So klar wurde diese Wahl noch nie entschieden: Bei der Abstimmung für den Negativpreis „Prellbock“ entfielen in diesem Jahr mehr als 1.300 von 2.700 abgegebenen Stimmen auf Vodafone. Andreas Eichhorst, Vorstand der Verbraucherzentrale Sachsen, erklärt, welche Wirkung die zweifelhafte „Ehrung“ entfalten soll.
Herr Eichhorst, zum ersten Mal seit 2013 hat die Verbraucherzentrale den „Prellbock“-Preis nach einem reinen Online-Voting vergeben, nur die fünf Kandidaten waren vorgegeben. Bekommt Vodafone den Negativpreis auch ohne Jurysitzung zu Recht?
Absolut. Allein unsere Berater in Sachsen haben von Januar bis Oktober rund 600 Beschwerden mit Vodafone-Bezug gezählt. Bundesweit sind es über 7.000 Fälle.
Welche Probleme werden am häufigsten geschildert?
Untergeschobene Verträge, unerwünschte Zusatzverträge, Ärger mit Vertragsänderungen und mangelnde Bandbreite sind die wichtigsten vier Punkte. Wobei man sagen muss, dass es Bandbreiten-Ärger nicht nur bei Vodafone gibt.
Vodafone kooperiert bei der Vermittlung von Verträgen mit Vertriebspartnern, deren Praktiken schon häufiger in der Kritik standen. Wird der Konzern für Dinge verantwortlich gemacht, für die er unmittelbar gar nichts kann?
Diesen Einwand hören wir immer wieder. Ich finde, wenn ein Unternehmen den Vertrieb seiner Produkte so organisiert, dann muss es durch die Auswahl von Standards und Vorgaben für die ordnungsgemäße Arbeit seiner Partner Sorge tragen. Insofern ist das für mich ein Scheinargument. Die Kritik trifft Vodafone zu Recht.
Lassen Sie das Argument von Vodafone gelten, man sei zuerst selbst Opfer, wenn Vertriebspartner unerwünschte Verträge einreichen?
Zuallererst sind hier die Verbraucher die Opfer. Warum hat Vodafone solche Probleme mit Vertriebspartnern? Setzt man falsche Anreize? Ich kenne die Provisionsstrukturen nicht, es scheint aber so zu sein, dass die Anreize dazu führen, dass Kunden Verträge untergeschoben werden.
Wenn sich Ihre Kollegen in die Auseinandersetzung zwischen Kunden und Unternehmen einschalten, wie hoch ist dann die Erfolgsquote?
Eine pauschale Antwort darauf zu geben oder eine Quote zu nennen, ist schwer. Denn es gibt ja auch unberechtigte Beschwerden. Aber: Wenn wir eingeschaltet werden, stellen wir häufig fest, dass die Beschwerde berechtigt ist. Dann bekommen wir aber auch sehr häufig eine Lösung im Sinne des Kunden hin. Aus untergeschobenen Verträgen bekommen wir die Leute fast immer raus. Das läuft dann meist über Kulanz. Vodafone scheut an dieser Stelle die juristische Auseinandersetzung. Um es positiv zu sagen: Vodafone ist in den beschriebenen Fällen durchaus am Zustandekommen einer Lösung interessiert.
Ist es nicht aber so, dass den Kunden im Streitfall relativ schnell mit Inkasso gedroht oder das sofort in Gang gesetzt wird?
Ja. Und dabei geht es häufig schnell um vierstellige Summen. Wenn diese Maschinerie anläuft, bekommen Verbraucher natürlich Angst.
Ist die Reaktion von Vodafone auf die Verleihung des „Prellbocks“ erwartbar?
Der Prellbock ist seit 2013 viermal verliehen worden. Wir erwarten nicht, dass sich ein Preisträger überhaupt meldet, geschweige denn den Preis entgegennimmt. Insofern muss man Vodafone anrechnen, dass sie zumindest Stellung genommen haben.
2019 hatte mit Pyur ebenfalls ein Telekommunikationsanbieter den Preis verliehen bekommen. Was hat sich dort seitdem getan?
Wir können gesunkene Beschwerdezahlen feststellen – von 230 Beratungsfällen im Jahr 2019 auf 73 in diesem Jahr. Aber ich bezweifle, dass dies nur auf ein verbessertes Verhalten gegenüber den Kunden zurückzuführen ist. Hier dürfte auch Corona eine Rolle gespielt haben.
Was bessert sich durch das am 1. Dezember in Kraft getretene novellierte Telekommunikationsgesetz?
Zunächst begrüßen wir, dass der Gesetzgeber teilweise Forderungen der Verbraucherschützer umgesetzt hat. Das aus meiner Sicht Positivste ist die kurze Kündigungsfrist: Wenn die üblichen 24 Monate rum sind, können Kunden in der Regel monatlich kündigen. Allerdings haben wir nur eine beschränkte Anzahl von Anbietern auf diesem Markt, und die Beschwerden ähneln sich oft. Ich befürchte, dass es für Betroffene manchmal nur vom Regen in die Traufe geht. Wer von seiner Wechseloption Gebrauch macht, sollte vorher genau analysieren, wie die vertraglichen Konstellationen beim neuen Anbieter sind.
Was schwierig bleibt, ist, dem Anbieter korrekt nachzuweisen, dass daheim zu wenig Bandbreite ankommt. Die Bedingungen für die Messung weichen aber so weit von realen Nutzungsbedingungen ab, dass viele Nutzer Probleme haben dürften, ihr Ziel – geminderte Gebühren oder vorfristige Kündigung – zu erreichen.
Diese Ansicht teile ich. Die Beweispflicht ist bei diesem Thema immer noch verkehrt herum. Zudem geht es oft nicht um riesige Beträge. Das schreckt viele ab und führt dazu, dass die Anbieter ihre Vorgaben durchziehen können.
Die Verbraucherzentrale Sachsen berät betroffene Mobilfunk- und Internetkunden persönlich, telefonisch oder per Video-Chat. Telefonkontakt montags bis freitags jeweils 9 bis 16 Uhr: 0341 – 696 29 29. Weitere Infos hier.