopie übertragen muss, damit die Maße genau stimmen. Bei der Feinbearbeitung kommt es letztlich auf den Millimeter an. Um die Flächen zwischen den Punkten dem Original entsprechend genau zu bearbeiten, sind ein gutes Auge und Einfühlungsvermögen erforderlich.

Spätestens im Juni soll der kopierte Säulenkopf im Glockenspielpavillon eingebaut werden genauso wie die Kopie der Sandsteinvase. Um die wird sich seine Bildhauer-Kollegin Bärbel Hempel kümmern. Bis Mitte kommenden Jahres sollen alle Arbeiten an der Fassade des Glockenspielpavillons beendet werden.